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Pastoralist woman forced off her community's land from increasing competition over grazing areas and cattle, in Lowarengak, Turkana County. © 2014 Brent Stirton/Reportage by Getty Images for Human Rights Watch

(Nairobi, 15. Oktober 2015) – Klimawandel und regionale Entwicklungsprojekte bedrohen die Gesundheit und die Existenzgrundlage Indigener in der Turkana-Region im Nordwesten Kenias, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Der Bericht und ein Video wurden Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen in Nairobi vorgestellt, im Vorfeld der Klima-Verhandlungen in Bonn vom 19. bis zum 23. Oktober 2015.

Der 96-seitige Bericht „There Is No Time Left: Climate Change, Environmental Threats, and Human Rights in Turkana County, Kenya“ verdeutlicht, dass es der kenianischen Regierung zunehmend Schwierigkeiten bereitet, in der Turkana-Region den Zugang zu Wasser, Nahrung, Gesundheit und Sicherheit zu gewährleisten. Die Region ist ein Beispiel dafür, dass der Klimawandel, insbesondere steigende Temperaturen und sich verändernde Niederschlagsmuster, verletzliche Gruppen unverhältnismäßig stark trifft, vor allem in Ländern mit begrenzten Ressourcen und einem fragilen Ökosystem.

„Klimawandel, großangelegte Entwicklungsprojekte und Bevölkerungswachstum zusammen bedrohen die Menschen in der Turkana-Region ganz akut“, sagt Joseph Amon, Leiter der Abteilung Gesundheit und Menschenrechte von Human Rights Watch. „Der Turkana-See droht zu verschwinden, und mit ihm die Gesundheit und die Existenzgrundlage indigener Gruppen dieser Region.“

Klimawandel, großangelegte Entwicklungsprojekte und Bevölkerungswachstum zusammen bedrohen die Menschen in der Turkana-Region ganz akut. Der Turkana-See droht zu verschwinden, und mit ihm die Gesundheit und die Existenzgrundlage indigener Gruppen dieser Region.
Joseph Amon

Leiter der Abteilung Gesundheit und Menschenrechte

Der Distrikt Turkana liegt im Nordwesten Kenias nahe der Grenze zu Äthiopien. Von der Wetterstation in der Hauptstadt gesammelte Daten zeigen, dass die durchschnittlichen Maximal- und Minimaltemperaturen in Turkana vom Jahr 1967 bis zum Jahr 2012 um 2 bis 3°C angestiegen sind. Auch die Niederschlagsmuster haben sich augenscheinlich verändert. Die lange Regenzeit wird zunehmend kürzer und trockener, die kurze Regenzeit länger und nasser. Es ist zu erwarten, dass sich Unsicherheit und Konflikte in der Region mit dem Rückgang der Weideflächen weiter verschärfen werden.

Zugleich besteht die Gefahr, dass die Wasserkraftwerke und die bewässerten Zuckerplantagen am Unterlauf des Omo-Flusses den Wasserstand des Turkana-Sees erheblich reduzieren könnten. Dieser ist der weltweit größte Wüstensee und die Lebensgrundlage der 300.000 Bewohner der Turkana-Region. Einige Experten prognostizieren, dass der See auf zwei kleine Teiche schrumpfen wird, was auch auf die Fischpopulation verheerende Auswirkungen hätte.

Der Distrikt Turkana, in dem etwa 1,2 Millionen Menschen leben, ist eine der ärmsten Regionen Kenias. Die meisten Einwohner leben von ihren Kuh- und Ziegenherden oder davon, dass sie im Turkana-See fischen. Die semiaride Region ist seit Generationen von regelmäßig wiederkehrenden Dürreperioden betroffen.

In Turkana lebende Menschen berichten, dass es für sie immer schwieriger wird, Wasser zu finden. Viele Quellen sind vertrocknet, so dass die Suche nach Wasser zu einem täglichen Überlebenskampf wird. Frauen und Mädchen müssen oft weite Strecken laufen, um in trockenen Flussbetten nach Wasser zu graben. Eltern erzählen, dass ihre Kinder krank werden, weil sie nicht genügend Nahrung und sauberes, trinkbares Wasser haben.

„Wie soll ich überleben, wenn meine Tiere gestorben sind und der See verschwindet?“, fragt ein älterer Mann, der von seinen Rindern lebt. „Wie soll ich überleben, wenn die Dürre mein bisheriges Leben unmöglich macht und mich ins Grab bringt?“

Auf den Klimawandel zu reagieren und Gemeinschaften dabei zu unterstützen, sich an seine Folgen anzupassen, soll dringend eine lokale, nationale und internationale Priorität werden.

Bei den anstehenden Klima-Verhandlungen in Bonn wird auch darüber diskutiert werden, wie die Menschenrechte in eine internationale Vereinbarung zum Klimawandel integriert werden sollen. Darüber hinaus werden Regierungsvertreter über Vereinbarungen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen diskutieren, um zukünftige, globale Temperaturanstiege zu begrenzen.

Bei diesen Gesprächen geht es auch um die Rolle wohlhabender Länder, die für den größten Teil der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind und ärmere Länder dabei unterstützen sollen, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Das Treffen in Bonn ist die letzte Verhandlungssitzung vor der UN-Klimakonferenz, die Ende des Jahres in Paris stattfindet und bei der ein neues, internationales Klimaabkommen vereinbart werden soll.

Der Distrikt Turkana und die kenianische Regierung haben die Bedeutung des Klimawandels erkannt und arbeiten konstruktiv daran, eine nationale Richtlinie zum Umgang mit seinen Folgen und denen von Entwicklungsprojekten zu entwickeln. Allerdings wurde dieser Prozess, auch die Verabschiedung eines Klimawandel-Gesetzes, bereits mehrfach verzögert. Die Bemühungen, die Auswirkungen des Klimawandels zu mildern, sollen verstärkt werden und sich besonders auf die Rechte verletzlicher Gruppen konzentrieren.

„Die kenianische Regierung soll Richtlinien gegen den Klimawandel entwickeln, die die Rechte aller ihrer Bürger schützen, auch die marginalisierter Gruppen“, so Amon. „Der Überlebenskampf der Menschen in Turkana soll alle Regierungen daran erinnern, dass die Menschenrechte ein zentraler Bestandteil des Klimaabkommens von Paris sein müssen.“

 

Ausgewählte Aussagen von Menschen aus der Turkana-Region:

„Die Hungersnot hat Menschen vertrieben. Die Hirtenjungen, die sich um das Vieh gekümmert haben, haben alles verloren, nun haben sie nichts mehr zu tun. Wir haben keine andere Wahl, als unsere Hände zu heben und um Hilfe zu bitten. Wohin sollen wir nun gehen? Uns erwartet nur der Tod.“
-- O.L., ein 46-jähriger Viehhirte. 

„Während dieser Dürreperiode gehe ich oft [zum Fluss], nicht nur einmal am Tag, sondern morgens und dann noch einmal spät abends, und am nächsten Tag genauso. Das ganze Dorf ist völlig von diesem Fluss abhängig, sowohl die Menschen als auch das Vieh. Vor einigen Jahren, als es noch genug regnete, hielt sich das [Regen-]Wasser vier Monate lang [im nahe gelegenen Fluss]. Aber die Dinge haben sich geändert, die Quellen vertrocknen sehr schnell.“
-- P.O., eine im neunten Monat schwangere Frau, die jeden Tag 18 Kilometer läuft, um Wasser zu holen.

„Unter der Dürre haben in den letzten Jahren Menschen und Tiere gelitten. Noch eins meiner Kinder wurde in der letzten Dürreperiode krank und starb an Hunger und Krankheit. Wir hungern während der Dürre, und wenn die Regierung kommt, dann hilft sie nur ein paar Leuten.“
-- B.C., eine 28-jährige Frau, die in der Nähe von Todonyang im Distrikt Turkana lebt.

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