(Beirut) – Katar kündigte im Jahr 2017 eine Reihe von Reformen an. Falls sie umgesetzt werden, wäre dies im Vergleich zu anderen Ländern der Golf-Region ein großer Fortschritt für die Menschenrechte in dem Land, so Human Rights Watch im heute veröffentlichten World Report 2018.
Die Reformen umfassen Gesetze, die die Arbeitsbedingungen von Arbeitsmiganten dramatisch verbessern sollen, darunter ein Gesetz über Hausangestellte. Außerdem soll Kindern von katarischen Müttern und ausländischen Vätern sowie einigen im Land lebenden Ausländern ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zugesprochen werden.
„Katar hätte angesichts der politischen Krise in Autoritarismus zurückfallen können. Stattdessen begegnete die Regierung den massiven Probleme in den Beziehungen zu ihren Nachbarstaaten, indem sie die Messlatte für Menschenrechtsstandards in der Golf-Region höher legte“, so Belkis Wille, Katar-Expertin bei Human Rights Watch. „Im Jahr 2018 wird sich der Erfolg der Regierung daran bemessen, ob sie ihr Versprechen in die Tat umsetzt, die Rechte von katarischen Frauen, Millionen Arbeitsmigranten und Flüchtlingen im Land zu respektieren.“
„In dem 643-seitigen World Report, der in diesem Jahr zum 28. Mal erscheint, fasst Human Rights Watch die wichtigsten Entwicklungen beim Menschenrechtsschutz in mehr als 90 Ländern weltweit zusammen. In seiner Einleitung schreibt Executive Director Kenneth Roth, dass Politiker, die sich für die Menschenrechte einsetzten, gezeigt haben, dass autoritäre Populisten in die Schranken gewiesen werden können. War dies verbunden mit einer mobilisierten Öffentlichkeit und wirksamem Handeln multilateraler Akteure, bewies dieser Einsatz, dass der Aufstieg rechtsextremer Regierungen nicht unausweichlich ist.“
Am 5. Juni froren Saudi-Arabien, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate ihre diplomatischen Beziehungen zu Katar ein, indem sie auf politische Missstände und Forderungen hinwiesen. Eine Reihe von Menschenrechtsverletzungen gegen Menschen in Katar hatten die Krise beschleunigt, durch welche die Meinungsfreiheit eingeschränkt wurde, Familienmitglieder voneinander getrennt wurden sowie der Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung ausgesetzt wurde.
Am 3. August beschloss das katarische Kabinett, den Rechtsstatus von Ausländern in Katar zu schützen. Es bestätigte einen Gesetzesentwurf, nach dem Kinder katarischer Frauen, die mit Männern ohne katarische Staatsangehörigkeit verheiratet sind, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erhalten sollen. Gleiches galt für Ausländer, die „Katar einen außerordentlichen Dienst erweisen“. Zwar spricht das Gesetz Frauen nicht das gleiche Rechte zu wie katarischen Männern, ihre Staatsangehörigkeit an ihre Kinder weiterzugeben. Allerdings kann es Kindern von katarischen Frauen auch dann zu einem sicheren Aufenthaltsstatus verhelfen, wenn sie keinen gültigen Pass aus einem anderen Land haben. Von dem Gesetz profitieren würden auch Staatsbürger Ägyptens, Bahrains, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate , die bislang keinen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel haben, aber aus familiären oder beruflichen Gründen oder aus Angst vor Verfolgung in ihrem Heimatland in Katar leben.
Das wichtigste Reformversprechen der Regierung ist der Schutz der knapp 2 Millionen Arbeitsmigranten, die 95 Prozent der im Land beschäftigen Personen ausmachen, aber keine Gewerkschaften gründen oder sich anderweitig vereinigen dürfen. Die Regierung verabschiedete ein Gesetz zum Schutz von Arbeitsmigranten, die als Hausangestellte arbeiten, und sagte zu, das Bürgschaftssystem für ausländische Beschäftigte abzuschaffen und einen Mindestlohn einzuführen.
Am 22. August ratifizierte der Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, Gesetz Nr. 15 über Dienstleister im Haushalt. Es verbrieft erstmals die Arbeitnehmerrechte der 173.742 Hausangestellten in Katar. Das Gesetz schreibt fest, dass Hausangestellte höchstens zehn Stunden am Tag arbeiten dürfen, wöchentlich einen Tag frei haben, jährlich Anspruch auf drei Wochen Urlaub haben, eine Abfindung sowie Gesundheitsvorsorgeleistungen erhalten. Allerdings sind die Schutzbestimmungen des neuen Gesetzes noch immer schwächer als die des allgemeinen katarischen Arbeitsrechts und entsprechen nicht vollständig der Konvention über Hausangestellte der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), einem internationalen Vertrag über die Rechte von Hausangestellten.
Am 26. Oktober sagte Katar umfassende Reformen des Kafala-Bürgschaftssystems zu, das das Aufenthaltsrecht und die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer an einzelne Bürgen bindet. Stattdessen soll ein System staatlich geförderter Beschäftigung geschaffen werden. Zudem versprach die Regierung, einen nichtdiskriminierenden Mindestlohn einzuführen, die Lohnzahlungen zu verbessern, Ausweisdokumente nicht mehr einzuziehen, Inspektionen von Arbeitsplätzen zu intensivieren, die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu verbessern, auch mit Schutzmaßnahmen vor übermäßiger Hitze, und die Verfahren zur Arbeitskräfteanwerbung zu verbessern.
Zudem entsperrte die Regierung die Website von Doha News, der einzigen unabhängigen Nachrichtenseite des Landes, die die beiden Internetanbieter in Katar, Vodafone und Ooredoo, seit dem 30. November 2016 auf Anordnung der Behörden blockieren mussten.
Katar behielt Gesetze bei, die gleichgeschlechtliche und außereheliche sexuelle Beziehungen kriminalisieren. Die Regierung soll diese Gesetze abschaffen, die in das Recht auf Privatsphäre sowohl von katarischen Staatsbürgern, als auch von ausländischen Anwohnern eingreifen.