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(New York, 8. Oktober 2010) – Die Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises an den chinesischen Schriftsteller und Menschenrechtler Liu Xiaobo unterstreicht die Notwendigkeit von Menschenrechtsreformen in China, so Human Rights Watch.

Human Rights Watch wiederholte die seit langem erhobene Forderung, Xiaobo, den ein Pekinger Gericht am 25. Dezember 2009 zu einer elfjährigen Haftstrafe verurteilt hatte, freizulassen. Gegen den 54-Jährigen war eine fadenscheinige Anklage wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ erhoben worden, weil er an der Abfassung und Verbreitung der „Charta '08“ beteiligt gewesen war. Die Online-Petition spricht sich dafür aus, Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ins Zentrum des chinesischen Staatswesens zu stellen, und fand große Verbreitung im Internet. Neben den 303 ursprünglichen Unterzeichnern, unter ihnen Menschenrechtler und Rechtsanwälte, haben die Petition bis heute Tausende Menschen mit ihrer Unterschrift unterstützt. Vor seiner offiziellen Verhaftung am 23. Juni 2009 war Xiaobo seit dem 8. Dezember 2008 in Isolationshaft festgehalten worden.

„Diese Auszeichnung wird die chinesische Regierung sicherlich in Wut versetzen, weil sie ihre Menschenrechtspolitik erneut ins Zentrum der internationalen Debatte rückt“, so Sophie Richardson, Advocacy-Direktorin der Asien-Abteilung von Human Rights Watch. „Doch die Entscheidung des Nobelkomitees gilt nicht nur Xiaobos unerschrockenem Eintreten für die Menschenrechte. Sie ehrt auch all jene, die in China dafür kämpfen, dass die Regierung für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden kann.“

In der vergangenen Woche hatte Liu Xiaobo für sein außergewöhnliches Engagement bereits den von Human Rights Watch verliehenen Alison Des Forges Award 2010 erhalten.

Nach Einschätzung von Human Rights Watch war die Inhaftierung Xiaobos politisch motiviert und erfüllte nicht die Mindeststandards der fairen Verfahrensführung. Der ehemalige Literaturprofessor hatte bereits nach den Protesten auf dem Tiananmen-Platz im Juni 1989 zwei Jahre im Gefängnis verbracht. Nach seiner Festnahme im Dezember 2008, die auch verfahrensrechtliche Mindestgarantien im chinesischen Recht verletzte, richtete eine Gruppe prominenter Fürsprecher, unter ihnen mehrere Nobelpreisträger, ein Schreiben an den chinesischen Staatspräsident Hu Jintao, in dem Xiaobos Freilassung gefordert wird.

Xiaobos Verhaftung ist ein weiteres Anzeichen für die politische Verhärtung in China, die im Vorfeld der Olympischen Spiele 2008 in Peking begonnen hat. Seitdem hat die Regierung prominente Kritiker unter haltlosen Anschuldigungen wegen Geheimnisverrat oder „Untergrabung der Staatsgewalt“ zu langjährigen Haftstrafen verurteilen lassen, die Pressefreiheit und die freie Meinungsäußerung im Internet weiter eingeschränkt und die Überwachung von Rechtsanwälten, Menschenrechtlern und Nichtregierungsorganisationen verstärkt. Zudem hat die chinesische Regierung seit Anfang 2007 auch ihre Kontrolle der uigurischen und tibetischen Minderheiten intensiviert. Sowohl in Xinjiang als auch in Tibet ist die Anzahl der willkürlichen Inhaftierungen und der Fälle des „Verschwindenlassens“ von Personen stark gestiegen. Zudem werden weiterhin Menschen in geheimen Haftanstalten, sogenannten „schwarzen Gefängnissen“, festgehalten.

„Das Nobelkomitee hat in diesem Jahr die wichtige Entscheidung getroffen, auf einen Missstand hinzuweisen, den nur wenige Menschen in China wahrhaben wollen: Die andauernde Verfolgung von Menschenrechtlern, Rechtsanwälten und Journalisten“, so Richardson. „Liu Xiaobo verkörpert die Ideale des Friedensnobelpreises, weil er niemals von seinen Überzeugungen abgerückt ist, seine Ideale gegenüber den Mächtigen friedlich vertreten und ihnen keine Wahrheit erspart hat.“

Human Rights Watch rief die chinesische Regierung erneut auf, Xiaobo und andere inhaftierte oder „verschwundene“ Regimekritiker wie Hu Jia, Gao Zhisheng, Tan Zuoren und Huang Qi freizulassen. Xiaobos Bekanntheit sollte nicht den Blick darauf verstellen, dass wie er noch unzählige andere Oppositionelle unter ähnlicher oder noch schlimmerer Verfolgung leiden.

„Die chinesische Regierung sollte Liu Xiaobo als den anerkennen, den das Nobelkomitee geehrt hat: Er ist kein Feind oder Schandfleck, sondern eine mutige Stimme für China“, so Richardson.

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