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Charles Taylor: Der ehemalige liberianische Präsident vor Gericht

Ein Meilenstein in der strafrechtlichen Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen

(Den Haag) - Der am 4. Juni beginnende Prozess gegen den ehemaligen liberianischen Präsidenten Charles Taylor signalisiert eindeutig, dass niemand über dem Recht steht, so Human Rights Watch. Taylor wird wegen Kriegsverbrechen während des elfjährigen brutalen bewaffneten Konflikts in Sierra Leone angeklagt. Sein Prozess vor dem von der UN unterstützen Sondergerichtshof für Sierra Leone ist eine große Chance, um den Opfern der Gewalt Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Taylor, der von 1997 bis 2003 Präsident Liberias war, steht aufgrund von elf Anklagepunkten wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und anderen schwerwiegenden Verstößen gegen internationales Recht während des Konflikts in Sierra Leone vor Gericht. Die vermeintlichen Verbrechen umfassen Mord und die Verstümmelung von Zivilisten, den Einsatz von Frauen und Mädchen als Sexsklaven und die Verschleppung von Erwachsenen und Kindern, die dann Zwangsarbeit leisten mussten oder zu Kämpfern ausgebildet wurden.

Taylor steht unter Anklage wegen seiner vermeintlichen Rolle als Unterstützer der Rebellengruppe RUF (Revolutionary United Front) aus Sierra Leone und seiner engen Verbindung mit einer weiteren Kriegspartei, der AFRC (Armed Forces Revolutionary Council). Außerdem soll Taylor verantwortlich dafür sein, dass liberianische Truppen die Rebellen aus Sierra Leone unterstützt haben. Liberianische Truppen waren unter der Führung Taylors in Menschenrechtsverletzungen in weiteren westafrikanischen Ländern wie Liberia, Guinea und der Elfenbeinküste verwickelt. Diese werden aber in diesem Prozess nicht behandelt.

„Der Prozess eines ehemaligen Präsidenten im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in Westafrika ist ein Bruch mit der Vergangenheit“, sagte Elise Keppler, Beraterin bei Human Rights Watch in der Abteilung Internationale Justiz. „In zu vielen Fällen gab es keine Gerechtigkeit für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Der Prozess von Taylor sendet ein klares Zeichen an vermeintliche Täter.“

Taylor ist das erste afrikanische Staatsoberhaupt, das wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen nach internationalem Recht vor einem internationalisierten Strafgericht angeklagt wird. Der Sondergerichtshof ist ein national-internationaler Gerichtshof, bestehend aus Richtern und Mitarbeitern aus Sierra Leone und dem Ausland.

Aufgrund der Erfahrungen mit dem Prozess gegen den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic weist Human Rights Watch darauf hin, dass Prozesse gegen ehemalige Staatsoberhäupter mit großen Herausforderungen verbunden sind. So muss unter anderem sicher gestellt werden, dass der Prozess vollkommen gerecht ist, was auch die Unschuldsvermutung einschließt. Zudem muss gewährleistet sein, dass heikle und in der Öffentlichkeit stehende Verfahren effektiv ablaufen. Außerdem muss der Blick auf den Nachweis der Befehlskette gerichtet werden und gleichzeitig müssen Beweise über den Tatort geliefert werden.
„Wir haben gesehen, dass Prozesse gegen ehemalige Präsidenten schwierig sind”, sagte Keppler. „Die Richter des Sondergerichtshofs müssen Charles Taylor ein gerechtes Verfahren garantieren und gleichzeitig effizient vorgehen.“

Der Sondergerichtshof hat seinen Sitz in Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone. Das Gericht verlegte den Prozess gegen Taylor jedoch im Juni letzten Jahres nach Den Haag, da es die politische Stabilität in Westafrika gefährdet sah, falls der Prozess in Sierra Leone stattfinden würde. Der Internationale Strafgerichtshof stellte dem Sondergerichtshof für den Prozess seine Einrichtungen zur Verfügung.

Die Verlagerung des Taylor-Prozesses nach Den Haag schafft neue Herausforderungen, da es nun schwierig ist, das Verfahren den von den Verbrechen am meisten betroffenen Personengruppen zugänglich zu machen. Dies ist wichtig, um diese in den Prozess einzubinden, so Human Rights Watch.

„Die Menschen in Westafrika müssen wissen, was in dem Prozess gegen Taylor geschieht”, so Keppler. „Wir begrüßen die Pläne des Sondergerichtshofs, den Prozess durch Radio, Videos und die Beobachtung durch lokale Journalisten und die Zivilgesellschaft zugänglich zu machen.“

Da der Sondergerichtshof vornehmlich durch freiwillige Beiträge von Mitgliedstaaten der UN finanziert wird, unterlag er regelmäßig finanziellen Engpässen und benötigt nach wie vor Finanzierungsmittel für die anfallenden Kosten des Taylor-Prozesses. Es werden zudem Mittel für drei Prozesse von acht weiteren Angeklagten benötigt, die zurzeit in Freetown stattfinden. Andere entscheidende Maßnahmen, wie langfristiger Zeugenschutz, werden weitere Finanzierungsmittel erfordern.

„Der Sondergerichtshof wird weitere finanzielle Mittel benötigen, um seine wichtige Arbeit, die Verbrechen in dem Konflikt in Sierra Leone strafrechtlich zu verfolgen, ausführen zu können“, sagte Keppler. „Die wichtigsten Unterstützer wie die USA, Großbritannien und die Niederlande sollen sicherstellen, dass der Gerichtshof genügend Ressourcen hat.“

Hintergrundinformationen über den Sondergerichtshof und die Anklage und Auslieferung von Charles Taylor

Der Sondergerichtshof für Sierra Leone wurde im Jahr 2002 nach Vereinbarung zwischen der UN und der Regierung von Sierra Leone errichtet. Der Gerichtshof hat das Mandat, „Personen strafrechtlich zu verfolgen, die die größte Verantwortung für schwere Verstöße gegen internationale Menschenrechtsverträge und gegen die Gesetze von Sierra Leone tragen“, die seit 1996 in Sierra Leone begangen wurden. Die Verbrechen beinhalten Tötungen, Verstümmelungen, Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt, sexuelle Sklaverei, die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldaten, Entführungen und den Einsatz von Zwangsarbeit durch bewaffnete Gruppen.

Acht Personen, die mit den drei Kriegsparteien – der RUF (Revolutionary United Front), der AFRC (Armed Forces Revolutionary Council) und der CDF (Civil Defence Forces) - in Verbindung gebracht werden, stehen zurzeit in Freetown vor dem Sondergerichtshof. In den im Juni 2004 und März 2005 begonnenen Prozessen gegen Personen, die mit der CDF und der AFRC in Verbindung stehen, ist die Darlegung der Fälle abgeschlossen. Es wird erwartet, dass die Richter ihre Urteile in den nächsten Monaten sprechen. In dem Verfahren gegen Personen, die mit der RUF in Verbindung stehen, hat die Darlegung des Falles im Mai begonnen.

Der Sondergerichtshof hat die Anklage gegen Taylor im Juni 2003 bekannt gegeben; Taylor flüchtete jedoch ins Exil nach Nigeria. Drei Jahre später, am 29. März 2006, wurde Taylor für den Prozess ausgeliefert. Nachdem der Sondergerichtshof um die Verlegung des Prozesses gebeten hatte, haben die Niederlande zugestimmt, den Prozess in Den Haag abzuhalten. Jedoch wurde die Bedingung gestellt, dass Taylor nach dem Urteilsspruch das Land verlassen müsse. Im Juni 2006 hat Großbritannien angeboten, Gefängnisräume für Taylor zur Verfügung zu stellen, falls er verurteilt würde. Dies ermöglichte die Verlegung und letztendlich auch den Beginn des Prozesses.

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