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(Washington, DC, 12. Januar 2017) – Der Aufstieg populistischer Politiker in den USA und in Europa stellt eine akute Bedrohung für den Schutz grundlegender Rechte dar und ermutigt Autokraten auf der ganzen Welt zu weiteren Menschenrechtsverletzungen, so Human Rights Watch heute anlässlich der Veröffentlichung des World Report 2017. Durch den Sieg Donald Trumps bei den Präsidentschaftswahlen in den USA, dessen Kampagne Hass und Intoleranz geschürt hatte, und durch den wachsenden Einfluss von Parteien in Europa, die universelle Rechte ablehnen, ist das Menschenrechtssystem der Nachkriegszeit akut bedroht.

World Report 2017. Cover: Men carrying babies make their way through the rubble of destroyed buildings after an airstrike on the rebel-held Salihin neighborhood of Syria’s northern city of Aleppo, September 2016. © 2016 Ameer Alhalbi/Agence France Presse/Getty Images

In Russland, in der Türkei, auf den Philippinen und in China setzten autokratische Staatschefs ihre eigene Machtfülle an die Stelle von Rechtsstaatlichkeit und Rechenschaftspflicht als Garanten für Sicherheit und Wohlstand. Diese konvergierenden Entwicklungen wurden durch Propagandaoperationen unterstützt, durch die Rechtsnormen verunglimpft und sachliche Analysen geschmäht wurden. Sie sind ein direkter Angriff auf die Gesetze und Institutionen, die Würde, Toleranz und Gleichheit fördern sollen.

In dem 687-seitigen World Report, der in diesem Jahr zum 27. Mal erscheint, fasst Human Rights Watch die wichtigsten Menschenrechtsentwicklungen in mehr als 90 Ländern weltweit zusammen. In seinem einleitenden Essay beschreibt Executive Director Kenneth Roth, wie eine neue Generation autoritärer Populisten versucht, den Menschenrechtsschutz zu untergraben. Rechtsnormen werden nicht mehr als unentbehrliche Grenzen für die Vollmachten des Staates anerkannt, sondern wie ein Hindernis für den Mehrheitswillen behandelt.

„Der Aufstieg des Populismus bedroht die Menschenrechte im Innersten“, so Roth. „Trump und verschiedene Politiker in Europa versuchen mit Rassismus, Fremdenhass, Frauenfeindlichkeit und Nativismus an die Macht zu kommen. Sie alle behaupten, die Öffentlichkeit akzeptiere Menschenrechtsverletzungen als angebliche Notwendigkeit, wenn dadurch Arbeitsplätze gesichert, kulturelle Veränderungen verhindert oder Terroranschläge gestoppt werden. Diese Geringschätzung der Menschenrechte kann mit großer Wahrscheinlichkeit in die Tyrannei führen.“

Als eindringliches Beispiel für die Politik der Intoleranz bezeichnete Roth den Wahlkampf von Donald Trump in den USA. Mit einer Rhetorik, die grundlegende Prinzipien von Würde und Gleichheit ablehnt, erreicht Trump jene Menschen, die unzufrieden mit ihrer wirtschaftlichen Lage und der zunehmend multikulturellen Gesellschaft waren. Seine Wahlkampagne brachte Ideen ins Gespräch, die Millionen Menschen schaden könnten, etwa Pläne zur massenhaften Abschiebung von Einwanderern, zur Beschneidung von Frauenrechten und Pressefreiheit oder zum Einsatz von Folter. Falls Trump sich nicht von diesen Vorhaben lossagt, droht seine Regierung innenpolitisch schwere Menschenrechtsverletzungen zu begehen und sich außenpolitisch von dem bewährten überparteilichen Konsens zu lösen, wonach die Menschenrechte die Grundlage der Außenpolitik bilden müssen – so unzureichend dies bisweilen auch umgesetzt wurde.

In Europa versuchten Populisten in ähnlicher Weise, die Migration für wirtschaftliche Verwerfungen verantwortlich zu machen. Das wohl bekannteste Beispiel hierfür war die Kampagne für den Brexit.

Statt Menschen, die vor Verfolgung, Folter und Krieg fliehen, zum Sündenbock zu machen, sollten Regierungen in die Integration und in die volle gesellschaftliche Teilhabe der Einwanderer investieren. Vertreter des Staates sind verpflichtet, Hass und Intoleranz zurückzuweisen und sich für eine unabhängige und unparteiische Justiz stark zu machen, die schutzbedürftige Minderheiten vor gezielter Verfolgung schützt.


Die von den Populisten angestachelten Gefühle des Moments vernebeln, welche langfristigen Folgen eine autoritäre Herrschaft für die Gesellschaft hat. In Russland verfolgte Wladimir Putin nach den öffentlichen Unmutsbekundungen im Jahr 2011 eine repressive Agenda mit drakonischen Einschränkungen der Rede- und Versammlungsfreiheit, beispiellosen Strafen für Kritik im Internet und Gesetzen, die den Handlungsspielraum unabhängiger Vereinigungen erheblich einschränken. Chinas Staatschef Xi Jinping ging, beunruhigt über die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, so hart gegen Kritiker vor, wie seit der Tiananmen-Ära nicht mehr.
 

In Syrien hat Präsident Baschar al-Assad mit Unterstützung Russlands, des Irans und der Hisbollah seine völkerrechtswidrige Strategie verfeinert, Zivilisten in den Oppositionsgebieten anzugreifen und sich damit über elementare Verpflichtungen in Rahmen des Kriegsvölkerrechts hinwegzusetzen. Streitkräfte des selbst erklärten Islamischen Staats (auch ISIS) griffen routinemäßig Zivilisten an und exekutierten Gefangene. Sie unterstützen Anschläge auf Zivilisten in der ganzen Welt oder führten diese selbst aus.
 

Mehr als 5 Millionen syrische Flüchtlinge begegnen entmutigenden Hindernissen, wenn sie sich in Sicherheit bringen wollen. Jordanien, die Türkei und der Libanon bieten zwar Millionen Syrern Zuflucht, für Neuankömmlinge sind ihre Grenzen jedoch weitgehend geschlossen. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben es nicht geschafft, die Verantwortung für Asylsuchende fair zu verteilen oder sichere Einreisewege für Flüchtlinge zu schaffen. Obwohl die USA jahrelang eine Führungsrolle bei der Aufnahme von Flüchtlingen eingenommen haben, nahmen sie im vergangenen Jahr nur 12.000 syrische Flüchtlinge auf. Donald Trump hat angedroht, das Aufnahmeprogramm zu stoppen.

In Afrika ließ eine bestürzend hohe Zahl von Staatschefs Amtszeitbegrenzungen aufheben, um an der Macht bleiben zu können. Dies wird auch als „verfassungsmäßiger Putsch“ bezeichnet. Andere reagierten mit Gewalt, wenn es zu Protesten gegen unfaire Wahlen oder ihre korrupte bzw. räuberische Regierungsführung kam. Mehrere afrikanische Staatschefs, die sich durch eine mögliche Strafverfolgung bedroht fühlten, übten harsche Kritik am Internationalen Strafgerichtshof, und drei Länder kündigten an, sich vom Gerichtshof zurückzuziehen.


Diesen weltweiten Angriffen muss eine energische Beteuerung und Verteidigung der Werte entgegengesetzt werden, auf denen das System der Menschenrechte aufbaut. Doch zu viele Amtsträger scheinen den Kopf in den Sand zu stecken und abzuwarten, dass der Sturm des Populismus sich von selbst legt. Andere eifern den Populisten nach, um sich die Deutungshoheit über ihre Botschaft zu sichern. Tatsächlich verstärken sie diese so jedoch. Regierungen, denen die Menschenrechte angeblich wichtig sind, sollten sie weitaus energischer und beständiger verteidigen. Dies schließt auch die Demokratien in Lateinamerika, Afrika und Asien ein, die zwar allgemeine Initiativen bei den Vereinten Nationen unterstützen, sich aber nur selten selbst an die Spitze stellen, wenn es um konkrete Konflikte in bestimmten Staaten geht.

                                                                                               

Letztendlich trägt auch die Öffentlichkeit eine Verantwortung. Demagogen gewinnen Zuspruch, indem sie falsche Erklärungen und wertlose Lösungsansätze für reale Probleme anbieten. Das beste Gegenmittel ist eine Öffentlichkeit, die eine Politik auf der Grundlage der Wahrheit und der Werte einfordert, auf denen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie aufgebaut wurden. Eine starke Reaktion der Öffentlichkeit, die alle verfügbaren Instrumente nutzt – zivilgesellschaftliche Vereine, politische Parteien sowie traditionelle und soziale Medien – ist der beste Schutz für diese Werte, die so viele Menschen auch heute noch hochhalten.
 

„Es ist zu unserem eigenen Schaden, wenn wir die Demagogen vergangener Zeiten vergessen – Faschisten, Kommunisten und andere, die behaupteten, über ein privilegiertes Verständnis der Interessen der Mehrheit zu verfügen, aber das Individuum letzten Endes erdrückten“, so Roth. „Wenn Populisten das Recht wie ein Hemmnis für ihre Vision des Mehrheitswillens behandeln, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie sich gegen all jene wenden, die ihrer Agenda widersprechen.“
 

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