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Polen untergräbt Justiz auf nationaler und europäischer Ebene

Kompromittiertes Verfassungsgericht lehnt EU-Urteil ab

Eine Demonstrantin steht am 28. April 2021 vor dem Verfassungsgericht in Warschau, Polen. Auf ihren Plakaten steht „Rechtsstaatlichkeit“ und „No Polexit!“. © 2021 Czarek Sokolowski/AP Images

Die Rechtsstaatlichkeit in Polen hat am 14. Juli einen weiteren Schlag erlitten. Das politisch kompromittierte Verfassungsgericht des Landes, entschied auf Geheiß der polnischen Regierung, dass ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom April 2020 gegen die polnische Verfassung verstößt. Der EuGH hatte eine einstweilige Verfügung erlassen, um die Unabhängigkeit der polnischen Justiz zu schützen. Damit gab das Verfassungsgericht den polnischen Gerichten faktisch freie Hand, künftige EuGH-Entscheidungen zu ignorieren.

Die Entscheidung zeigt nicht nur die Verachtung der polnischen Regierung für das höchste Gericht der EU und das EU-Recht, sondern zielt darauf ab, den rechtlichen Rahmen der EU zu untergraben. Polnischen Richter*innen, die von der Exekutive als Bedrohung angesehen werden, etwa diejenigen, die versuchen, EU-Recht anzuwenden, droht ein erhöhtes Risiko von Disziplinar- und Strafverfahren.

Ebenfalls am 14. Juli ordnete der EuGH die vorübergehende Außerkraftsetzung der Disziplinarkammer des polnischen Obersten Gerichtshofs an. Er entschied, dass die Kammer nicht als unparteiisches und unabhängiges Justizorgan im Sinne des EU-Rechts angesehen werden kann. Die Disziplinarkammer setzt sich aus regierungstreuen Parteianhängern zusammen, deren Ziel es ist, regierungskritischen Richter*innen die Immunität zu entziehen und Disziplinar- und Strafverfahren gegen sie einzuleiten.

Die Ablehnung der Entscheidung des EU-Gerichts durch Polens fehlerhaftes Verfassungsgericht ist das jüngste Beispiel für den Missbrauch von Gerichten durch die Regierung, um ihre eigene politische Agenda voranzutreiben. Frühere Beispiele sind die Umgehung der parlamentarischen Opposition, um Abtreibung in weiten Teilen zu verbieten und Polens unabhängigen Ombudsmann aus dem Amt zu drängen.

Diese besorgniserregenden Entwicklungen haben die Europäische Kommission veranlasst, mehrere rechtliche Durchsetzungsmaßnahmen gegen Polen einzuleiten. Am 15. Juli wurde eine erwirkt, nachdem Dutzende von Regionen und Gemeinden in Polen, die sogenannte „LGBT-Ideologie-freie Zonen“ einrichteten.

Mit dem Urteil des Verfassungsgerichts vom 14. Juli signalisiert die polnische Regierung sowohl der heimischen Bevölkerung als auch Brüssel, dass sie zukünftige EU-Gerichtsurteile, die sich aus diesen Durchsetzungsmaßnahmen ergeben könnten, ignorieren wird. Das können die EU-Institutionen nicht schweigend hinnehmen.

Die Europäische Kommission sollte sofort Maßnahmen ergreifen, um die Unabhängigkeit der Gerichte und Richter*innen in Polen zu schützen. Die EU-Mitgliedsstaaten sollten ihre Maßnahmen nach Artikel 7, dem im EU-Vertrag vorgesehenen Mechanismus, um gegen Mitgliedsstaaten vorzugehen, die die demokratischen Prinzipien der EU gefährden, schnell verstärken. Sie sollten Warschau zur Rechenschaft zu ziehen und den Schaden für die Grundrechte der polnischen Bürger*innen, die Rechtsstaatlichkeit und die gemeinsamen Werte der EU in Polen zu stoppen.

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