Trotz erfreulicher Bilder von syrischen Geflüchteten, die nach Hause zurückkehren, sollte keine Regierung Menschen unfreiwillig dorthin zurückschicken oder dies planen. Alle Staatsbürger*innen haben das Recht, in ihr Heimatland zurückzukehren, ob sicher oder nicht. Aber die Entscheidung einer geflüchteten Person, in ihr Land zurückzukehren, ist keine Rechtfertigung dafür, eine andere Person, die Angst hat, wie es bei vielen syrischen Geflüchteten der Fall ist, unter Zwang zurückzuschicken. Dies gilt insbesondere angesichts der instabilen und möglicherweise gefährlichen Bedingungen vor Ort.
Nach dem Sturz der Regierung von Bashar al-Assad in Syrien am Wochenende haben einige europäische Regierungen damit begonnen, die Aussetzung individueller Asylverfahren für Syrer*innen anzukündigen. Dieser Ansatz birgt erhebliche Risiken, vor allem angesichts der Tatsache, dass einige europäische Staaten darauf erpicht sind, Syrien zum sicheren Herkunftsland zu erklären und mit der Rückführung zu beginnen.
Die Flüchtlingskonvention von 1951 enthält eine „Beendigungsklausel“, die besagt, dass eine Person keinen internationalen Schutz mehr benötigt, wenn die Umstände, die sie zu einem Geflüchteten gemacht haben, „nicht mehr existieren“. Dieser Ausdruck deutet auf ein hohes Maß an Sicherheit hinsichtlich der Dauerhaftigkeit und des Ausmaßes der Veränderung hin. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) erklärt, dass die veränderten Umstände sowohl grundsätzlich als auch dauerhaft sein müssen.
Selbst wenn es derzeit so aussieht, als hätte sich die Staatsführung Syriens grundlegend geändert, bleibt die Frage nach der Dauerhaftigkeit bestehen. Die Geschwindigkeit des Wandels in Syrien ist an sich schon unbeständig. Die Lage vor Ort ist fragil und unvorhersehbar, sodass die Möglichkeit, dass erneut Geflüchtete vor Verfolgung fliehen müssen, nicht von der Hand zu weisen ist. Unterdessen ist die Lage in einigen Teilen des Landes alles andere als sicher. Im Norden und Nordosten des Landes finden weiterhin heftige Kämpfe statt, und seit Ende November wurden schätzungsweise 125.000 Menschen, hauptsächlich Kurd*innen, vertrieben.
Wie das UNHCR festgestellt hat, ist es von entscheidender Bedeutung, dass Syrer*innen in Europa weiterhin Zugang zu Asyl haben. Syrer*innen sollten erst dann in ihre Heimat zurückkehren, wenn ihre Anträge in vollständigen und fairen Verfahren unter gebührender Berücksichtigung vergangener Traumata und zukünftiger Ängste individuell geprüft wurden.
Ebenso haben Syriens Nachbarn, die Türkei, der Libanon und Jordanien, trotz ihres Widerwillens, weiterhin viele Geflüchtete aufzunehmen, über viele Jahre hinweg die größte Anzahl an Schutzsuchenden aus Syrien vorübergehend aufgenommen. Auch wenn sich diese Länder angesichts der Ereignisse in Syrien vielleicht wünschen, die Dinge zu beschleunigen, sollten sie diesen vorübergehenden Schutz aufrechterhalten, bis klar ist, dass die veränderte Lage in Syrien mehr als nur vorübergehend ist und eine gewisse Stabilität gewährleistet.
Geberländer sollten in ihrer Unterstützung für diese Erstaufnahmeländer nicht nachlassen, auch wenn sie beginnen, sich auf die Unterstützung beim Wiederaufbau des vom Krieg zerrütteten Syriens zu konzentrieren, um dort grundlegenden und dauerhaften Wandel zu bewirken.