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Darfur: Rapid Support Forces und verbündete Milizen vergewaltigen Dutzende Frauen und Mädchen

Hilfe für Betroffene und unabhängige Untersuchung

Frauen und ein Mädchen aus El Geneina, West-Darfur, die Vergewaltigung durch die Rapid Support Forces und verbündete Milizen zwischen April und Juni 2023 überlebt haben. © 2023 Belkis Wille/Human Rights Watch
  • Die Rapid Support Forces, eine paramilitärische Gruppe im Sudan, und verbündete Milizen haben in den vergangenen Wochen mehrere Dutzend Frauen und Mädchen vergewaltigt, die sich in der Hauptstadt von West-Darfur aufhielten oder auf der Flucht aus der Region waren.
  • Sexualisierte Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts ist ein Kriegsverbrechen und kann, wenn sie Teil eines weitreichenden oder systematischen Angriffs ist, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen.
  • Der UN-Menschenrechtsrat sollte eine Untersuchung einleiten und einen Weg finden, Beweise für die Menschenrechtsverletzungen zu sichern. Besorgte Regierungen sollten mehr Mittel für Betroffene bereitstellen.

 (Nairobi) - Die Rapid Support Forces (RSF), eine paramilitärische Gruppe im Sudan, und verbündete Milizen haben zwischen Ende April und Ende Juni 2023 mehrere Dutzend Frauen und Mädchen in der Hauptstadt von West-Darfur, El Geneina, und auf der Flucht in den Tschad vergewaltigt, so Human Rights Watch. Die Angreifer hatten es offenbar gezielt auf Frauen und Mädchen des muslimischen Volks der Masalit und in einigen Fällen auch auf bekannte Aktivistinnen abgesehen.

Seit Beginn des bewaffneten Konflikts im Sudan zwischen den sudanesischen Streitkräften und der RSF am 15. April haben die RSF und mit ihr verbündete, überwiegend arabische Milizen wiederholt Städte und Dörfer im Bundesstaat West-Darfur angegriffen. Diese Angriffe richteten sich hauptsächlich gegen Gebiete, in denen Masalit, Angehörige einer der größten nicht-arabischen Gemeinschaften, leben.

Die Angriffe in der Stadt El Geneina begannen am 24. April und dauerten bis Ende Juni an. Sie führten zu zahlreichen zivilen Todesopfern und Verletzten und zwangen über 366.000 Menschen zur Flucht in den nahe gelegenen Tschad. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sollte dringend eine Unterrichtung durch die Sonderbeauftragte für sexualisierte Gewalt in Konflikten ansetzen.

„Die Rapid Support Forces und die verbündeten Milizen sind offenbar für eine überwältigende Anzahl von Vergewaltigungen und anderen Kriegsverbrechen im Rahmen ihres Angriffs auf El Geneina verantwortlich zu sein“, sagte Belkis Wille, stellvertretende Direktorin für Krisen und Konflikte bei Human Rights Watch. „Der UN-Sicherheitsrat sollte den Verantwortlichen zeigen, dass die Welt zuschaut, und dringend Maßnahmen ergreifen, um diesen Gräueltaten ein Ende zu setzen.“

Ende Juli hat Human Rights Watch im Tschad mit neun Frauen und einem 15-jährigen Mädchen aus El Geneina gesprochen, die Opfer von Vergewaltigungen und anderen Formen sexualisierter Gewalt wurden. Vier von ihnen, darunter das Mädchen, wurden von mehreren Männern vergewaltigt. Human Rights Watch sprach zudem mit vier Frauen, die Zeuginnen sexualisierter Gewalt oder der unmittelbaren Folgen waren, sowie mit fünf Menschen, darunter medizinisches Personal, die Opfer sexualisierter Gewalt in El Geneina versorgt und unterstützt hatten. Auf der Grundlage von Berichten der Betroffenen und Augenzeuginnen sowie der Informationen, die sie etwa dem medizinischen Personal mitgeteilt haben, darunter die Angabe der Tatorte, dokumentierte Human Rights Watch 78 Opfer von Vergewaltigungen zwischen dem 24. April und dem 26. Juni.

Betroffene berichteten, dass zwischen einem und sechs bewaffnete Angreifer die sexualisierte Gewalt ausgeübt hatten. Die meisten trugen komplette oder Teile von RSF-Uniformen, andere trugen Zivilkleidung. In vielen Fällen kamen sie in Fahrzeugen mit RSF-Kennzeichnung. Eine Frau erkannte in ihrem Angreifer einen arabischen Einwohner von El Geneina.

In fast allen Fällen, die Human Rights Watch dokumentieren konnte, begingen die Vergewaltiger auch andere schwere Menschenrechtsverletzungen. Sie verprügelten und töteten Menschen und plünderten Häuser, Geschäfte und Regierungsgebäude bzw. brannten diese nieder.

Alle Betroffenen berichteten, dass die Angreifer ausdrücklich ihre ethnische Identität erwähnten und sich abfällig und beleidigend über die Masalit bzw. Nicht-Araber im Allgemeinen äußerten.

Seit 2019 bekämpfen die RSF und verbündete Milizen immer wieder bewaffnete Gruppen der Masalit in West-Darfur. Historische Missstände, die auf ethnischer Zugehörigkeit beruhen, einschließlich des Versäumnisses der sudanesischen Regierung, den Zugang zu und den Besitz von Land zu regeln, haben die Spannungen weiter angeheizt. Die fehlende Rechenschaftspflicht für vergangene Rechtsverletzungen und die Verbreitung von Waffen sowie das Ausbleiben einer Reform des Sicherheitssektors haben das angespannte Klima weiter verschärft. Während der ethnischen Säuberungsaktion des damaligen Präsidenten Omar al-Bashir in Darfur, die 2003 begann, griffen die Regierungstruppen und die so genannten Janjaweed-Milizen, die Vorläufer der Rapid Support Forces, häufig nicht-arabische Gemeinschaften an, darunter auch die Masalit.

Am ersten Tag der Angriffe in El Geneina am 24. April drangen fünf bewaffnete arabische Männer in Zivilkleidung in das Haus einer 20-jährigen Studentin und vier weiterer Frauen im Stadtteil Jabal ein. Sie fragten die Frauen, zu welchem Stamm sie gehörten. „Wir haben gelogen und Bargu gesagt“, sagte sie. „Aber sie sagten: ‚Nein, ihr seid Masalit, ihr seid Nuba [ein Begriff, der im Sudan entweder „Rebellen“ oder „Nicht-Araber“ bezeichnet] ... Einer vergewaltigte mich, während die anderen draußen warteten. Dann kam ein anderer herein und vergewaltigte mich.“

Sie sagte, dass sie noch über zwei Monate später unter den Folgen des Angriffs leide: „Ich weine oft, und wenn ich weine, tut mein Hals weh. Ich kann nicht schlafen, ich fühle mich nicht normal. Wenn ich spazieren gehe, verlaufe ich mich ständig. Ich finde den Weg nicht mehr, wenn ich irgendwo hingehen will.“

In vier Fällen erwähnten die Angreifer ausdrücklich die Menschenrechtsarbeit der jeweiligen Frau und in einem Fall die Arbeit des Ehemannes, was darauf hindeutet, dass es sich um gezielte Angriffe handelte.

Nur eine der befragten Betroffenen wurde nach der Vergewaltigung in El Geneina notversorgt. Auf dem Höhepunkt der Gewalt plünderten und verbrannten die RSF und verbündete Milizen medizinische Einrichtungen und Büros von Nichtregierungsorganisationen, die Betroffenen von sexualisierter Gewalt psychologische Hilfe anboten.

Die Women's Future Organisation aus Darfur berichtete, dass nur 24 der 103 von ihr erfassten Vergewaltigungsopfer medizinisch versorgt wurden. 73 Vorfälle hatten sich in West-Darfur ereignet.

Nach dem humanitären Völkerrecht, dem so genannten Kriegsrecht, ist es den an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien untersagt, Zivilist*innen vorsätzlich zu schaden. Der gemeinsame Artikel 3 der Genfer Konventionen von 1949 und das humanitäre Völkergewohnheitsrecht, die beide für alle Kriegsparteien im Sudan gelten, verbieten Vergewaltigung und andere Formen sexualisierter Gewalt. Vergewaltigung durch Kombattanten kann eine Form der Folter darstellen. Vergewaltigungen und andere Formen sexualisierter Gewalt, die im Rahmen eines bewaffneten Konflikts begangen werden, stellen Kriegsverbrechen dar und können, wenn sie Teil eines weitreichenden oder systematischen Angriffs einer Regierung oder einer bewaffneten Gruppe auf die Zivilbevölkerung sind, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelten. Internationale Standards fordern, dass die Regierung von Beginn der Krisenreaktion an für eine Risikominderung bei geschlechtsspezifischer Gewalt sorgt, einschließlich der klinischen Behandlung nach Vergewaltigungen und anderer umfassender Dienste für Betroffene von Gewalt.

Human Rights Watch schickte am 11. August eine Zusammenfassung der Rechercheergebnisse per E-Mail an General Mohamed Hamdan Dagalo, den Kommandeur der RSF, mit der Bitte um Stellungnahme, erhielt aber bislang keine Antwort.

Nachdem die UN-Sonderbeauftragte für sexualisierte Gewalt in Konflikten, Pramila Patten, am 1. August dazu aufgerufen hatte, sexualisierte Gewalt zu verhindern und zu bekämpfen, erkannte der stellvertretende RSF-Kommandeur, Generalmajor Abdul-Rahim Dagalo, die Schwere der sexualisierten Gewalt im Kontext des bewaffneten Konflikts an. Die RSF gab im Anschluss an das Treffen eine Erklärung ab, in der sie „die uneingeschränkte Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen bei der Untersuchung aller Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen“ zusicherte.

Bei der Tagung des UN-Menschenrechtsrats im September sollten alle Länder die Einrichtung einer internationalen Untersuchung unterstützen, um unabhängig Beweise für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in Darfur und anderswo im Sudan zu untersuchen und zu sichern, die dazu beitragen können, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

„Die internationale Gemeinschaft muss mehr Ressourcen für Betroffene sexueller Gewalt in Darfur bereitstellen“, sagte Wille. „Die Berichte über brutale Vergewaltigungen und die schrecklichen Folgen dieser Verbrechen sollten die Geber dazu bewegen, unmittelbare Hilfe für die Betroffenen ganz oben auf die Agenda zu setzen. Zudem sollen sie Schritte unterstützen, um Straflosigkeit zu bekämpfen.“
 

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