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Chinas Präsident Xi Jinping, vordere Reihe Mitte, mit anderen Offiziellen beim Gesang der "Internationale" bei der Abschlusszeremonie des 19. Parteitags in der Großen Halle des Volkes in Peking, 24. Oktober 2017. © 2017 AP Photo/Ng Han Guan, File

(New York) – Regierungen auf der ganzen Welt sollten sich dafür einsetzen, dass Peking während der neuen Amtszeit von Präsident Xi Jinping die Menschenrechte innerhalb und außerhalb Chinas respektiert, so Human Rights Watch heute. Die regierende Kommunistische Partei Chinas hält am 16. Oktober 2022 ihren 20. Parteitag ab, auf dem Xi Jinping seine Macht weiter festigen und eine dritte Amtszeit als Parteichef anstreben wird.

„Die bahnbrechende dritte Amtszeit von Präsident Xi verheißt nichts Gutes für die Menschenrechte in China und auf der ganzen Welt“, sagte Yaqiu Wang, leitende China-Forscherin bei Human Rights Watch. „Da der Raum für zivilgesellschaftlichen Aktivismus in China weiter schrumpft, muss die internationale Gemeinschaft unbedingt konsequente Maßnahmen ergreifen, um Xis Menschenrechtsverletzungen einzuschränken.“

Ein Paradebeispiel für die Auswirkungen autoritärer Herrschaft auf die Menschenrechte ist die Tatsache, dass die chinesische Regierung selbst dann, als wirksame Therapeutika und Impfstoffe für Covid-19 verfügbar waren, ihre Covid-19-Beschränkungen noch verschärfte und im Rahmen ihrer menschenrechtsverletzenden „Zero-Covid“-Politik Hunderte von Millionen Menschen wiederholt und auf unvorhersehbare Weise einschränkte.

Die drakonischen Maßnahmen verwehren Menschen den Zugang zu medizinischer Versorgung, Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Gütern. Eine unbekannte Zahl von Menschen starb, nachdem ihnen die medizinische Behandlung von nicht-covidbedingten Krankheiten verweigert worden war. Einige sprangen aus Massenquarantänestationen oder Wohngebäuden, die abgeriegelt waren, in den Tod. Diese Abriegelungen verursachten auch wirtschaftlichen Schaden, da Unternehmen gezwungen waren, sich zu verkleinern oder zu schließen und Arbeitsplätze und Löhne zu streichen. Dennoch gibt es kaum Anzeichen dafür, dass die Behörden Beschränkungen wie Abriegelungen und verlängerte Quarantänen aufheben.

In den zehn Jahren seit Xis Amtsantritt Ende 2012 haben die Behörden die chinesische Zivilgesellschaft dezimiert, zahlreiche Regierungskritiker*innen festgenommen, die Meinungsfreiheit stark eingeschränkt und Massenüberwachungstechnologien zur Kontrolle der Bürger*innen eingesetzt. Die kulturelle Verfolgung durch die Behörden, die willkürliche Inhaftierung von einer Million Uigur*innen und anderen turkstämmigen Muslimen und andere Übergriffe seit 2017 stellen Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. In Hongkong hat die Regierung im Jahr 2020 drakonische Gesetze zur nationalen Sicherheit eingeführt und die Freiheiten der Stadt systematisch abgebaut. All dies erschwert es den Bürger*innen, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen, und es gibt für sie praktisch keine Möglichkeit der Teilhabe an der Entscheidungsfindung der Regierung.

Im Juli erreichte die Arbeitslosenquote der 16- bis 24-Jährigen in China ein Rekordhoch von 20 Prozent. Die Verkündung des Nationalen Statistikamtes, dass die Zahl der Arbeitnehmer*innen mit „flexibler Beschäftigung“ bis zum Jahr 2021 auf 200 Millionen angestiegen war, stieß auf allgemeinen Spott. Im Internet warfen Menschen der Regierung vor, die Realität des Mangels an Beschäftigungsmöglichkeiten und sozialem Schutz in ein Narrativ über persönliche Entscheidungen zu verdrehen.

Human Rights Watch ist besonders besorgt über die Auswirkungen von Xis unvorhersehbarer Covid-19-Politik auf die wirtschaftlichen und sozialen Rechte derjenigen, die sich bereits in einer prekären wirtschaftlichen Situation befinden und aufgrund von sozioökonomischen Ungleichheiten und Diskriminierung häufig stärker von finanziellen Krisen betroffen sind.

Viele Arbeitsmigrant*innen sind bereits in großer Not, da ein Mangel an Beschäftigung oft bedeutet, dass sie kein Einkommen haben, wenn sie nicht sozialversichert sind. Sie erhalten somit keine Leistungen, wenn ihr Einkommen ausbleibt oder unzureichend ist, etwa aufgrund von Krankheit, Behinderung, Mutterschaft, Arbeitsunfall oder Arbeitslosigkeit.

Arbeitnehmer*innen in der Gig-Economy unterzeichnen in der Regel keine formellen Arbeitsverträge, und viele Arbeitgeber führen keine Sozialversicherungsbeiträge für sie ab, obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Unternehmen werden nur selten bestraft, wenn sie diese Zahlungen nicht leisten, da die lokalen Behörden aus Gründen der wirtschaftlichen Entwicklung lange Zeit vermieden haben, die Einhaltung der Vorschriften zu prüfen.

Im Jahr 2021 erhielten nur 6,1 Millionen Arbeitnehmer*innen Arbeitslosenunterstützung, während die offizielle Zahl der Arbeitslosen in den Städten bei etwa 24 Millionen liegt. Darin sind die zig Millionen Menschen, die aufgrund der Pandemie unterbeschäftigt oder unbezahlt beurlaubt waren, nicht berücksichtigt.

In Ruili, einer Grenzstadt in der Provinz Yunnan, mussten die Einwohner*innen von März 2021 bis April 2022 sieben verschiedene Abriegelungen über sich ergehen lassen. Sie waren 119 Tage lang in ihren Häusern eingeschlossen und durften diese nur für die vorgeschriebenen Covid-Tests verlassen. In Shanghai, einem Handelszentrum mit 25 Millionen Einwohner*innen, mussten die Menschen von März bis Mai eine ähnlich strenge Abriegelung über sich ergehen lassen. Chengdu, eine Stadt mit 21 Millionen Einwohner*innen, wurde im September für zwei Wochen abgeriegelt. Im Oktober untersagten die Behörden von Xinjiang den Einwohner*innen, die Region zu verlassen, nur Wochen nach der letzten Abriegelung, die in Teilen von Xinjiang über einen Monat andauerte. In Lhasa gilt seit August eine strenge Ausgangssperre.

In ganz China berichteten zahlreiche Menschen in den sozialen Medien, dass sie aufgrund finanzieller Schwierigkeiten keinen Zugang zu Lebensmitteln, Medikamenten und anderen Dingen des täglichen Bedarfs hätten. Viele haben während der Pandemie ihren Arbeitsplatz verloren, und die Abriegelungen haben die Preise für Gemüse und andere Lebensmittel in die Höhe getrieben.

Im August erstach sich ein Lebensmittellieferant vor seinem Auslieferungszentrum, um gegen eine Geldstrafe zu protestieren, nachdem er gekündigt und seinen nicht gezahlten Lohn von Ele.me, einem großen Lebensmittellieferanten, eingefordert hatte.

Im September, als Chengdu nach einer Reihe von Covid-19-Fällen abgeriegelt worden war, wurde ein 16-jähriges Mädchen auf einer Überwachungskamera dabei ertappt, wie sie die Essenslieferung eines Nachbarn stahl. Es stellte sich heraus, dass sie kein Geld hatte, weil das Internetcafé, in dem sie gearbeitet hatte, geschlossen werden musste und sie für frühere Arbeiten nicht bezahlt wurde. Ein Mann, fiel in Ohnmacht, als er für einen Covid-Test anstand. Berichten zufolge hatte er tagelang nichts gegessen, weil er arbeitslos war und kein Geld hatte.

Zwar verbreiten sich Vorfälle wie diese rasch über die sozialen Medien, die zunehmende Internetzensur lässt jedoch vermuten, dass es sich dabei nur um einen Bruchteil derartiger Ereignisse handelt.

Nach internationalen Menschenrechten sind Regierungen verpflichtet, das Recht auf soziale Sicherheit und einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Das bedeutet, das Recht auf ausreichend und angemessene Nahrung, Gesundheit und Wohlbefinden, Wasser und sanitäre Einrichtungen sowie auf Wohnraum zu schützen und jedem Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Die chinesische Regierung muss sicherstellen, dass alle Menschen gleichen Zugang zu diesen Rechten haben, ohne Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Alter oder Behinderung.

Chinas Wirtschaftskrise führt zu einer Schwächung der bereits stark eingeschränkten bürgerlichen und politischen Rechte, da die Behörden auf Online- und Offline-Proteste mit mehr Zensur, willkürlichen Verhaftungen und Razzien reagieren. Im Juni verprügelten die Behörden von Henan Menschen, die ihre Ersparnisse von Banken abheben wollten, die in eine Liquiditätskrise geraten waren. Die Behörden manipulierten auch die Covid-19-Apps von Demonstrierenden, um ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken. Im September schlossen die Behörden die Online-Kommentarfunktion mitten in der Live-Übertragung des China-ASEAN-Forums für Gesundheitskooperation, nachdem zahlreiche Hilferufe im Forum gepostet wurden. Sie kamen von Menschen aus Dongxing, einer Stadt in der Provinz Guangxi, die lange Zeit abgeriegelt war.

Da die Möglichkeiten der Bürger*innen, die chinesische Regierung für ihre Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen, immer mehr eingeschränkt werden, müssen sich ausländische Regierungen und multilaterale Institutionen für den Schutz der Menschenrechte einsetzen. Beispielsweise indem sie die Freilassung inhaftierter Menschenrechtsaktivist*innen fordern, in Open-Source-Technologien investieren, die es den Menschen in China ermöglichen, die Zensur leichter zu umgehen, und Importe von Produkten verbieten, die durch Zwangsarbeit in China hergestellt wurden. In China tätige ausländische Unternehmen sollten eine Due-Diligence-Prüfung im Bereich der Menschenrechte durchführen und veröffentlichen, um sicherzustellen, dass ihre Aktivitäten im Einklang mit den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte stehen.

„Chinas menschenrechtsverletzende und weithin unpopuläre Null-Covid-Politik und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft zeigen, dass politische Rechte und wirtschaftliche Rechte eng miteinander verknüpft sind“, sagte Wang. „Ein politischer Führer mit unkontrollierbarer Macht über Bürger*innen, denen ihre Rechte vorenthalten werden, ist gefährlich, nicht nur für China, sondern für die ganze Welt.“

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