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Wahlen: Türkei und Russland müssen weiter auf die Agenda

Neue Regierung soll Menschenrechte in beiden Ländern weiter einfordern

Die Aktivistin Yulia Galyamina und ihr Ehemann Nikolai Tuzhilin liegen am Boden während einer Demonstration gegen Korruption auf der Tverskaya Straße am 12. Juni 2017 in Moskau. Hinter ihnen stehen Einsatzkräfte der Polizei.
 
Der Wahlkampf in Deutschland ist träge, beinahe schon langweilig – so berichten die meisten nationalen und internationalen Medien vor der Wahl am 24. September. Ob dies ein Problem ist, hängt von der eigenen Perspektive ab. Viele Kommentatoren haben die etwas trockenen Debatten begrüßt, nach dem hitzigen Wahlkampf in den USA, in Frankreich und Großbritannien.
 
Doch die Eintönigkeit ist keine Entschuldigung dafür, die schwierigen Themen nicht anzusprechen, vor denen die nächste Bundesregierung stehen wird. Dazu gehören Deutschlands Beziehungen zu zwei wichtigen internationalen Gesprächspartnern – Russland und die Türkei. In beiden Fällen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in vielfacher Hinsicht den richtigen Ansatz gewählt, wenn es um Menschenrechte geht. Doch es gibt weitere bedeutende Herausforderungen in der Zukunft, die die Entschlossenheit der nächsten Regierung auf die Probe stellen werden.
 
Human Rights Watch hat vor kurzem dokumentiert, wie die russische Regierung systematisch gegen die Kampagne für die Präsidentschaftswahl 2018 des führenden Oppositionspolitikers Alexei Navalny vorgeht. In Juli haben wir unseren Bericht über Einschränkungen der Medienfreiheit im Internet veröffentlicht und über die willkürliche Verhaftungen und Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten berichtet, die gegen Korruption demonstrierten. Anfang des Jahres haben die Behörden in Tschetschenien eine widerliche „Säuberungsaktion“ gegen angeblich schwule Männer eingeleitet.
 
Die Beispiele zeigen, dass Russland weiter unvermindert massiv die Menschenrechte verletzt  - das schlimmste Vorgehen seit dem Ende der Sowjetunion. Deutschland muss mit Russland in vielen bilateralen und globalen Fragen in Kontakt bleiben. Aber Berlin soll klarstellen, dass Moskau seine internationalen Menschenrechtsverpflichtungen erfüllen muss. Berlin muss auch die Menschenrechte in den Vordergrund stellen, wenn es mit Russland über die östliche Ukraine und die Krim spricht.​

Die Beziehungen zwischen Berlin und Ankara sind auf einem neuen Tiefpunkt angekommen, nachdem in der Türkei deutsche Staatsbürger – unter anderem zwei Journalisten und Menschenrechtsaktivisten – aus politischen Gründen festgenommen worden waren. Wie Berlin anerkannt hat, betrifft die massive Einschränkung grundlegender Rechte nicht nur deutsche Staatsanghörige. Hunderte Journalisten stehen vor Gericht und 170 sitzen im Gefängnis, nur weil sie ihren Job gemacht haben. Neun Oppositionspolitiker werden im Gefängnis festgehalten, während ihnen vor Gericht fadenscheinige Terrorismusvorwürfe gemacht werden. Und es gibt Männer, denen auch Verbindungen zum Terrorismus vorgeworfen werden und die entführt wurden oder verschwunden sind.
 
Deutschlands Beziehungen zur Türkei sind komplex: die große türkische Gemeinde in Deutschland sowie die Rolle der Türkei, wenn es darum geht, Flüchtlinge und Asylsuchende unter dem EU-Türkei-Deal von Europa abzuhalten, sind nur zwei Themen, die Berlin in Betracht ziehen muss. Doch Berlins Hartnäckigkeit, dass die Türkei die Regeln des Rechtsstaats erst wieder vollständig respektieren muss, bevor man zu normalen Beziehungen zurückkehren kann, ist zentral: So wird Ankara deutlich gemacht, wie ernst Deutschland die Entwicklung in der Türkei nimmt.
 
Langweilig oder nicht: bei den Menschenrechten steht viel auf den Spiel bei den Wahlen.

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