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Noch nie wurde die Europäische Union so dringend gebraucht wie heute, um sich für Menschenrechte weltweit einzusetzen. Doch stattdessen lähmt sich die Gemeinschaft selbst - und es fehlt der Wille.

Wenn die EU je gebraucht wurde, um weltweit für Menschenrechte einzutreten, dann jetzt. Folter und das Einsperren ohne Gerichtsverfahren haben die Bush-Regierung Glaubwürdigkeit gekostet. China zeigt bestenfalls Gleichgültigkeit gegenüber der Anwendung von Recht durch Regierungen, Russland tut sich bei seinem Streben nach Einfluss mit Tyrannen zusammen. Die Führungsposition ist unbesetzt.

Die traurige Wahrheit ist jedoch, dass die EU für ihre Größe viel zu wenig Einfluss besitzt. Als Gemeinschaft von Demokratien, die auf Rechtsstaatlichkeit und den Rechten des Einzelnen basieren, käme ihr eine natürliche Führungsrolle bei den Menschenrechten zu. Sie hat eindrucksvoll diese Werte auf ihre neuen Mitglieder übertragen, gelegentlich darüber hinaus. Doch sobald sie außerhalb ihrer Grenzen auftritt, ist die EU häufig erschreckend schwach.

Das Problem besteht vor allem darin, dass 27 Mitglieder mit Vetorecht eine gemeinsame Position finden müssen. Bei internen politischen Themen wie Steuern oder Handel mag das sinnvoll sein, es ist jedoch katastrophal, wenn es um den Einfluss der EU außerhalb ihrer Grenzen geht. Eine einzige Regierung mit kleinkarierten Eigeninteressen genügt, um eine effektive EU-Position zu verhindern.

Das zeigt sich bei Usbekistan. Nachdem die usbekische Regierung im Mai 2005 in der Stadt Andischan Hunderte Demonstranten niedermetzelte, verhängte die EU Sanktionen. Heute sind viele EU-Mitglieder dafür, diese aufrechtzuerhalten, bis Usbekistan unabhängige Ermittlungen zulässt oder signifikante Strukturreformen durchführt. Deutschland dagegen würde sich mit einem hohlen "Menschenrechtsdialog" begnügen und droht, dem Rest der EU diese Form von Alibihandlung aufzuzwingen.

Die Tendenz, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen, zeigt, dass man Einstimmigkeit der Effektivität vorzieht. Da die EU nie über das hinausgeht, was das zögerlichste Mitglied für angemessen hält, unternimmt sie wenig bis gar nichts an Orten wie China, Russland, Darfur oder den USA.

Es muss einen besseren Weg geben. Eine Möglichkeit wäre, bei der gemeinsamen Außenpolitik Einstimmigkeit durch eine Zweidrittelmehrheit zu ersetzen. Dazu müssten die EU-Regierungen ihr heiß geliebtes Vetorecht aufgeben - dazu sind einige nicht bereit, obwohl die Hilferufe unterdrückter Menschen aus aller Welt ungehört verhallen.

Selbst wenn das Einstimmigkeitsprinzip beibehalten wird, sind Verbesserungen möglich. Zum Beispiel scheint es, als verlangt die EU einen Konsens auf geradezu absurd kleinteiligem Niveau. Ihre Mitglieder im Uno-Menschenrechtsrat vereinbaren keine allgemeine Strategie und vertrauen dann darauf, dass ihre Vertreter die klug umsetzen. Nein, sie bestehen darauf, jeden einzelnen Resolutionsvorschlag Wort für Wort abzusegnen. Diese Form von Mikromanagement macht das schnelle Geben und Nehmen unmöglich, das in der Diplomatie nötig ist, um Mehrheiten aufzubauen. Das ist ein Grund dafür, dass Regierungen, die gegen die Menschenrechte verstoßen, der EU auf der Nase rumtanzen können.

Die EU könnte ihre gemeinsame Position auch eher als Unter- denn als Obergrenze ansehen. Es ist richtig, darauf zu bestehen, dass keine Regierung weniger tut, als es die gemeinsame Haltung vorsieht. Aber was spricht dagegen, mehr zu tun? Eine offizielle Barriere dafür gibt es nicht. Aber viel zu oft nutzen Regierungen das Fehlen einer starken gemeinsamen Position, um damit das Fehlen einer starken nationalen Position zu rechtfertigen. Es ist herzlos, das Kollektiv so über das Effektive zu stellen, während Menschenleben auf dem Spiel stehen.

Selbst wenn es eine gemeinsame Position gibt, beraubt sich die EU häufig ihres Einflusses, indem sie darauf beharrt, praktisch exklusiv über ihre Präsidentschaft zu arbeiten. Um Kontinuität und Erfahrung zu sichern, ist kaum ein schlechterer Weg vorstellbar. Daran ändert auch nichts, dass es im Zusammenspiel von EU-Vertretern eine "Führungstroika" gibt. Die Rotation bestätigt die Gleichheit aller EU-Mitglieder, aber die Weigerung, bei bestimmten Themen den am besten dafür geeigneten Regierungen langfristig Verantwortung zu übertragen, ist dysfunktional. Statt für eine "Troika der Effektivität" entscheidet sich die Europäische Union für eine "Troika der Neuankömmlinge".

Für Themen wie die Verhandlungen mit dem Iran über dessen Atomprogramm hat die EU ein festes Führungsteam ernannt, für Menschenrechte nicht. Der Einfluss der EU würde deutlich zunehmen, wenn an den Krisenherden Jahr für Jahr dieselben Regierungen auftauchen würden. Das signalisiert eine Fortdauer der Besorgnis und die Entschlossenheit, etwas zu Ende zu bringen.

Auch mangelnde Transparenz schadet der Effektivität der EU. Sich für Menschenrechte einzusetzen läuft oftmals anderen Interessen der Regierung zuwider. Aber da so viele außenpolitische Entscheidungen in den Hinterzimmern Brüssels getroffen werden, fällt es der Öffentlichkeit schwer, diese Kuhhandel zu beeinflussen. Die Folgen sind häufig im schwachen Engagement der EU in Menschenrechtsfragen zu spüren.

Diese organisatorischen Schwächen können das Versagen der EU in Führungsfragen nicht umfassend erklären. Ein Teil des Problems ist schlicht und einfach fehlender Wille. Es kann teuer und schwierig sein, sich für die Menschenrechte einzusetzen, deshalb belassen es viele Regierungen lieber bei Lippenbekenntnissen. Doch da die Führungsrolle der USA gelitten hat, zahlen Menschen weltweit den Preis für die schwachen Leistungen der EU. Es ist an der Zeit, dies zu ändern.

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