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North Korean soldiers patrolling on a riverside along fortified fences in the border county of Uiju, North Pyongan province, December 22, 2022. © 2022 Kyodo News/Getty Images
  • Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 hat die nordkoreanische Regierung die Grenze zu China weitgehend abgeriegelt und überzogene, unnötige Quarantänen sowie Einschränkungen der Freizügigkeit und des Handels verhängt. Dies hat die ohnehin schon ernste humanitäre Lage und die Menschenrechtssituation im Land weiter verschlechtert.
  • Die neuen Beschränkungen verschärften die Auswirkungen der bestehenden Sanktionen des UN-Sicherheitsrats, welche die meisten Exporte und einige Importe einschränkten und damit unbeabsichtigt die Lebensgrundlage und die Ernährungssicherheit der nordkoreanischen Bevölkerung beeinträchtigten.
  • Die UN-Mitgliedsstaaten sollten sich dringend mit der Abschottung Nordkoreas und der humanitären Krise im Land befassen und die Behörden ermutigen, menschenrechtsverletzende Maßnahmen zu beenden und humanitäre Hilfe unter angemessener Aufsicht und Überwachung zuzulassen.

(New York, 7. März 2024) - Die nordkoreanische Regierung unter Kim Jong Un hat die nördliche Grenze zu China de facto abgeriegelt und damit die ohnehin schon ernste humanitäre und menschenrechtliche Situation im Land weiter verschlechtert, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.

Der Bericht, „'A Sense of Terror Stronger than a Bullet': The Closing of North Korea 2018-2023“ dokumentiert die überzogenen, exzessiven und unnötigen Maßnahmen der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK oder Nordkorea) während der Covid-19-Pandemie, darunter Quarantänen und neue Beschränkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten und der Freizügigkeit. Diese Regierungsmaßnahmen haben die Ernährungssicherheit und die Verfügbarkeit von Produkten, welche die Menschen in Nordkorea zum Überleben brauchen und die zuvor über formelle oder informelle Handelswege aus China ins Land kamen, stark beeinträchtigt. Die Sanktionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen aus den Jahren 2016 und 2017 schränkten die meisten Exporte und einige Importe ein und schadeten der Wirtschaft des Landes sowie der Fähigkeit der Menschen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und Zugang zu Nahrungsmitteln und lebenswichtigen Gütern zu erhalten.

„Nordkoreas Abriegelung der Grenze seit 2020 und die unbeabsichtigten Auswirkungen der Sanktionen des UN-Sicherheitsrats seit 2017 haben das ohnehin große Leid der nordkoreanischen Bevölkerung Volk noch verschlimmert“, sagte Lina Yoon, leitende Korea-Forscherin bei Human Rights Watch. „Der nordkoreanische Führer Kim Jong Un sollte von seiner Politik abrücken, die Nordkorea quasi zu einem riesigen Gefängnis gemacht hat. Er sollte die Grenzen wieder öffnen, die Reisebeschränkungen innerhalb des Landes lockern und überwachte internationale Nothilfe zulassen.“

Besorgte Regierungen sollten sich dringend mit den Auswirkungen der zunehmenden Isolation Nordkoreas auf die Grundrechte der Bevölkerung im Land befassen. Schon vor der Einführung der neuen Beschränkungen gehörte Nordkorea zu den repressivsten und am stärksten isolierten Ländern der Welt.

Zwischen 2015 bis 2023 sprach Human Rights Watch mit fast 150 Nordkoreaner*innen außerhalb des Landes, darunter 32 nordkoreanische Geflüchtete, welche um die Bedingungen im Land in den letzten Jahren wissen oder diese selbst erlebt haben. Human Rights Watch nutzte auch Satellitenbilder, die Analyse von Video- und Fotomaterial aus öffentlich zugänglichen Quellen, Interviews mit Journalist*innen und Aktivist*innen mit Kontakten innerhalb des Landes und in China, internationale Handelsdaten, Medienberichte und wissenschaftliche Studien.

Die grenzüberschreitenden Aktivitäten gingen bereits Ende 2017 zurück, nachdem China aufgrund von Sanktionen des UN-Sicherheitsrats in den Jahren 2016 und 2017 strenge neue Handels- und Reisekontrollen auf seiner Seite der Grenze eingeführt hatte. Während der Covid-19-Pandemie ging der grenzüberschreitende Reise- und Handelsverkehr weiter zurück.

Nach dem Ausbruch der Pandemie im Jahr 2020 riegelte die nordkoreanische Regierung die Grenzen des Landes ab, indem sie neue und erweiterte Zäune und Wachposten errichtete und die geltenden Vorschriften strikt durchsetzte, darunter der Befehl an die Grenzbeamten, jede Person oder jedes Tier, das sich der Grenze unerlaubt nähert, „bei Sichtkontakt zu erschießen“. Das harte Vorgehen an der Grenze verstärkte die negativen Auswirkungen früherer Sanktionen des UN-Sicherheitsrats.

Die nordkoreanischen Behörden gingen auch gegen Bestechung und verschiedene Formen nicht genehmigter wirtschaftlicher Aktivitäten auf niedriger Ebene vor, die es den Menschen seit den 1990er Jahren ermöglicht hatten, die exzessiven staatlichen Kontrollen zu umgehen. Viele Familien sind auf solche Aktivitäten angewiesen, um Geld oder Lebensmittel zu beschaffen und so zu überleben. Die Regierung verschärfte auch die Beschränkungen für die Kommunikation mit dem Ausland und den Zugang zu Informationen. Gleichzeitig verstärkte sie andere ideologische Kontrollen, um Unruhen zu verhindern.

Die neuen Beschränkungen ermöglichten es der Regierung, ihre Macht zu festigen und die Kontrolle dort wiederherzustellen, wo sie in den letzten 30 Jahren geschwächt worden war: insbesondere an den Grenzen, bei den Marktaktivitäten, beim unerlaubten Reisen und beim Zugang zu Informationen.

Satellitenbilder zeigen deutlich, dass die Sicherheitsmaßnahmen auf der nordkoreanischen Seite der Nordgrenze seit Anfang 2020 verstärkt wurden. Eine eingehende Analyse von sechs ausgewählten Grenzgebieten mit einer Gesamtlänge von 321 Kilometern zeigt, dass die nordkoreanischen Behörden bis 2022 oder 2023 fast alle untersuchten Gebiete eingezäunt haben. Hierbei wurden Zäune von insgesamt knapp 500 Kilometer Länge errichtet.


Die meisten der von Human Rights Watch untersuchten Gebiete werden nun durch eine doppelte Umzäunung, in einigen Fällen sogar durch eine dreifache Umzäunung gesichert. Die Bilder zeigen auch verstärkte Einfachzäune in mehreren Gebieten, neue oder verbesserte Wachpatrouillenwege sowie neue Garnisonen, Wachtürme und Wachposten. In den untersuchten Gebieten stellte Human Rights Watch eine 20-fache Zunahme der Sicherheitsvorkehrungen seit 2019 fest. Insgesamt wurden 6.820 solcher Vorkehrungen in der Nähe von neuen oder verstärkten Zäunen platziert, durchschnittlich eine alle 110 Meter. Die von der Regierung ausgeweitete Sicherung und Überwachung der Nordgrenze hat fast das gesamte nicht genehmigte nationale und internationale Reisen unmöglich gemacht, sei es für informelle kommerzielle Aktivitäten oder zur Flucht aus dem Land.

Schon vor der Covid-19-Pandemie war Nordkorea eines der ärmsten Länder der Welt. Die Regierung hat seit langem damit zu kämpfen, die Lebensmittelsicherheit, eine angemessene Kinderernährung und den Zugang zu Medikamenten zu gewährleisten. Jahrzehntelang hat sie der Entwicklung von Atomwaffen und Raketenprogrammen Vorrang vor grundlegenden sozialen Leistungen eingeräumt und Milliardenbeträge an Einnahmen abgezweigt, die für soziale und öffentliche Dienste und Infrastrukturen hätten ausgegeben werden können, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und wirtschaftliche und soziale Rechte zu fördern.

Der UN-Sicherheitsrat sollte dringend die aktuellen Sanktionen gegen Nordkorea und die Maßnahmen, welche die Staaten zu ihrer Durchsetzung ergreifen, überprüfen, um ihre Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Bereitstellung humanitärer Hilfe zu bewerten, so Human Rights Watch. Außerdem sollten sie von UN-Beamt*innen mehr Informationen über die Zusammenhänge zwischen Nordkoreas Waffenprogrammen und der Menschenrechtslage im Land einholen.

„Die nordkoreanische Bevölkerung führt seit Jahrzehnten ein entbehrungsreiches Leben in Isolation“, sagte Yoon. „Der UN-Sicherheitsrat und die betroffenen Regierungen sollten Kim Jong Un dazu drängen, die systematischen Menschenrechtsverletzungen im Land zu beenden und in einen Dialog zu treten, um das Land wieder für die Außenwelt zu öffnen.“

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