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Diese Woche schob die deutsche Regierung erneut 26 abgelehnte afghanische Asylsuchende nach Kabul ab - die zweite Abschiebungswelle innerhalb von zwei Monaten. Die Asylsuchenden kehren in eine Stadt zurück, die geteilt und unsicher ist.

Es gibt das Kabul der Botschaften, verbarrikadierte Festungen, in denen Diplomaten sich mit ihren Kollegen aus benachbarten Botschaften via Skype besprechen und afghanische Ministerien mit Hubschraubern besuchen.

Afghanen, deren Asylanträge in Deutschland abgelehnt wurden, kommen am Flughafen von Kabul an, 15. Dezember 2016. © 2016 Reuters
Und es gibt das andere Kabul, in dem etwa 4 Millionen Menschen leben - mit steigender Tendenz. In diesem Kabul sterben täglich zahllose Zivilisten bei Explosionen und Selbstmordanschlägen. Diese Stadt kämpft damit, die Hunderttausenden Afghanen aufzunehmen, die Pakistan zurückgeschickt hat, sowie die Binnenflüchtlinge, die vor den zunehmenden Konflikten im afghanischen Umland geflohen sind. In diesem Kabul ist die Wirtschaft nahezu zusammengebrochen. Die Zivilgesellschaft kämpft um ihr Überleben. Die hoffnungsvolle Stimmung der Übergangsphase nach 2001 hat einem Klima der Angst Platz gemacht.
 
Im Oktober 2016 drängte die Europäische Union die afghanische Regierung dazu, Zehntausende Flüchtlinge zurückzunehmen. Zwar ist Deutschland nicht das einzige Land, das zunehmend dazu übergeht, abgelehnte afghanische Asylsuchende abzuschieben, aber es geht besonders schnell vor und verschließt die Augen vor den Gefahren, indem es Kabul für sicher erklärte - sicher genug für Afghanen. Diese Woche zeigte sich der deutsche Innenminister Thomas De Maizière vorsätzlich ignorant angesichts der massiv steigenden, zivilen Todesfälle. Er rechtfertigte die jüngsten Abschiebungen damit, dass Anschläge der Taliban gegen „Vertreter der internationalen Gemeinschaft“ gerichtet seien und nicht gegen die afghanische Zivilbevölkerung. Statistiken der UN-Unterstützungsmission in Afghanistan widerlegen diese Behauptung: Die Angriffe der Taliban und anderer bewaffneter Gruppen im vergangenen Jahr auf zivile Demonstranten, Bildungs- und religiöse Einrichtungen und Medien waren die tödlichsten seit dem Jahr 2001.
 
Kabul als „sicher“ zu bezeichnen ist ein fadenscheiniger Versuch westlicher Regierungen, zu verschleiern, was sie nicht zugeben wollen: Trotz aller Versprechen und Investitionen in Milliardenhöhe ist Afghanistan keine Erfolgsgeschichte. Das Land befindet sich am Rand einer humanitären Krise.
 
Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten sollen abgelehnte afghanische Asylsuchende nicht abschieben, solange unklar ist, wie die afghanische Regierung mit den massenhaft aus Pakistan vertriebenen Flüchtlingen umgeht. Die EU-Staaten sollen Afghanen nicht internieren, sondern ihnen den bestmöglichen Schutzstatus einräumen, den ihr nationales Recht erlaubt.
 
Verzweifelte afghanische Asylsuchende in ihr von Konflikten und Krisen geprägtes Heimatland abzuschieben ist nicht nur unmenschlich. Es verschärft auch die Instabilität, vor der diese Menschen geflohen sind.

 

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