Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der diese Woche zu einem Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und der Afrikanischen Union nach Brüssel reist, sieht in einer Reihe von hochkarätigen Treffen eine weitere Gelegenheit, sein angeschlagenes Image aufzupolieren. Anstatt dem Präsidenten zuunrecht den roten Teppich auszurollen, sollten sich die europäischen Staats- und Regierungsoberhäupter darauf konzentrieren, die Menschenrechtskrise unter seiner Herrschaft klar anzusprechen und längst überfällige Schritte zu ihrer Behebung einzuleiten.
Al-Sisis Regierung liebt es, ihre Missstände zu vertuschen und internationale Kritik abzuschmettern. Nach einer seltenen Besorgnisbekundung von 32 Staaten im UN-Menschenrechtsrat im März 2021 stellte al-Sisi mit viel Pomp seine „Nationale Strategie für Menschenrechte“ vor – ein Dokument, das das massenhafte Foltern und Verschwindenlassen unter seiner Herrschaft nicht einmal anerkennt, geschweige denn anspricht. Ähnlich verkündete al-Sisi vergangenen Oktober mit großem Tamtam das Ende des landesweiten Ausnahmezustands, nur um wenige Tage später dessen Bestimmungen in anderen Gesetzen dauerhaft wieder einzuführen.
Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013 hat al-Sisi brutale Unterdrückung durchgesetzt. Zahllose willkürliche Verhaftungen, gewaltsames Verschwindenlassen, außergerichtliche Tötungen und weit verbreitete Folter deuten darauf hin, dass die Schwelle zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit erreicht sein könnte. Die unabhängige Zivilgesellschaft wurde faktisch verboten – durch brutale Drohungen, Einschüchterungen und drakonische Gesetze, die von der EU unerklärlicherweise als „positiver Schritt“ gelobt wurden, die die Arbeit unabhängiger Rechtsgruppen stark einschränken. Das preisgekrönte Arabische Netzwerk für Menschenrechtsinformationen schloss vor kurzem nach fast 18-jähriger Tätigkeit seine Pforten, was zum großen Teil auf die unmöglichen Anforderungen zurückzuführen ist, das Gesetz für Nichtregierungsorganisationen vorsieht.
Trotz überwältigender Beweise für schwerwiegende Missstände loben europäische Regierungen Ägypten als wichtigen Partner bei der Migrationssteuerung und der Terrorismusbekämpfung und unterstützen die Regierung al-Sisi bedingungslos militärisch, politisch und auf andere Weise, was das Gefühl der Straffreiheit für ihre Missstände noch verstärkt.
Anstatt unbegründetes Lob zu verteilen, sollten die europäischen Staats- und Regierungsoberhäupter die Gelegenheit des Besuchs von al-Sisi nutzen, indem sie öffentlich und im direkten Austausch Bedenken äußern, konkrete Verbesserungen fordern und ernsthafte Konsequenzen für die ägyptische Regierung ankündigen, falls diese sich weiterhin nicht an die Vorgaben hält. Eine radikale Änderung der europäischen Haltung gegenüber Ägypten, wie sie vom Europäischen Parlament und Nichtregierungsorganisationen seit langem gefordert wird, ist unabdingbar, um die rücksichtslose Unterdrückung durch die ägyptische Regierung zu bekämpfen.