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(Berlin) - Am 22. Juni hat die aserbaidschanische Regierung neun Gefangene freigelassen, die aus politischen Gründen in Haft waren, vier Tage bevor ein Gremium des Europarats einen Bericht über politische Häftlinge in Aserbaidschan diskutieren sollte. Der Europarat soll darauf bestehen, dass die Regierung alle politischen Gefangene freilässt und die Arbeit des Europarats in diesem Bereich nicht mehr behindert, so Human Rights Watch.

Die neun Männer wurden vom Präsidenten begnadigt, nachdem sie mehr als ein Jahr ihre bis zu dreijährigen Gefängnisstrafen abgesessen hatten. Sie wurden verurteilt, weil sie sich im April 2011 in Baku an friedlichen Protesten beteiligt hatten.

„Endlich wurden neun politische Aktivisten freigelassen und können zu ihren Familien zurückkehren“, sagt Giorgi Gogia, Experte für den Süd-Kaukasus von Human Rights Watch. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber die aserbaidschanische Regierung hat noch einen weiten Weg vor sich, bevor das Problem der politischen Gefangenen gelöst ist und sie die Standards des Europarats erreicht.“

Am 26. Juni diskutiert der Ausschuss für Rechtsfragen und Menschenrechte der Parlamentarischen Versammlung des Europarats einen Bericht über politische Gefangene in Aserbaidschan. Der Bericht wurde von Christoph Strässer, Mitglied des Deutschen Bundestages sowie der Parlamentarischen Versammlung, vorbereitet, der seit 2009 Berichterstatter für dieses Thema ist.

Auch ein anderes Gremium der Parlamentarischen Versammlung veröffentlichte kürzlich ein Memorandum über Menschenrechtsprobleme in Aserbaidschan, ohne sich jedoch klar zu zentralen Problemen zu äußern.

Der Europarat hat sich besonders mit politischen Gefangegen in Aserbaidschan beschäftigt, seit das Land im Jahr 2001 der Organisation beigetreten ist. Auch das Mandat der Parlamentarischen Versammlung zeigt, dass sie dieses schwerwiegende Problem anerkennt. Allerdings hat die aserbaidschanische Regierung zu keinem Zeitpunkt mit dem Berichterstatter zusammengearbeitet. Sie verweigerte ihm die Einreise und kritisierte das Mandat, weil es sie in ungerechtfertigter Weise an den Pranger stelle.

„Elf Jahre nach Aserbaidschans Beitritt zum Europarat ist die Bilanz beim Thema politische Gefangene miserabel. Europas wichtigstes Menschenrechtsorgan muss seine Aufmerksamkeit darauf richten“, so Gogia.

In einem Brief von 22. Juni forderten Human Rights Watch und andere Nichtregierungsorganisationen den Ausschuss für Rechtsfragen und Menschenrechte auf, die Arbeit des Berichterstatters zu Aserbaidschan einstimmig zu unterstützen und die aserbaidschanische Regierung ausdrücklich dafür zu verurteilen, dass sie nicht mit ihm zusammenarbeitet.

Da Strässer gezwungen war, den Bericht vorzubereiten, ohne das Land besuchen zu können, beruhen seine Ergebnisse auf ausführlichen Gesprächen mit aserbaidschanischen Anwälten sowie lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen.

„Strässers Bericht hätte zu keinem besseren Zeitpunkt erscheinen können. Der Ausschuss soll ihm all die Aufmerksamkeit widmen, die er verdient“, sagt Gogia. „Solange die Behörden das Strafrecht für politische Vergeltung missbrauchen, muss der Europarat sich auf politische Gefangene konzentrieren.“

In Aserbaidschan sind viele Menschen aus politischen Gründen in Haft. Allein im Juni wurden zwei Journalisten und ein Menschenrechtsaktivist verhaftet. Die Gründe dafür waren augenscheinlich vorgeschoben. Tatsächlich wurden die Betroffenen für ihre Menschenrechtsarbeit bestraft.

Wegen angeblichen Drogenbesitzes wurde Hilal Mammadov am 21. Juni festgenommen. Der Chefredakteur von Tolishi Sado, einer Zeitung der ethnischen Minderheit der Talyschen in Südaserbaidschan, soll drei Monate lang in Untersuchungshaft bleiben.

Am 12. Juni wurde Mehman Huseynov wegen „Rowdytums“ verhaftet. Er ist Blogger und Photograph für das Insitut für die Freiheit und Sicherheit von Journalisten (IRFS), einer bekannten Nichtregierungsorganisation, die die Lage der Medienrechte beobachtet. Er wurde am nächsten Tag unter Auflagen freigelassen und wartet auf seinen Prozess.

Ilham Amiraslanov, ein Aktivist, der sich für die Opfer einer Flut im Jahr 2010 in Ostaserbaidschan einsetzt, wurde am 8. Juni festgenommen. Die Begründung, er besäße Waffen, war frei erfunden. In einem veröffentlichten Brief schreibt Amiraslanov, dass er in Haft von Polizisten geschlagen wurde.

Damit steigt die Zahl der Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Aktivisten hinter Gittern auf zwölf. Sie gehören zu Dutzend anderen Personen, deren Fälle in Strässers Arbeit eingegangen sind.

Die neun am 22. Juni entlassenen Personen sind Arif Hajili, Rufat Hajibeyli, Ulvi Guliyev, Babek Hasanov, Tural Abbasli, Sahib Karimov, Ahad Mammadli, Zulfugar Eyvazli und Mahammad Majidli.

Allerdings hat Aserbaidschan nicht nur zugesagt, das Problem der politischen Gefangenen zu lösen, als es dem Europarat beitrat. Es hat auch andere Beitrittsverpflichtungen nicht erfüllt. In einem weiteren Brief vom 25. Juni fordert Human Rights Watch den Monitoring-Ausschuss der Parlamentarischen Versammlung auf, alle Missstände zu berücksichtigen. Der Ausschuss untersucht, inwieweit Aserbaidschan seinen Verpflichtungen nachkommt.

Etwa soll sich der Ausschuss klar dazu äußern, dass die Regierung Landeigentümer in der Hauptstadt Baku rechtswidrig enteignet und vertreibt.

In einem im Februar 2012 veröffentlichten Bericht dokumentierte Human Rights Watch unrechtmäßige Enteignungen, Zwangsräumungen und die Zerstörung illegaler Häuser in mehreren Bezirken Bakus.

Die Einschätzung des Monitoring-Ausschuss, die im April veröffentlicht wurde, gibt lediglich Informationen aserbaidschanischer Behörden auf der einen und nichtstaatlicher Stellen auf der anderen Seite wieder, ohne Stellung zu beziehen. Der Abschnitt über Eigentumsfragen enthält nicht hinterfragte, unvollständige und faktisch falsche Informationen, mit denen die Regierung ihre Position begründet.

„Es widerspricht der zentralen Bedeutung des Monitoring-Ausschusses, dass er überhaupt nicht beurteilt, inwieweit Aserbaidschan seinen Verpflichtungen gegenüber dem Europarat nachkommt“, so Gogia. „Wenn er glaubwürdig bleiben und die Menschenrechte in Aserbaidschan schützen will, muss er einen klaren Standpunkt und klare Erwartungen formulieren.“

 

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