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Äthiopien: Unternehmen haben Verschmutzung durch Goldmine lange ignoriert

Wirksame Abhilfe für die geschädigten Bewohner*innen von Oromia erforderlich

Ein 16-jähriger Junge sammelt Wasser aus einer Quelle in der Nähe der Goldmine Lega Dembi in der Region Oromia in Äthiopien.  © 2020 Tom Gardner
  • Der Betreiber einer äthiopischen Goldmine und die Raffinerie, die dieses Gold bezog, haben jahrelang nicht auf Bedenken wegen Umweltverschmutzung durch die Mine reagiert.
  • Die Mine wurde wieder in Betrieb genommen, obwohl die Regierung den Betrieb nach Protesten untersagt hatte. Untersuchungen zufolge waren Anwohner*innen giftigen Schwermetallen ausgesetzt.
  • Die Regierung sollte den Minenbetrieb einstellen. Die beteiligten Unternehmen sollten die betroffenen Anwohner*innen entschädigen und medizinisch versorgen und die Umweltschäden beseitigen.

(Nairobi) – Das Unternehmen Midroc Investment Group, das eine Goldmine in Äthiopien betreibt, und die Schweizer Raffinerie Argor-Heraeus, die das Gold von Midroc bezog, haben jahrelang nicht auf Medienberichte über Umweltschäden durch die Mine reagiert, so Human Rights Watch heute. Eine auf Ersuchen der äthiopischen Regierung durchgeführte Untersuchung ergab, dass die Anwohner*innen der Mine schwere gesundheitliche Schäden erlitten hatten. Obgleich die Regierung angekündigt hatte, die Lizenz zum Betrieb der Mine solange auszusetzen, bis die Umweltprobleme behoben sind, nahm die Midroc Investment Group den Betrieb wieder auf – offenbar mit einer Lizenz der Regierung, allerdings ohne erkennbare Maßnahmen zur Verringerung der Umweltverschmutzung.

Die äthiopische Regierung hatte die Lizenz für die Goldmine Lega Dembi im Mai 2018 nach Protesten gegen die Umweltverschmutzung und die damit verbundenen Gesundheitsschäden ausgesetzt. Wissenschaftlichen Studien zufolge, die 2018 veröffentlicht wurden, waren Anwohner*innen giftigen Schwermetallen ausgesetzt. Damit hat der Betreiber der Mine ihr Recht auf Gesundheit und eine sichere, saubere und gesunde Umwelt verletzt. Die Regierung erklärte damals, sie werde dem Unternehmen den Betrieb der Mine solange untersagen, bis die Probleme „gelöst“ seien und der Giftmüll „keine Gefahr mehr darstellt“. Nachforschungen von Human Rights Watch ergaben jedoch, dass Midroc die Mine im März 2021 wieder in Betrieb nahm, ohne erkennbare Schritte zur Verringerung der Umweltverschmutzung eingeleitet zu haben.

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Satellitenbilder von Lega Dembi in der äthiopischen Region Oromia, die sichtbare Anzeichen von Aktivitäten in und um die Mine zwischen dem 6. März 2021 und dem 26. Januar 2023 zeigen. Bild © 2023 Planet Labs PBC

„Indem die äthiopische Regierung die Wiederinbetriebnahme der Lega Dembi Mine ohne Maßnahmen zur Verringerung der Umweltverschmutzung zugelassen hat, verletzt sie das Recht auf Gesundheit von Kindern und Erwachsenen, die in der Nähe leben“, sagte Juliane Kippenberg, stellvertretende Direktorin für die Abteilung Kinderrechte bei Human Rights Watch. „Die Regierung sollte den Betrieb aussetzen, bis Maßnahmen ergriffen wurden, die sicherstellen, dass die schädlichen Chemikalien im Wasser und im Boden die internationalen Standards nicht überschreiten und dass die von der Verschmutzung betroffenen Menschen entschädigt und medizinisch versorgt werden.“

Die Anwohner*innen der Mine, die sich in der Nähe der Stadt Shakiso in der Guji-Zone in der Region Oromia befindet, klagen seit Jahren über Krankheiten und Behinderungen, insbesondere bei Neugeborenen.

Die äthiopische Regierung sollte den Betrieb der Lega Dembi-Mine unverzüglich einstellen, bis wirksame Maßnahmen zur Verringerung der Umweltverschmutzung ergriffen wurden. Die Midroc Investment Group und Argor-Heraeus, die Schweizer Goldraffinerie, die von Midroc bis 2018 beliefert wurde, sollten die betroffenen Anwohner*innen entschädigen, medizinisch versorgen und die verheerenden Umweltschäden in der Region beseitigen.

Human Rights Watch befragte 26 Personen, die in der Nähe der Mine leben, ehemalige Midroc-Mitarbeiter*innen sowie ehemalige lokale und regionale Regierungsvertreter*innen und Umwelt- und Gesundheitsexpert*innen. Zudem hat Human Rights Watch zahlreiche Umwelt- und Gesundheitsstudien und andere Dokumente im Zusammenhang mit der Mine geprüft.

Umweltstudien der Universität Addis Abeba aus dem Jahr 2018 ergaben eine hohe Arsenbelastung von Wasserproben, die flussabwärts des Minengeländes entnommen wurden, sowie eine hohe Nickel-, Chrom- und Arsenbelastung des Bodens außerhalb der Mine.

Eine Studie des äthiopischen Instituts für öffentliche Gesundheit aus dem Jahr 2018, die im Auftrag der äthiopischen Regierung durchgeführt und Human Rights Watch zur Verfügung gestellt wurde, ergab, dass die Anwohner*innen schwerwiegende Gesundheitsschäden erlitten haben. Die Studie kam zu dem Schluss, dass „die Gemeinschaften, die in der Nähe des Bergbaugebiets Lega Dembi leben, Gesundheitsrisiken durch schädliche Stoffe wie etwa Schwermetallen ausgesetzt sind. Diese wurden im direkten Minenbetrieb sowie bei anderen minenbezogenen Arbeiten freigesetzt“. Die Ergebnisse der Studie wurden nie veröffentlicht.

Die Midroc Investment Group, eines der größten privaten Unternehmen Äthiopiens, hat die Mine 1997 von der äthiopischen Regierung übernommen. Nach Informationen von Argor-Heraeus scheint Midroc wenig unternommen zu haben, um Beschwerden über Umwelt- und Gesundheitsschäden nachzugehen, so Human Rights Watch. Nachfragen von Human Rights Watch ließ Midroc unbeantwortet.

Argor-Heraeus, eine der größten Goldraffinerien weltweit, sagt, dass die Firma mindestens von 2013 bis März 2018 Gold aus der Lega Dembi-Mine bezog. Allerdings war es das einzige Unternehmen, das Midroc 2007 in einem Jahresbericht als Geschäftspartner auswies. Nach Informationen, die Argor-Heraeus an Human Rights Watch weitergegeben hat, hat die Raffinerie erst im Jahr 2018 Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen in Lega Dembi festgestellt – und das trotz Medienberichten und öffentlichen Protesten über Umwelt- und Gesundheitsschäden in den Jahren 2009–10, 2015–2016 und 2017. Infolgedessen hat Argor-Heraeus es versäumt, seinen Einfluss dafür zu nutzen, Midroc zur Behebung dieser Schäden zu bewegen.

Argor-Heraeus reagierte auf die Recherchen von Human Rights Watch: „Wir waren sehr schockiert über die Berichte, aus denen Human Rights Watch zitiert hat. Wir haben die Geschäftsbeziehung mit Midroc vor fünf Jahren beendet, unmittelbar nachdem wir auf die erheblichen Probleme vor Ort aufmerksam wurden. Leider gibt es nur sehr wenige vereinzelte international zugängliche Medienberichte aus der Region. Die Studien, aus denen Human Rights Watch zitiert, wurden erst nach Bekanntwerden der Situation erstellt.“ Argor-Heraeus beantwortete die Fragen von Human Rights Watch zudem mit zwei Schreiben.

Unternehmen sind nach festgelegten Standards der Vereinten Nationen und der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) dafür verantwortlich sicherzustellen, dass sie keine Rechte verletzen oder zu solchen Verletzungen beitragen. Das heißt, dass Unternehmen die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf Menschenrechte und Umwelt durch Maßnahmen der „Sorgfaltspflicht“ ermitteln, verhindern und abmildern sollten. Wenn Unternehmen Menschenrechtsverletzungen verursachen oder zu ihnen beitragen, sollten sie für Abhilfe sorgen. Das gilt auch dann, wenn sie es versäumt haben, ihren Einfluss auf einen Zulieferer geltend zu machen und diesen dazu zu bewegen, Umweltschäden zu minimieren.

„Der Minenbesitzer Midroc scheint sich trotz jahrelanger öffentlicher Proteste der Anwohner*innen nicht ernsthaft mit den Menschenrechts- und Umweltproblemen in Lega Dembi auseinandergesetzt zu haben“, sagte Felix Horne, leitender Researcher in der Abteilung Umwelt bei Human Rights Watch. „Es ist sehr besorgniserregend, dass die Goldraffinerie Argor-Heraeus jahrelang Gold aus der Mine bezog, ohne öffentlich auf die Menschenrechtsrisiken hinzuweisen.“

© 2023 Human Rights Watch

Als Argor-Heraeus begann, Gold aus der Lega-Dembi-Mine zu beziehen, bescheinigten zwei Branchenverbände eine „verantwortungsvolle“ Beschaffung auf der Grundlage von Audits, die die Einhaltung der Verhaltenskodizes der beiden Branchenverbände bestätigten. Der Responsible Jewellery Council (RJC), dem über 1.600 Unternehmen der Schmucklieferkette angehören, hat Argor-Heraeus 2011, 2014, 2017 und 2020 zertifiziert. Der derzeit geltende RJC-Standard verlangt von seinen Mitgliedern, dass sie in ihrer Lieferkette eine Sorgfaltsprüfung in Bezug auf die Menschenrechte durchführen und „legitime Prozesse vorsehen oder in solchen kooperieren, um die Behebung“ von negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte zu ermöglichen, sollten Mitglieder zu diesen beigetragen haben.

Die London Bullion Market Association (LBMA), der Handelsverband der großen Goldraffinerien, Goldhändler und Banken, hat Argor-Heraeus mindestens seit 2013 im Rahmen seiner Richtlinien für den verantwortungsvollen Goldhandel „Responsible Gold Guidance“ jährlich zertifiziert. Die Richtlinien verlangen, dass die Mitglieder eine Sorgfaltsprüfung im Hinblick auf Menschenrechte durchführen, um Menschenrechtsverletzungen in ihrer Lieferkette zu erkennen, zu verhindern und abzumildern, und dass sie keine Produkte von Lieferanten beziehen, die schwere Menschenrechtsverletzungen begehen.

Argor-Heraeus sagte dazu: „Unsere Prozesse der Sorgfaltspflicht gehören heute zu den strengsten der Welt. Dennoch haben wir diesen Fall zum Anlass genommen, unsere internen Prozesse noch einmal zu überprüfen.“

Midroc sollte mit Unterstützung von Argor-Heraeus umfassende, integrative und transparente Umweltschutzmaßnahmen umsetzen, so Human Rights Watch.

„Zwei branchenspezifische Zertifizierungssysteme haben Argor-Heraeus gute Beschaffungspraktiken bestätigt, obwohl das Unternehmen es versäumt hat, die Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen durch seinen Lieferanten zu erkennen und zu beheben“, sagte Kippenberg. „Die Lega-Dembi-Goldmine ist ein gutes Beispiel dafür, dass eine Zertifizierung durch freiwillige Programme keine Garantie dafür ist, dass Lieferanten Rechte respektieren, und dass damit sogar das Risiko eines ‚Greenwashings‘ verheerender Zustände einhergeht.“

Nach der Veröffentlichung des Berichts schickte die Midroc Investment Group am 6. Mai 2023 ein Schreiben mit neuen Informationen an Human Rights Watch. Demnach habe das Unternehmen Verbesserungen an seinem Absetzsystem vorgenommen, Zäune und ein Warnsystem installiert, um den Zugang zu den Absetzbecken zu verhindern, und weitere Maßnahmen ergriffen hat, um den Zugang zu medizinischer Versorgung, sauberem Wasser und anderen Dienstleistungen zu verbessern. Am 25. Mai bat Human Rights Watch Midroc in einem Schreiben um Details zu diesen Maßnahmen. Am 5. Juni antwortete Midroc mit Einzelheiten zu ihrem Abraummanagementsystem, einschließlich der Schritte, die unternommen wurden, um das Eindringen von Schadstoffen ins Grundwasser zu verhindern, und der Installation eines neuen Abwassersystems. Als Antwort auf unsere Fragen zur Entschädigung machte Midroc auch nähere Angaben zu Projekten zur sogenannten „Wiederherstellung der Lebensgrundlage“. Midroc berichtete, dass 827 Begünstigte eine „Wiederherstellung der Lebensgrundlage und medizinische Erstattung“ erhalten hätten. Dem Schreiben zufolge hat Midroc seit der Wiedereröffnung mehr als 1 Milliarde Birr (18,2 Millionen US-Dollar) für „gesundheitsbezogene und umweltbezogene Maßnahmen sowie für die Entwicklung der Gemeinschaft“ ausgegeben. Midroc lieferte keine neuen Informationen über die Beseitigung früherer Umweltverschmutzungen und reagierte auch nicht auf unsere letzte Anfrage, eine Kopie der Absichtserklärung zu erhalten, in der einige der Initiativen zur Beseitigung früherer Schäden aufgeführt sind, zu denen sich Midroc verpflichtet hat.

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