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Syrische Asylsuchende in einem Haftzentrum an der ungarischen Grenze. 9. September 2015 © 2015 Private

(Brüssel) – Die Antwort der Innenminister der Europäischen Union vom 14. September 2015 auf die Flüchtlingskrise zielt hauptsächlich darauf ab, die Verantwortung auf Länder außerhalb der EU zu verlagern, so Human Rights Watch heute.

Die Minister konnten sich nicht auf einen Vorschlag über eine verbindliche Verteilung von Asylsuchenden einigen oder auf andere Schritte, um die Betroffenen innerhalb der EU zu schützen. Sie bestätigten vielmehr, dass ihnen beschleunigte Abschiebeverfahren und der Kampf gegen Schmuggler-Netzwerke wichtig sind. Anstatt neue, konkrete Maßnahmen zu beschließen, um die Verantwortung für die Flüchtlinge besser zu verteilen, konzentrierten sich die Teilnehmer des Sondertreffens des EU-Rats für Inneres und Justiz am 14. September darauf, Länder außerhalb der EU zu unterstützen.

„Angesichts der größten Flüchtlingskrise in Europa seit dem Zusammenbruch von Jugoslawien sind sich die EU-Regierungen gerade einmal darin einig, die Verantwortung auf Drittstaaten abzuschieben“, so Judith Sunderland, stellvertretende Leiterin der Abteilung Europa und Zentralasien von Human Rights Watch. „Eigentlich sollte die EU ein einheitliches Asylsystem haben. Doch die Mitgliedstaaten können sich noch nicht einmal darauf einigen, wie sie die Verantwortung für Menschen, die Schutz benötigen, verteilen wollen.“

Die Innenminister haben keine verbindliche Verteilungsquote von Asylsuchenden für die EU-Länder festgelegt. Formal haben sie den bereits beschlossenen, freiwilligen Plan bestätigt, 40.000 Asylsuchende in den nächsten zwei Jahren aus Italien und Griechenland auf andere Länder zu verteilen – wobei die Zahlen, die die einzelnen Regierungen bislang zugesagt haben, hinter diesem Ziel zurückbleiben. Eine eindeutige Entscheidung über einen aktuellen Vorschlag der EU-Kommission wurde vertagt, der ein verbindliches Verfahren zur Umverteilung von weiteren 120.000 Asylsuchenden aus EU-Ländern vorsieht, in denen große Zahlen von Menschen ankommen. Die Flüchtlingsagentur der Vereinten Nationen, der UNHCR, bezeichnete es zuletzt als angemessen, in einem ersten Schritt 200.000 Personen neu zu verteilen.

Ein wichtiger Bestandteil des nun bestätigten Verteilungsplans ist die Einrichtung sogenannter „Hotspots“ in Italien und Griechenland, in denen Personen registriert und ihre Fingerabdrücke genommen werden sollen. Zudem soll dort entschieden werden, bei wem es sich um einen Asylsuchenden handelt oder um einen irregulären Migranten, der abgeschoben werden soll. Diese Einrichtungen sind offensichtlich sowohl Erstaufnahmelager bis zur Umverteilung als auch Hafteinrichtungen bis zur Abschiebung.

Angesichts des Schwerpunktes darauf, die Weiterreise von Asylsuchenden zu verhindern, lässt der „Hotspot“-Plan befürchten, dass Asylsuchende an diesen Orten beschleunigte Asylverfahren durchlaufen oder monatelang interniert werden könnten. Die EU-Staaten haben das Recht, Personen in ihre Herkunftsländer abzuschieben, die keinen begründeten Schutzanspruch haben. Zudem können sie Maßnahmen ergreifen, um Abschiebungen sicherzustellen, darunter auch Inhaftierung, solange angemessene Verfahrensgarantien bestehen.

„Im Prinzip könnten die ‚Hotspots‘ dazu beitragen, mit der aktuellen Situation umzugehen. Aber das hängt stark von den tatsächlichen Gegebenheiten ab, von der Behandlung der Menschen, von den Verfahren und den Zusagen der Mitgliedstaaten, geflüchtete Personen aufzunehmen“, sagt Sunderland. „Asylsuchende zu inhaftieren, bis sich eine EU-Regierung dazu bereit erklärt, sie aufzunehmen, könntem jedoch auch dazu führen, dass unzählige Menschen für lange Zeit eingesperrt werden.“

Weiterhin billigten die Innenminister, eine EU-weit gültige Liste „sicherer Herkunftsstaaten“ zu erstellen, darunter mindestens die westlichen Balkanstaaten Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Albanien und Montenegro. Die Türkei, die zunächst auch aufgenommen werden sollte, zählt nicht mehr dazu. Das bedeutet, dass Asylanträge von Bürgern dieser Länder beschleunigt bearbeitet werden, unter der Annahme, dass sie keinen Anspruch auf internationalen Schutz haben. Dieses Verfahren kann dazu führen, dass Asylgesuche nicht mehr gründlich geprüft und das Recht auf eine Revision eingeschränkt wird. Personen mit Schutzansprüchen könnten dadurch in Länder abgeschoben werden, in denen ihnen Folter droht oder ihr Leben und ihre Freiheit in Gefahr sind.

Zu Recht haben die Minister bestätigt, dass die Flüchtlingsagentur der Vereinten Nationen und die Nachbarstaaten Syriens mehr Unterstützung benötigen, um die Aufnahmebedingungen für syrische Flüchtlinge zu verbessern, von denen die meisten in der Region bleiben. Die Hilfsmaßnahmen der UN für syrische Flüchtlinge in dieser Region sind derzeit stark unterfinanziert.

Darüber hinaus haben die Minister beschlossen, die Asyl- und Aufnahmesysteme in Ländern außerhalb der EU stärker zu unterstützen, etwa in den westlichen Balkanstaaten, der Türkei und anderen betroffenen Regionen. Hier sei das Ziel, „langfristige Perspektiven und angemessene Verfahren für Flüchtlinge und ihre Familien [zu schaffen], bis eine Rückkehr in ihre Herkunftsländer möglich ist“.

Es ist immer sinnvoll, die Bedingungen in diesen Ländern zu verbessern. Aber bis die Durchgangsländer in der Lage sind, Asylgesuche im Einklang mit den Standards und Verfahren der EU zu bearbeiten und angemessene Aufnahmebedingungen und wirkungsvollen Schutz zu gewährleisten, soll der Aufbau von wirksamen Verfahren in diesen Ländern nicht als Begründung dafür herhalten, Asylsuchende aus der EU in Durchgangs- oder Nachbarländer abzuschieben.

Ebenfalls am 14. September kündigten die EU-Außenminister an, dass EUNavFor, die Militärmission der EU im Mittelmeer, Mitte Oktober in die zweite Phase übergehen wird. Dann haben die Mannschaften von EU-Schiffen das Recht dazu, von Schmugglern genutzte Boote zu betreten, zu übernehmen und zu zerstören. Es ist dringend erforderlich, alle notwendigen Maßnahmen dafür zu treffen, dass das Leben und die Sicherheit von Migranten und Asylsuchenden bei solchen Operationen nicht gefährdet werden.

Das Treffen fand statt, während die Schengen-Staaten Deutschland, Österreich, die Slowakei und die Niederlande für einen begrenzten Zeitraum Grenzkontrollen wieder eingeführt haben. Ungarn hat ein neues Grenzregime etabliert, das einen Zaun an der Grenze zu Serbien, die Kriminalisierung irregulärer Einreisen und die zuvor beschlossene Kategorisierung von Serbien als sicheres Drittland umfasst. Es ist zu befürchten, dass Ungarn nun viele von über Serbien einreisende Asylsuchende und Migranten inhaftieren und Sammelabschiebungen durchführen wird. Human Rights Watch hat Polizeigewalt gegen Migranten und Asylsuchende in Serbien dokumentiert, sowie gravierende Probleme im Zugang zu Asylverfahren. Das Recht darauf, Grenzen zu kontrollieren, muss auf eine Art und Weise durchgesetzt werden, die das Recht auf Asyl respektiert und Migranten vor Menschenrechtsverletzungen schützt.

Der Internationalen Organisation für Migration zufolge haben in diesem Jahr bereits mehr als 430.00 Asylsuchende und Migranten die EU erreicht, mehr als 2.700 sind auf dem Weg gestorben oder werden vermisst. Zuletzt sind am 13. September 34 Menschen, darunter 15 Kinder, ertrunken, als ihr Holzboot nahe der griechischen Insel Farmakonisi kennterte.

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