(Johannesburg, 2. Juni, 2005) – Die Verlockung des Goldes hat in der Demokratischen Republik Kongo zu schweren Menschenrechtsvergehen geführt, heißt es in einem neuen Bericht von Human Rights Watch. Milizen und internationale Unternehmen profitierten von den Goldvorkommen im Nordosten des Landes, während die Bevölkerung unter ethnischen Säuberungen, Folter und Vergewaltigungen zu leiden hätte.
Der 159seitige Bericht „The Curse of Gold“ (Der Fluch des Goldes) dokumentiert, wie lokale bewaffnete Gruppierungen, die um die Kontrolle der Goldminen und Handelswege kämpfen, Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen begingen. Finanziert hätten sie ihre Aktivitäten und ihre Waffenkäufe durch Gewinne aus dem Goldverkauf.
„The Curse of Gold“ beschreibt im Detail, wie der Goldminenbetreiber, AngloGold Ashanti, der zum Anglo American Bergbauimperium gehört, mit einer bewaffneten Gruppierung in Verbindung trat. Dem Bericht zufolge half die Nationalist and Integrationist Front (FNI) AngloGold Ashanti, die goldreichen Bergbaugebiete in der Nähe der Stadt Mongbwalu in der Region Ituri zu erschließen.
Human Rights Watch verfolgte die Spur des schmutzigen Goldes vom Kongo nach Uganda, wo es an die Goldmärkte in Europa und weltweit verschifft wird. Der Bericht besagt, dass der schweizer Metallverarbeitungsbetrieb Metalor Technologies das Edelmetall von Uganda kaufte. Nachdem die Menschenrechtsorganisation das Unternehmen mit den Fakten konfrontiert hatte, erklärte Metalor am 20. Mai dieses Jahres, dass es kein Gold von Uganda mehr kaufen würde. Human Rights Watch war über dieses Versprechen sehr erfreut.
„Unternehmen sollten garantieren, dass ihre Tätigkeiten den Frieden und die Achtung der Menschenrechte unterstützen, besonders in Regionen wie dem Nordosten von Kongo“, forderte Anneke Van Woudenberg, Expertin für die Demokratische Republik Kongo von Human Rights Watch. „Milizen verwenden natürliche Ressourcen um ihre blutigen Machenschaften zu finanzieren. Jegliche direkte oder indirekte Unterstützung für diese Gruppen muss aufhören.“
In Widerspruch zu internationalen Geschäftsgebaren und ihrer erklärten Unternehmensphilosophie leistete AngloGold Ashanti der FNI und ihren Anführern beachtliche finanzielle und logistische Hilfe – was in weiterer Folge politische Unterstützung bedeutete, heißt es in dem Bericht. Die FNI ist für die schwersten Menschenrechtsverbrechen im der vom Krieg zerrütteten Region verantwortlich. In einem Brief an Human Rights Watch erklärte AngloGold Ashanti, dass sie „kein Arbeits- oder sonstiges Verhältnis mit der FNI“ habe, aber dass Kontakte mit der Führung „unvermeidbar“ seien. Das Unternehmen gab zu, dass es in der Vergangenheit Zahlungen an die FNI getätigt hätte – eine davon im Januar 2005 nur unter „Protest“ und aus „Notwendigkeit“.
Mitarbeiter von Human Rights Watch können jedoch Treffen zwischen dem Unternehmen und den Führern der bewaffneten Gruppe belegen. Der selbsternannte Präsident der FNI, Floribert Njabu, erklärte gegenüber Human Rights Watch, „die Regierung kommt nie nach Mongbwalu. Ich habe AngloGold Ashanti die Erlaubnis erteilt, hier tätig zu werden. Ich bin der Boss von Mongbwalu. Wenn ich sie fortjagen will, dann mache ich das auch“.
AngloGold Ashanti fing Ende 2003 mit den Vorbereitungen für den Goldabbau in Mongbwalu an. Das Unternehmen bekam 1996 die Schürfrechte für das große Goldvorkommen. Die Arbeiten wurden jedoch durch den Krieg verzögert und begannen erst nachdem das Friedensabkommen unterzeichnet und in Kinshasa eine Übergangsregierung eingesetzt worden war. Der Regierung ist es aber nicht gelungen, die Ituri-Region unter Kontrolle zu bringen. Und die Gebiete um Mongbwalu blieben in den Händen der FNI.
„Als Firma, die gesellschaftliche Verantwortung trägt, hätte AngloGold Ashanti warten müssen, bis sie in Mongbwalu arbeiten können, ohne mit Milizen zu interagieren“, meinte Van Woudenberg. „Kongo braucht dringend Investitionen für den Wiederaufbau. Aber diese Geschäftstätigkeiten dürfen keine Rebellen unterstützen, die für Menschenrechtsverbrechen verantwortlich sind.“
Anglo America ist einer der Vorsitzenden der Afrikanischen Wirtschaftskonferenz von 1. bis 3. Juni in Cape Town. Das Ziel des Treffens ist es, Investitionen in Afrika zu fördern und so Verbesserungen zu erzielen.
Die Goldvorkommen im Nordosten von Kongo gehören zu den größten Vorkommen in Afrika und könnten dazu dienen, die Wirtschaft des Landes wieder aufzubauen. Doch die Kämpfe zwischen den konkurrenzierenden Milizen um die Vorherrschaft über die Bergbaustadt Mongbwalu haben zwischen Juni 2002 und September 2004 mehr als 2.000 Menschen das Leben gekostet. „Wir sind durch dieses Gold verflucht“, erklärte ein Minenarbeiter. „Wir leiden nur und haben keine Vorteile davon.“
Während den Kämpfen wird weiterhin von Hand Abbau betrieben. Jedes Jahr wird Gold im Wert von einigen Millionen Dollar aus dem Kongo herausgeschmuggelt. Einiges Gold ist für die Schweiz bestimmt. Metalor Technologies kaufte Gold von Uganda. Als Human Rights Watch am 21. April dieses Jahres nachfragte, erklärte Metalor, es dachte, dass „das Gold ...legaler Herkunft war“. Da aber Uganda kaum eigene Goldreserven besitzt, kommt ein beträchtlicher Teil des Edelmetalls, höchstwahrscheinlich aus dem Kongo. Metalor erklärte in einer Aussendung am 20. Mai, dass es keine weiteren Lieferungen akzeptieren würde, bis Ugandas Normen und Statistiken für die Goldproduktion und –exporte geklärt seien.
“Wir hoffen, dass andere Unternehmen dem Beispiel von Metalor folgen werden“, erklärte Van Woudenberg. „Die Probleme, auf die wir gestoßen sind, gelten weder nur für den Kongo noch für nur eine Firma. Man muss die Einhaltung der Geschäftsstandards überprüfen können, sonst sind sie wertlos.“
Experten der UN entwarfen Unternehmensstandards im Sinne der Menschenrechte, auch als UN-Normen bekannt. Die Regelung zeigt, dass es einen steigenden Konsens darüber gibt, dass man Standards für die Verantwortlichkeiten von Unternehmen braucht. Jedoch wurden diese Normen nur von wenigen Firmen übernommen. Obwohl es UN-Berichte zu dem Thema gab, habe die internationale Gemeinschaft verabsäumt, den Zusammenhang zwischen der Ausbeutung der Ressourcen und dem Konflikt im Kongo zu sehen, kritisierte Human Rights Watch.
Der Nordosten von Kongo wurde im fünfjährigen Krieg am schwersten in Mitleidenschaft gezogen. Milizen sind für ethnisch begründete Massaker, Vergewaltigungen und Folterungen verantwortlich. Ein regionaler Stammeskonflikt zwischen den Hema und Lendu, unterstützt von nationalen Milizen sowie Kämpfern aus Ruanda und Uganda, hat nach Schätzungen der UN seit 1999 60.000 Menschen das Leben gekostet. Insgesamt sind vier Millionen Zivilisten bei dem Krieg in Kongo gestorben. Nur im Zweiten Weltkrieg gab es mehr zivile Opfer.
„Friedensbemühungen im Kongo können leicht scheitern, wenn nicht der Zusammenhang zwischen der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und den Menschenrechtsvergehen ganz oben auf die Tagesordnung gestellt wird“, warnte Van Woudenberg. „Den Kongolesen gebührt, dass das Gold für sie ein Gewinn ist und nicht ihr Fluch.“
Zitate aus The Curse of Gold
Ein Zeuge der Verbrechen der UPC-Miliz in einem Dorf in der Nähe von Mongbwalu:
Ich sah viele Leute, die gefesselt waren, um erschossen zu werden. Die UPC sagte, man würde alle töten. Die Lendu mussten ihre eigenen Gräber schaufeln... dann schlugen sie ihnen mit einem Hammer die Köpfe ein.
Ein Zeuge in Mongbwalu:
Als die UPC in Mongbwalu waren, schickten sie ihr Gold nach Bunia und von dort nach Ruanda. Sie tauschten es gegen Waffen ein.
Ein Zeuge der Verbrennungen von Frauen der Hema – die FNI hatte sie zu Hexen erklärt:
Sie sperrten sie in ihre Häuser und steckten diese in Brand. Sie holten die Frauen zusammen und sagten, sie wollten mit ihnen über Frieden sprechen. Sie brachten zehn Frauen in ein Haus, fesselten ihnen die Hände, schlossen die Tür und steckten das Haus in Brand. Das Töten ging zwei Wochen so, Tag und Nacht.
Ein junger Goldhändler, der keine Abgaben an die FNI-Miliz zahlte:
Ich war zwei Wochen in einer Grube, die mit Stöcken abgedeckt war. Sie holten mich heraus, um mich zu schlagen. Sie banden mich an einen Baumstamm und schlugen mich mit Stöcken – auf den Kopf, den Rücken, die Beine. Sie kündigten an, dass sie mich töten würden.
Ein Zeuge von Zwangsarbeit:
Die FNI-Kämpfer gehen jeden Morgen von Tür zu Tür. Sie suchen nach jungen Leuten und nehmen ungefähr 60 mit zum Fluss, um Gold zu suchen. Sie werden zur Arbeit gezwungen. Wenn Obrigkeiten etwas dagegen tun wollen, werden sie geschlagen.
Jemand der Folter durch General Jérôme erlebte:
Sie sagten, das Gold sein für General Jérôme, weil er das Geld brauchte, um ein Haus zu bauen. Sie drohten, mich zu töten, wenn ich ihnen kein Geld gäbe. Am fünften Tag kam Jérôme mit seinen Offizieren ins Gefängnis und zielte mit seiner Pistole auf mich. Er meinte: „Schon am ersten Tag habe ich gesagt, dass ich dich töte. Ich mache keine Scherze. Heute ist der letzte Tag deines Lebens.“ Sie holten mich aus meiner Grube und ich lag am Boden, als Jérôme seinen Revolver lud und ihn mir an den Nacken hielt.
Ein Bergbauingenieur in Durba, wo auch die ugandische Armee war:
Ugandas Armee war für die Zerstörung der Gorumbwa Goldmine verantwortlich. Sie schürften auch in den Stützpfeilern nach Gold – ohne Konzept und in weiten Teilen der Mine. Letztendlich stürzte die Mine ein und Menschen starben. Es war nicht in ihrem Land, also kümmerte es sie nicht.
Ein Arbeiter auf die Frage, warum er in den gefährlichen Minen arbeite:
„Welche Wahl habe ich? Das ist die einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen. Es geht um mein Überleben und um das meiner Familie.“
Ein Vertreter der kongolesischen Regierung:
„Wir müssen zusehen wie die Ressourcen unseres Landes verschwinden, ohne Nutzen für die Bevölkerung.“
Charles Carter, Vizepräsident von AngloGold Ashanti:
„Wir haben mit den Vorbereitungen für die Bohrungen in Kimin in der Ituri-Region begonnen. Das ist offensichtlich derzeit ein schwieriges Gebiet, aber wir freuen uns, unsere Grundstücke im Kongo erkunden zu können. Wir glauben, dass wir unter Umständen sehr gute Wachstumspotentiale in Zentralafrika haben.“
Ein Beobachter der Geschehnisse in den Bergbauregionen:
„Njabu [Präsident der FNI] hat durch seine Kontrolle über das Gold und die Anwesenheit von AngloGold Ashanti so viel Einfluss. Das ist sein As und er wird es ausspielen, um in Kinshasa an die Macht zu kommen.“