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(Washington, DC) – Die Behauptungen der Obama-Regierung sind nicht überzeugend, dass Ermittlungen zu Foltervorwürfen gegen den US-Auslandsgeheimdienst CIA wegen rechtlicher Hindernisse unmöglich sind. Vielmehr läuft die Regierung Gefahr, Folter als politische Option zu etablieren, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Es liegen ausreichend Belege für den Justizminister vor, um die strafrechtliche Verfolgung gegen führende US-Beamte und andere einzuleiten, die an dem Programm des Geheimdienstes beteiligt waren, durch das nach den Anschlägen vom 11. September Folter, Beteiligung an Folter und andere Verbrechen legalisiert wurden.

Der 153-seitige Bericht „No More Excuses: A Roadmap to Justice for CIA Torture“ präsentiert Belege für die wichtigsten Vorwürfe gegen die Verantwortlichen für staatlich geduldete Folter. Und er widerlegt die Behauptung, dass eine Strafverfolgung rechtlich unmöglich sei. Der Bericht geht auch auf die Verpflichtung der USA ein, Folteropfer zu entschädigen, und schlägt vor, wie die Regierung in dieser Angelegenheit vorgehen soll. Darüber hinaus zeigt er auf, wie andere Staaten Foltervorwürfen gegen die CIA strafrechtlich nachgehen können.

„Der Folterbericht des US-Senats wurde vor einem Jahr veröffentlicht und die Obama-Regierung hat immer noch keine neuen, strafrechtlichen Ermittlungen eingeleitet“, kritisiert Kenneth Roth, Executive Director von Human Rights Watch. „Ohne solche Untersuchungen bleibt Folter eine politische Option. Das würde Obamas Vermächtnis für immer vergiften.”

Am 9. Dezember 2014 veröffentlichte der Geheimdienstausschuss des US-Senats eine vernichtende Zusammenfassung des bis heute der Geheimhaltung unterliegenden, 6.700-seitigen Berichts über das Internierungs- und Verhörprogramm der CIA. Eine Zusammenfassung des Senats bestätigte frühere Berichte und enthüllte, dass die Foltermethoden der CIA brutaler, systematischer und verbreiteter waren als bislang bekannt. Er umfasste neue Informationen über Misshandlungen, darunter die so genannte „rektale Ernährung“ einiger Gefangener, und über die gravierenden Folgen von schmerzhaften Stress-Positionen und Schlafentzug. Der Bericht konzentrierte sich auf die Frage, ob die „verschärften Verhörmethoden“ ein wirksames Mittel seien, um an verwertbare Informationen zu gelangen, und kam zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist. Ob das Programm legal war, untersuchten die Autoren nicht.

Das US-Justizministerium betont, dass es bereits im Jahr 2009 Menschenrechtsverstöße der CIA untersucht habe und zu dem Ergebnis gekommen sei, dass für eine Klageerhebung nicht ausreichend zulässige Beweise vorlägen. Aber diese Ermittlungen unter John Durham widmeten sich ausschließlich Fällen, die über „genehmigte“ Handlungen hinausgingen. Alle anderen Folter- und Misshandlungsvorwürfen gegen die CIA berücksichtigten sie nicht. Selbst im Zuge dieser Untersuchungen haben die Ermittler offensichtlich keinen einzigen, ehemaligen Gefangenen befragt, womit sie ihre eigene Behauptung widerlegen, sie hätten umfassend und glaubwürdig ermittelt.

Eine häufig geäußerte Rechtfertigung ist, dass sich die Verantwortlichen der CIA und im Weißen Haus auf die Rechtsgutachten der Beratungsstelle des Justizministeriums verlassen hätten, nach denen „verschärfte Verhörmethoden“ rechtmäßig seien - die sogenannten Folter-Memos. Allerdings lieferte der Senatsbericht Belege dafür, dass führenden Beamten der CIA von Anfang an bewusst war, dass diese Praktiken gegen Anti-Folter-Gesetze verstoßen. Auch ist es belegt, dass Führungspersonen der CIA und im Weißen Haus Garantien dafür einholen wollten, dass es nicht zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommt. Als sie scheiterten, unterstützten sie die Entwicklung genau derjenigen Rechtsgutachten, die Folter autorisierten und auf die sie sich später beriefen.

Die rechtlichen Argumente in den Folter-Memos sind so weit hergeholt, dass sie kaum als ehrliche Auslegungen von Gesetzen betrachtet werden können. All diese Fakten sprechen dagegen, dass es ein legitimer Einwand gegen Folter-Vorwürfe ist, gutgläubig auf die Rechtsgutachten vertraut zu haben. Zudem zeigen sowohl der Senatsbericht als auch andere Dokumente, dass die CIA ihre Gefangenen auf Arten misshandelte, die nicht genehmigt waren, und genehmigte Techniken auf eine Weise anwandte, die weit über das Genehmigte hinausgingen.

Obwohl die meisten Folterfälle und Misshandlungen vor einem Jahrzehnt oder mehr verübt wurden, sind nur wenige Vorwürfe verjährt. Die reguläre, fünfjährige staatliche Verjährungsfrist gilt nicht für Folter oder Beteiligung an Folter in Fällen, in denen „absehbar die Gefahr bestand, dass die betroffene Person stirbt oder gravierende Verletzungen“ davonträgt, und auch nicht für bestimmte Fälle sexuellen Missbrauchs. Darüber hinaus kann die Verjährungsfrist im Fall der Mitwisserschaft verlängert werden, wenn die Verantwortlichen wesentliche Aspekte des Verbrechens verschleierten - wie beim CIA-Programm.

Die Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen, die die USA im Jahr 1988 ratifizierten, verpflichtet Regierungen dazu, Foltervorwürfe glaubhaft zu untersuchen und die Verantwortlichen gegebenenfalls strafrechtlich zu verfolgen. Dass die Obama-Regierung in Fällen von Folter durch die CIA weder Ermittlungen noch Strafverfahren einleitet, erhöht die Gefahr, dass ein zukünftiger Präsident ähnliche illegale Verhörmethoden genehmigt, um auf eine schwerwiegende Gefährdung der Sicherheit zu reagieren. Zahlreiche Präsidentschaftskandidaten für die Wahlen im Jahr 2016 haben die „verschärften Verhörmethoden“ verteidigt, manche sagten sogar, sie würden sie nach ihrer Wahl erneut anwenden.

Die von der US-Regierung entscheidend mitentwickelte Anti-Folter-Konvention verpflichtet auch zu Wiedergutmachung und Entschädigung von Folter-Opfern. Aber die Bush- und die Obama-Regierung vereitelten aktiv jeden Versuch ehemaliger Gefangener, vor US-Gerichten Entschädigungen einzuklagen. Sie beriefen sich auf angebliche Immunität und die nationale Sicherheit, um Verfahren abzubrechen, bevor die Kläger überhaupt Beweise für die Misshandlungen vorlegen konnten.

Das Justizministerium soll einen Sonderermittler benennen, um neue Untersuchungen durchzuführen, und gewährleisten, dass alle relevanten Zeugen, auch mutmaßliche Folter-Opfer, befragt und alle verfügbaren materiellen Beweise gesammelt, erhalten und untersucht werden.

„Wenn sich eine etablierte, politisch stabile Demokratie wie die USA über ihre rechtliche Pflicht hinwegsetzen kann, Foltervorwürfen nachzugehen, unterminiert sie die Rechtsstaatlichkeit vor den Augen der ganzen Welt“, so Roth. „Regierungsvertreter, die Rechtsgutachten angefordert und mitformuliert haben, die rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist, dürfen sich nicht mit Verweis auf diese Gutachten aus der Verantwortung ziehen.“

Der Human Rights Watch-Bericht schildert auch Fälle im Ausland, in deren Zuge Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit CIA-Folter untersucht wurden. In anderen Ländern ist gegen amerikanische und eigene Beamte ermittelt worden, die an Menschenrechtsverletzungen der CIA beteiligt waren oder von ihnen wussten. Die Pflicht, die Folter-Vorwürfe zu untersuchen, liegt vor allem bei der US-Regierung. Allerdings umfasst die Anti-Folter-Konvention eine Klausel über „universelle Gerichtsbarkeit“, die alle Regierungen dazu verpflichtet, Verdächtige zu verfolgen, die sich auf ihrem Territorium befinden, unabhängig davon, wo gefoltert wurde. Wenn die US-Regierung nicht selbst umfassende und glaubhafte Ermittlungen einleitet, dann sollen andere Regierungen Maßnahmen ergreifen, um diese Verbrechen zu untersuchen.

„Angesichts dessen, dass die Obama-Regierung sich weigert, gegen leitende Beamte zu ermitteln, die für schwerste Verbrechen verantwortlich sind, sollten andere Länder aktiv werden“, so Roth. „Wenn Präsident Obama nicht verhindert, dass seine Regierung einen gefährlichen Präzedenzfall für Straflosigkeit bei Folter schafft, müssen andere Staaten einspringen.“

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