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Afghanistan: Frauen stehen bei Bonn-Konferenz am Rande

Geber sollen auf vollwertiger Teilnahme von Frauenrechtlerinnen bestehen

(Kabul, 30. Oktober 2011) – Afghanische Frauenrechtlerinnen laufen Gefahr, bei der internationalen Afghanistan-Konferenz am 5. Dezember 2011 in Bonn ins Abseits gestellt zu werden, so Human Rights Watch.

Die Bonner Konferenz wird am 10. Jahrestag der letzten Afghanistan-Konferenz im Jahr 2001 stattfinden, die das Ende der Taliban-Herrschaft und die Bildung einer von Hamid Karzai geführten Übergangsregierung markierte. Die Schwerpunkte der diesjährigen Konferenz liegen auf drei zentralen Themen: die Übergabe der Sicherheitsverantwortung im Zuge des Abzugs der internationalen Truppen im Jahr 2014, mögliche Friedensverhandlungen mit den Taliban und die Beziehung Afghanistan zu anderen Staaten nach 2014. Alle drei Punkte sind von entscheidender Bedeutung für die Frauenrechte.

„Die afghanische Regierung und ihre internationalen Partner behaupten, die Frauenrechte seien auch im Zuge des Rückzugs der internationalen Streitkräfte nicht verhandelbar“, so Brad Adams, Direktor der Asien-Abteilung von Human Rights Watch. „Wenn dies der Fall ist, warum müssen die afghanischen Frauen dann darum kämpfen, am Bonner Konferenztisch einen Platz zu bekommen.“

Zu der Konferenz wurden unter anderem Delegationen der afghanischen und ausländischer Regierungen sowie Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und zivilgesellschaftlichen Gruppen eingeladen. Doch selbst fünf Wochen vor Beginn der Konferenz hat die afghanische Regierung noch nicht bestätigt, ob der Regierungsdelegation auch Frauen angehören werden. Die Organisatoren der Konferenz haben zudem keine gesonderten Redezeiten für Vertreterinnen von Frauenrechtsorganisationen vorgesehen. Die wichtigsten Geberländer der afghanischen Regierung und Moderatoren der Konferenz, darunter Deutschland und die USA, zählen die Frauenrechte offenbar nicht zu den Prioritäten des Treffens.

Frauenrechtlerinnen aus vielen Organisationen und Regionen im ganzen Land, die unter dem Dach des Afghanischen Frauennetzwerks zusammenarbeiten, haben eine gemeinsame Plattform geschaffen, um zu den drei Themenschwerpunkten der Konferenz Stellung zu beziehen. Eine eigens ernannte Delegation soll die gemeinsamen Standpunkte kommunizieren. Ihre Mitglieder wurden jedoch nicht als vollwertiger Teilnehmer nach Bonn eingeladen. Ebenso wenig wurde ihnen die drei Minuten Redezeit zugestanden, die für jede Delegation auf der Konferenz vorgesehen sind.

Die Organisatoren der Konferenz vertreten vielmehr die Ansicht, das Thema Frauenrechte könne von einer separaten zivilgesellschaftlichen Delegation behandelt werden, der drei Minuten Redezeit zugeteilt wurden. Zivilgesellschaftliche Gruppen verteilen ihre Schwerpunkte auf ein breites Themenspektrum, das die Frauenrechte ergänzt und Themen wie „good governance“, freie Meinungsäußerung, Korruptionsbekämpfung und Sicherheit umfasst. Sie befassen sich allerdings nicht gesondert mit den Frauenrechten. Im Gegensatz dazu konzentriert sich die von der Frauenrechtsdelegation geschaffene Plattform darauf, wie die Übergabe der Sicherheitsverantwortung, die Verhandlungen mit den Taliban und die internationalen Partnerschaften die Notwendigkeiten der Frauenrechte berücksichtigen sollen. Neben anderen Zielen will die Frauendelegation dafür sorgen, dass Frauen bei den Verhandlungen mit den Taliban eine maßgebliche Rolle spielen.

„Die Vorstellung, das gesamte Spektrum an Themen, die für die Zukunft Afghanistans wichtig sind, könne in drei Minuten von einer einzigen, alle Seiten vertretenden Delegation abgehandelt werden, ist absurd“, so Adams. „Die Teilnehmer der Bonner Konferenz müssen den afghanischen Frauenrechtsorganisationen und anderen Vertretern der Zivilgesellschaft ein offenes Ohr leihen und ihnen erlauben, mit eigener Stimme zu sprechen.“

Alle Staaten, die eine Teilnahme an der Bonner Konferenz planen, sollen die afghanische Regierung an die Bedeutung der Beteiligung von Frauen an der Konferenz erinnern und deutlich machen, dass ihre Delegierten auch führende Frauenrechtlerinnen anhören wollen. Deutschland soll als Gastland, Truppensteller und Bereitsteller von Entwicklungshilfe seinen Einfluss auf Afghanistan geltend machen, um die afghanische Regierung zu überzeugen, dass die Frauendelegation eine vollwertige Teilnahme inklusive Redezeit erhält.

Human Rights Watch wies darauf hin, dass in Bonn ein breites Spektrum von Frauenrechtsthemen erörtert werden könnte. In Afghanistan begegnen Frauen im öffentlichen Leben Schikanen, Drohungen und mitunter sogar Mordanschlägen von Gruppen, die die Stärkung von Frauenrechten ablehnen. Frauen, die trotz dieser Risiken Führungspositionen annehmen, bezahlen dafür einen hohen persönlichen Preis. Zwangsehen und die Verheiratung Minderjähriger sind an der Tagesordnung. Die Mütter- und Säuglingssterblichkeit und die Analphabetenrate unter Frauen gehören zu den höchsten der Welt. Bei vielen dieser Punkte wurden seit 2001 bereits erhebliche Fortschritte gemacht. Dennoch bleibt die Fortführung dieser positiven Entwicklungen eine Notwendigkeit.

Die afghanische Regierung soll dafür sorgen, dass ihre Delegation weibliche Führungspersönlichkeiten in Afghanistan als Ressource begreift und auf sie zurückgreift. Ein erfolgreiches Beispiel ist die seit 2001 gestiegene Anzahl von Frauen in Führungspositionen in Regierung und Zivilgesellschaft. Dennoch ist es wichtig, dass weibliche Führungskräfte auch tatsächlich an Führungsaufgaben beteiligt werden. Wie der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung von Frauen bemerkt hat, werde die Idee der Demokratie nur dann reelle und dynamische Auswirkungen haben, wenn die politische Entscheidungsfindung von Frauen und Männern getragen und die Interessen beider Geschlechter gleichermaßen berücksichtigt werde.“

Eine Resolution des UN-Sicherheitsrats aus dem Jahr 2000 betont ebenso die Bedeutung der gleichen Beteiligung und vollen Einbindung von Frauen in alle Bemühungen um Frieden und Sicherheit. Dies könne in bedeutendem Maße zur Aufrechterhaltung und Förderung von Frieden und Sicherheit auf internationaler Ebene beitragen.

Die afghanische Regierung sollte öffentlich zusichern, dass der offiziellen afghanischen Delegation auf der Bonner Konferenz mindestens 25 Prozent – vorzugsweise auch mehr – Frauen angehören werden, die Führungspositionen in der afghanischen Regierung und Zivilgesellschaft besetzen.

„Für die afghanische Regierung bietet die Bonner Konferenz eine Chance zur Rückbesinnung auf den Schutz der Frauenrechte“, so Adams. „Die teilnehmenden Regierungen sollen ihre blumigen Versprechen der letzten zehn Jahre nicht vergessen und die Frauenrechte zu einem Gradmesser des Erfolgs in Afghanistan machen. Die Marginalisierung der Frauenrechte auf der Bonner Konferenz wäre ein bedauerlicher Rückschritt.“

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