David ist 16 Jahre alt und gehört zu einer Gruppe von 15 Kindern und Jugendlichen, die im vergangenen Jahr eine UN-Beschwerde gegen Deutschland und vier andere Länder wegen ihrer unzureichenden Maßnahmen zur Bekämpfung der globalen Klimakrise eingereicht haben. David kommt von den Marshall-Inseln, die vom Klimawandel besonders hart betroffen sind.
Außergewöhnlich hohe Fluten - so genannte „Königsfluten“ - verursachen dort regelmäßig Überschwemmungen und haben die Schiffsanlegestelle und das Restaurant von Davids Familie verwüstet. Die Familie hat bereits überlegt, das Land wegen des ansteigenden Meeresspiegels und der immer häufiger auftretenden Krankheiten, die durch Stechmücken übertragen werden, zu verlassen. David selbst wurde auch krank, aber er will sein geliebtes Heimatland nicht verlassen.
Regierungen haben die Pflicht, dem Klimawandel und den dadurch verursachten Menschenrechtsverletzungen entgegenzuwirken, etwa durch die Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Der Vorwurf der Kinder: Deutschland ebenso wie Argentinien, Brasilien, Frankreich und die Türkei haben die Klimakrise wissentlich verschärft und damit gegen das internationale Übereinkommen über die Rechte des Kindes verstoßen.
Deutschland, Frankreich und Brasilien bestreiten, dass die Beschwerde in die Zuständigkeit des Kinderrechtsabkommens fällt und dass daher überhaupt über sie entschieden werden sollte. Daraufhin haben die 15 Kinder und Jugendlichen, die von sechs Kontinenten stammen, diesen Monat ein zweites juristisches Schreiben eingereicht. Darin argumentieren sie, dass der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes, der die Einhaltung des Abkommens überwachen soll, sehr wohl für ihre Beschwerde zuständig sei. Die bekannteste Beschwerdeführerin ist Greta Thunberg, die durch einen Schulstreik im August 2018 die Jugendklimabewegung mit ins Leben gerufen hat.
In dem Schreiben reagieren die Jugendlichen auf das Argument Deutschlands, dass sich seine Klimaschutzverpflichtungen nicht auf die 14 außerhalb Deutschlands lebenden Kinder erstrecke, da die Emissionen aus einem Land keine absehbaren Auswirkungen auf die Verwirklichung der Rechte in anderen Ländern hätten. Außerdem, so Deutschland, gehe es in der Beschwerde eher um „abstrakte“ Defizite der Klimapolitik als um Rechte, die Bestandteil des Kinderrechtsabkommens sind.
Diese Argumente werden zu einem Zeitpunkt vorgebracht, in dem die deutsche Politik über die Dringlichkeit der Klimakrise während der Covid-19-Pandemie debattiert. Während die einen sagen, dass die deutschen Emissionsreduktionsziele zurückgeschraubt werden sollten, meinen andere, dass die globale Gesundheitskrise ein Grund mehr dafür sei, an den ursprünglichen Plänen festzuhalten oder sie noch ehrgeiziger zu gestalten. Tatsächlich zeigen Forschungsergebnisse, dass Luftverschmutzung - zum Teil durch Treibhausgasemissionen verursacht - Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zur Folge hat, die die Gesundheitsrisiken für Covid-19 infizierte Menschen erhöhen.
In ihrer ursprünglichen Beschwerde an den UN-Ausschuss warfen die jungen Aktivisten den fünf Ländern vor, sie hätten die vorhersehbaren Auswirkungen des Klimawandels auf Kinderrechte nicht verhindert. Diese fünf Länder sind die Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen unter den 44 Ländern, die zum Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde akzeptiert hatten, dass der UN-Ausschusses für individuelle Beschwerde zuständig ist. Keines dieser Länder kommt seinen Umweltverpflichtungen nach, die CO²-Emissionen so weit zu reduzieren, dass der globale Temperaturanstieg unter 1,5°C gehalten werden kann.
Unsere eigenen Recherchen haben bestätigt, dass die Rechte von Kindern infolge des Klimawandels gefährdet sind. Im Turkana County im Nordwesten Kenias haben wir gezeigt, dass der Klimawandel den ohnehin schon eingeschränkten Zugang zu Nahrung und sauberem Wasser für indigene Gemeinschaften noch verschlechtert. Überschwemmungen, Wirbelstürme und Flusserosion tretenklimabedingt häufiger auf. Unsere Recherchen in Bangladesch haben ergeben, dass einige Familien früher Ehen für ihre minderjährigen Töchter arrangierten, wenn sie zuvor durch solche Katastrophen ihre Häuser oder Land verloren hatten. In Mosambik brauchten etwa 1 Million Kinder humanitäre Hilfe, nachdem der Zyklon Idai im März 2019 gewütet hatte.
Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes selbst hat die schädlichen Auswirkungen der Klimakrise auf die Kinderrechte anerkannt, unter anderem in seiner Sondersitzung über Kinderrechte und Klimawandel in der Pazifikregion im März 2020.
Die Kinder und Jugendlichen fordern nun den Ausschuss auf, den fünf Regierungen zu empfehlen, ihre Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen zu beschleunigen und andere betroffene Länder dabei zu unterstützen, weiteren Schaden für Kinder und zukünftige Generationen abzuwenden.
In den kommenden Wochen wird der Ausschuss über die Zulässigkeit der Beschwerde entscheiden. Es bleibt zu hoffen, dass der Ausschuss die Beschwerde zulassen und in der Sache selbst prüfen wird. Die jungen Umweltaktivisten verdienen es, gehört zu werden - und Antworten zu bekommen.