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Bangladeshi worker at a garment factory on the outskirts of Dhaka, Bangladesh, on November 2, 2022. © 2022 Habibur Rahman/Abaca/Sipa USA (Sipa via AP Images)

Über drei Jahre lang haben die europäischen Institutionen hart daran gearbeitet, ein bahnbrechendes EU-Lieferkettengesetz zu erarbeiten und auszuhandeln—die Corporate Sustainability Due Diligence Directive. Das Ziel des Gesetzes ist, Menschenrechts- und Umweltschäden in globalen Lieferketten von Unternehmen zu verhindern und zu bekämpfen. Mitte Dezember wurde die mühsam errungene Einigung zwischen dem EU-Rat und dem EU-Parlament über einen Gesetzesentwurf noch von vielen gefeiert. Doch jetzt, kurz vor der Ziellinie, droht es an der FDP zu scheitern.

Es ist seit langem klar, dass freiwillige Richtlinien für Unternehmen nicht ausreichen. Kinderarbeit und Zwangsarbeit, Ausbeutung und mangelnde Sicherheitsstandards, Umweltverschmutzung und andere Mißstände sind in globalen Wertschöpfungsketten an der Tagesordnung, wie Human Rights Watch und anderen vielfach dokumentiert.

In einer Kehrtwende von ihrer bisherigen Zustimmung beruft sich die FDP nun auf "unverhältnismäßige bürokratische Hürden" in dem Gesetzesentwurf. Die Blockade der FDP bedeutet, daß sich die Bundesregierung bei der Abstimmung im EU-Rat enthalten wird, obwohl Sozialdemokraten und Grüne das Gesetz unterstützen.

Eine deutsche Enthaltung bei der Abstimmung über das EU-Lieferkettengesetz wäre ein verheerendes politisches Signal aus dem Land, das gerade sein eigenes Lieferkettengesetz verabschiedet hat. Und es würde die Glaubwürdigkeit Deutschlands gefährden - schließlich waren sich die Politiker*innen der Ampel im Koalitionsvertrag einig, dass das EU-Lieferkettengesetz verabschiedet werden sollte. Auch haben sie sich aktiv an den Verhandlungen beteiligt und den letzten Entwurf mitgestaltet.

Es besteht außerdem das Risiko, daß andere EU-Länder ihre Position überdenken werden und ihre Unterstützung für das EU-Lieferkettengesetz zurückziehen, wenn sich Deutschland der Stimme enthält—es könnte einem Dominoeffekt kommen.

Die FDP stellt sich als eine liberale Partei dar, die die Interessen der Wirtschaft vertritt. Aber das Eu-Lieferkettengesetz ist nicht gegen wirtschaftliche Interessen gerichtet. Tatsächlich haben sich 73 Unternehmen für ein europäisches Lieferkettengesetz ausgesprochen, und der deutsche Textilkonzern Vaude hat in Reaktion auf die FDP-Entscheidung richtiggestellt: "Nein, die FDP spricht nicht für uns Unternehmen". Im Europaparlament unterstützt die liberale Fraktion Renew - zu der auch die FDP gehört – das EU-Lieferkettengesetz.

Das Gesetz würde große Unternehmen für menschenrechtliche und umweltbezogene Auswirkungen in ihren globalen Wertschöpfungsketten zur Verantwortung ziehen. Das Gesetz sieht vor, dass Betroffene von Menschenrechtsverletzungen in jedem Land vor Gericht gehen können und daß Unternehmen für Verstöße gegen ihre Verpflichtungen haftbar gemacht werden können. Auch wenn das Gesetz noch Lücken aufweist, wird es den Druck auf die Unternehmen verstärken, Menschenrechte zu respektieren, und es wird für gleiche Wettbewerbsbedingungen in ganz Europa sorgen.

Rund 450 Millionen Menschen arbeiten in globalen Lieferketten in verschiedenen Wirtschaftszweigen. Human Rights Watch hat Menschenrechtsverletzungen in Textilfabriken in Bangladesh, Pakistan,und Kambodscha, in Gold- und Bauxitminen in Guinea, Ghana, und auf den Philippinen sowie in der Landwirtschaft und im Bau dokumentiert. Bei seinen Untersuchungen hat Human Rights Watch außerdem herausgefunden, dass Audits und Zertifizierungen oftmals nicht ausreichem, um Mißstände in globalen Lieferketten aufzudecken, zu verhindern und zu beheben. Viele globale Unternehmen verlassen sich auf Audits und Zertifizierungen, wenn sie ihre Produkte aus der ganzen Welt beziehen.

Wirtschaft und Menschenrechte sind kein Widerspruch. In unserer modernen, globalisierten Welt sind Gesetze zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette ein wichtiges Instrument, um sicherzustellen, dass Unternehmen keine Mißstände verursachen oder zu ihnen beitragen, im Einklang mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Deutschland sollte das EU-Lieferkettengesetz unterstützen.

Damit dies geschieht, muss Bundeskanzler Scholz in dieser Angelegenheit entscheiden und beschließen, dass die Bundesregierung das Gesetz trotz des Widerstands der FDP unterstützt. Das europäische Lieferkettengesetz ist eine Herzensangelegenheit der deutschen Sozialdemokraten. Jetzt muss Scholz aktiv werden und dazu beitragen, dass Unternehmen in Zukunft Menschenrechte und die Umwelt respektieren.

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