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Jemen: Behörden versagen beim Schutz der Grundrechte

Für die UN erstellter Bericht verweist auf verheerende Bedingungen und bürokratische Hürden für Hilfe

Ein mit den Houthi verbündeter Soldat geht am 16. März 2017 zwischen humanitären Hilfsgütern in einem Vertriebenenlager am Rande der jemenitischen Hauptstadt Sanaa umher. © 2017 Mohammed Huwais/AFP via Getty Images

(Beirut) – Die jemenitischen Behörden kommen ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz der sozioökonomischen Rechte von Millionen Jemenit*innen nicht nach, so Human Rights Watch in einem für den UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte bestimmten Bericht. Der Ausschuss, der die Einhaltung des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte überwacht, wird ab dem 13. Februar 2023 zu einer neuen Sitzung zusammenkommen. Jemen ist Vertragspartei dieses Abkommens.

Nach mehr als sieben Jahren langwierigen Konflikts hat die jemenitische Regierung keine Fortschritte bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen zum Schutz des Rechts der Jemenit*innen auf Gesundheit und einen angemessenen Lebensstandard gemacht. Von den 30 Millionen Einwohner*innen Jemens sind mehr als 23 Millionen weiter auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter fast 13 Millionen Kinder.

„Das Ausmaß der Hungersnot im Jemen ist beispiellos und eine direkte Folge der Handlungen der Kriegsparteien, einschließlich ihrer Angriffe auf die Infrastruktur in den Bereichen Gesundheit, Nahrungsmittel und Wasser“, sagte Niku Jafarnia, Researcherin für Jemen und Bahrain bei Human Rights Watch. „Die Konfliktparteien müssen unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um der ausufernden Gesundheitskrise entgegenzuwirken, unter der die Menschen im Jemen leiden. Dazu gehört in erster Linie ein Ende aller Angriffe auf die zivile Infrastruktur.“

Schon seit mehreren Jahren stufen die Vereinten Nationen die Situation in Jemen als eine der schlimmsten humanitären Krisen weltweit ein. Die Konfliktparteien haben jedoch immer wieder zivile Infrastrukturen, darunter Krankenhäuser sowie Lebensmittel- und Wasserversorgungseinrichtungen, angegriffen und den Zugang zu humanitärer Hilfe blockiert. Das hatte katastrophale Folgen für die Gesundheit und den Lebensstandard der jemenitischen Bevölkerung. Die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführte Koalition, die auf Seiten der jemenitischen Regierung an dem Konflikt beteiligt ist, hat zahlreiche Luftangriffe auf die Lebensmittel- und Wasserinfrastruktur im gesamten Jemen durchgeführt, darunter Bauernhöfe, Bewässerungsanlagen und Fischerboote. Die Angriffe haben zu der weit verbreiteten Ernährungsunsicherheit und der humanitären Notsituation im Jemen beigetragen.

Ende 2022 hatten 17,8 Millionen Menschen im Jemen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, sanitären Einrichtungen und Hygienediensten, 17 Millionen Menschen waren von Ernährungsunsicherheit betroffen, 6,1 Millionen von ihnen so stark, dass das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen von einer „Notlage“ sprach. Dennoch hat die jemenitische Regierung wenig getan, um die weit verbreitete Hungersnot zu lindern. Stattdessen haben die Behörden den Zugang von Millionen von Zivilist*innen zu dringend benötigter Hilfe durch bürokratische Auflagen erschwert, so Human Rights Watch.

Vor allem Menschen mit Behinderungen haben es schwer, ihr Recht auf Gesundheit und einen angemessenen Lebensstandard zu verwirklichen. 2020 stellte die Nichtregierungsorganisation Humanity and Inclusion in einer von ihr durchgeführten Studie fest, dass 86 Prozent der Menschen mit Behinderungen aufgrund von physischen Barrieren, mangelnder Sicherheit sowie wirtschaftlicher und sozialer Diskriminierung einen erschwerten Zugang zu solchen Dienstleistungen hatten.

Die jemenitische Regierung hat es zudem versäumt, die Rechte von Kindern zu schützen, insbesondere ihr Recht auf Gesundheit und Bildung. Im Mai 2021 stellte Human Rights Watch fest, dass die körperliche Züchtigung von Kindern in der Schule nach jemenitischem Recht erlaubt ist. Artikel 146 des Gesetzes über die Rechte der Kinder aus dem Jahr 2002 gewährt „Eltern das Recht, ihre Kinder zu disziplinieren“ und lässt ihnen somit freie Hand, ihre Kinder zuhause unter Gewaltanwendung zu bestrafen. Die Regierung sollte den Aufforderungen des UN-Ausschusses und anderer UN-Organisationen Folge leisten und die körperliche Züchtigung von Kindern in allen Bereichen ausdrücklich und wirksam gesetzlich verbieten.

Der Krieg hatte ebenfalls verheerende Auswirkungen auf Kinder. Bis April 2022 wurden in den acht Jahren der Kämpfe 10.200 Kinder verstümmelt. Laut UN haben die Konfliktparteien fast 3.500 Kinder als Soldat*innen rekrutiert. Darüber hinaus sind Kinder einem erhöhten Risiko ausgesetzt, dass ihre psychische Gesundheit Schaden nimmt. In einem Bericht von Save the Children aus dem Jahr 2020 wurde festgestellt, dass mehr als die Hälfte der befragten Kinder im Jemen über Gefühle von Traurigkeit und Depression berichtete, wobei „jedes zehnte Kind angab, sich ständig so zu fühlen“.

„Die jemenitische Regierung schützt die grundlegenden Menschenrechte ihrer Bevölkerung nicht“, erklärte Jafarnia. „Sie kann Millionen von Menschenleben retten, darunter auch das Leben von Kindern, indem sie Maßnahmen ergreift, die humanitäre Hilfe ermöglichen und den Zugang zu Wasser, Lebensmitteln und medizinischer Versorgung sicherstellen.“

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