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Die französischen Journalisten Thomas Dandois und Valentine Bourrat mussten schmerzlich am eigenen Leib erfahren, wie riskant es ist, die Blockade der indonesischen Regierung in Bezug auf die Berichterstattung über die fernöstliche Provinz Papua herauszufordern.

Die zwei Journalisten, die an einer Dokumentation über die von Unruhen geprägte Provinz für den deutsch-französischen TV-Sender Arte gearbeitet haben sollen, sind seit dem 6. August in der Hauptstadt Jayapura von der Polizei unter Hausarrest gestellt. Ihnen wird „illegales Arbeiten" ohne eine offizielle Medienakkreditierung vorgeworfen. Die Lage der beiden Journalisten könnte sich noch verschlimmern. Polizeibeamte in Papua haben angedeutet, dass den Journalisten eventuell auch „Staatsgefährdung" vorgeworfen werden könnte. Dandois und Bourrat sind die neuesten Opfer der Jahrzehnte alten Politik der indonesischen Regierung, ausländische Medien an der Berichterstattung aus Papua zu hindern. Reportern wird es praktisch unmöglich gemacht, frei und auf legale Weise aus der Provinz zu berichten.

Die indonesische Regierung unterbindet die Arbeit von ausländischen Medien in Papua, indem sie nur jenen Journalisten Zugang gestattet, die eine spezielle offizielle Erlaubnis haben, die Insel zu besuchen. Die Regierung genehmigt nur selten Anträge auf Einreise ausländischer Medien in Papua oder verzögert die Bearbeitung solcher Anträge und behindert so die Bemühungen von Journalisten und zivilgesellschaftlichen Gruppen, über wichtige aktuelle Ereignisse zu berichten. Die Journalisten, denen eine offizielle Genehmigung erteilt wird, werden ständig von Aufsichtspersonal begleitet, die jeden ihrer Schritte sowie den Zugang zu Interviewpartnern streng kontrollieren.

Die indonesische Regierung macht kein Geheimnis aus ihrer feindseligen Haltung gegenüber ausländischen Medien, die versuchen, die Hürden für die Berichterstattung aus Papua zu umgehen. Sulistyo Pudjo Hartono, Polizeisprecher der Papua Provinz, sagte, Dandois und Bourrat seien möglicherweise „Teil eines Plans, Unsicherheit und Instabilität in Papua zu kreieren“. Sulistyo Pudjo behauptete, ausländische Medien kämen nach Papua, um „vorsätzlich die Sicherheitslage in der Provinz zu manipulieren." Diese Behauptung bezog er dann konkret auf die Arte TV-Journalisten, indem er sein Bedenken äußerte, dass sie „Teil eines Vorhabens sind, Papua zu destabilisieren."

Obwohl die Regierung lokalen Medien gestattet, aus Papua zu berichten, bestehen angesichts der Bestrebungen, den Informationsfluss dort zu kontrollieren, jedoch ernsthafte Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Berichte. Offizielle Dokumente, die 2011 an die Öffentlichkeit gelangten, deuten darauf hin, dass das indonesische Militär etwa zwei Dutzend indonesische Journalisten in Papua als Informanten benutzt. Diese Entdeckung erweckte  Zweifel an der Objektivität der Berichterstattung dieser Journalisten. Weiterhin hat das Militär Journalisten und Blogger finanziert und ausgebildet und diese vor angeblichen Einmischungen des Auslands, darunter der Regierungen der USA und anderen Staaten, gewarnt.

Die Regierung hat viel vor Journalisten wie Dandois und Bourrat zu verbergen. Menschenrechtsverletzungen sind in Papua nach wie vor weit verbreitet. Allein in den letzten drei Jahren hat Human Rights Watch Dutzende Fälle dokumentiert, in denen die Polizei, das Militär, Geheimdienstmitarbeiter und Gefängniswärter exzessive Gewalt gegenüber Einwohnern Papuas angewendet haben, die friedlich ihr Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ausübten.

Man muss nur Menschen in der Stadt Waghete fragen. Hier hatten Beamte der National Police's Mobile Brigade ("Brimob") auf eine Steine werfende Menschenmenge gefeuert. Dabei wurde ein 17-jähriger Student getötet und drei weitere Personen schwer verletzt. Die Polizei stellte Wachposten am Krankenhaus auf, in dem die Verletzten behandelt wurden. Besucher mussten ihre Mobiltelefone am Eingang abgeben. Angeblich konfiszierte die Polizei das Mobiltelefon einer Krankenschwester, die damit Fotos von den Verletzungen der Opfer gemacht hatte.

Der Vorfall in Waghete, den die indonesische Regierung bislang nicht untersucht hat, ist nur einer von vielen besorgniserregenden Fällen von Gewalt und Straffreiheit, die das Leben in Papua prägen, seit das indonesische Militär im Jahr 1963 dort Truppen stationiert hatte, um eine seit langem brodelnde Unabhängikeitsbewegung zu kontern.

Die separatistische Bewegung zur Befreiung von Papua (engl. Free Papua Movement, kurz: OPM) ist klein und schlecht organisiert, obwohl sie in den letzten Jahren an Struktur gewonnen hat. 2013 verschärften sich die Spannungen in Papuanach einem Angriff von mutmaßlichen OPM-Mitgliedern auf die indonsische Armee am 21. Februar. Bei dem Gewaltakt starben acht Soldaten, es war der brutalste Anschlag auf das Militär in der Region seit zehn Jahren.

Am 30. April schoss die Polizei auf eine Gruppe von Einwohnern Papuas, die sich friedlich im Bezirk Aimas, in der Nähe von Sorong, anlässlich der Proteste zum 50. Jahrestag der Machtübernahme durch Indonesien von der holländischen Kolonialmacht versammelt hatten. Zwei Männer, Abner Malagawak und Thomas Blesia, starben noch vor Ort. Ein dritter Mann, Salomina Kalaibin, starb sechs Tage später an seinen Schussverletzungen. Die Polizei nahm mindestens 22 Menschen fest. Sieben von ihnen wurden wegen Hochverrats angeklagt.

Am 6. Juni 2012 wütete ein indonesisches Militärbataillon in Wamena; 87 Häuser wurden niedergebrannt, 13 Einwohner Papuas wurden verletzt und ein Mensch getötet. Der Angriff war erfolgt, nachdem Dorfbewohner zwei Soldaten verprügelt hatten, die mit ihrem Motorrad ein Papua-Kind überfahren hatten. Einer der Soldaten starb bei der Prügelattacke. Die Polizei nahm drei Papua-Verdächtige fest. Am 12. Juni hat das Militär den Fall mit Hilfe der Steinverbrennungszeremonie „gelöst", bei der die Bevölkerung Papuas aufgefordert wurde, den Fall ruhen zu lassen. Kein einziger der Soldaten wurde angeklagt.

Im August 2011 hat das Militärgericht von Jayapura drei Soldaten vom gleichen Bataillon verurteilt, nachdem Soldaten den Pfarrer Kinderman Gire erschossen hatten, weil sie ihn für einen Papua-Separatisten hielten.

Vor Gericht behaupteten die Angeklagten, dass Pfarrer Gire sie hatte glauben lassen, er sei ein Mitglied der OPM. Er habe versucht, nach der Waffe eines der Soldaten zu greifen, der dem Pfarrer daraufhin in die Brust schoss. Den Leichnam warfen die Soldaten in einen Fluss, nachdem sie ihm den Kopf abgeschnitten hatten. Auch in diesem Fall wurde lediglich auf „Befehlsverweigerung" entschieden und das Gericht verurteilte die Soldaten entsprechend zu nur sechs, sieben und fünfzehn Monaten Freiheitsstrafe.

Zwar tagten einige Militärgerichte in Papua, um Vergehen durch Angehörige des Militärs strafrechtlich zu verfolgen, jedoch entsprechen die Anklagepunkte nicht der Schwere der Vergehen und die verantwortlichen Soldaten werden, sogar im Falle einer Verurteilung, fast nie aus dem Militärdienst entlassen.

Im Januar 2011 verurteilte ein Militärgericht in Jayapura drei Soldaten vom Batallion 753 in Nabire zu Freiheitsstrafen zwischen acht und zehn Monaten. Sie hatten zwei Bauern in Papua gefoltert und einem der beiden den Penis verbrannt. Obwohl auf einem Video zu sehen war, dass sechs Soldaten an der Tat beteiligt gewesen waren, wurde nur drei von ihnen der Prozess gemacht. Dabei wurden sie nur wegen geringfügiger Vergehen im Militärdienst und nicht wegen Folter angeklagt. Die Soldaten wurden nicht aus dem Militärdienst entlassen.

Die Regierung verhaftet zudem immer wieder Demonstranten aus Papua, die sich friedlich für die Unabhängigkeit Papuas oder andere politische Veränderungen einsetzen. Derzeit sitzen 60 Aktivisten wegen „Hochverrats" in Haft. Einer von ihnen ist Filep Karma, ein Beamter aus Papua, der eine 15-jährige Haftstrafe absitzt. Er hatte im Dezember 2004 die Morgensternflagge gehisst, ein Symbol der Unabhängigkeitsbewegung West Papuas. Die Arbeitsgruppe der UN für willkürliche Inhaftierung sagte, Karma habe in Indonesien keinen fairen Prozess erhalten und forderte die Regierung auf, Karma unverzüglich und ohne Auflagen freizulassen. Indonesien hat diese Empfehlung der UN zurückgewiesen.

Diese Vorfälle - und der „Würgegriff“ der Regierung, um die Berichterstattung darüber durch ausländische Medien zu unterbinden - haben zwar für internationale Kritik, jedoch nicht für genügend Druck gesorgt, um die Nachrichtenblockade zu beenden.

Während des Universellen Periodischen Überprüfungsverfahrens (UPR) des UN-Menschenrechtsrats im Mai 2012 hat Frankreich Indonesien dazu aufgerufen, zivilgesellschaftlichen Gruppen und Journalisten freie Einreise nach Papua zu gewähren. Großbritannien vermerkte den „Anstieg von Gewalt" in Papua und „ermutigte Indonesien, die Gewalt gegen religiöse Minderheiten zu bekämpfen und Anfragen auf Einreise von Sonderberichterstattern zu bewilligen". Österreich, Chile, die Malediven und Südkorea riefen Indonesien dazu auf, die bereits gestellten Einreiseanträge von UN-Menschenrechtsexperten und Menschenrechtsorganisationen zu bewilligen. Mexiko hat Indonesien ausdrücklich aufgefordert, die Sonderberichterstatter nach Papua einzuladen. Deutschland forderte von Indonesien, politische Gefangene, darunter auch Filep Karma, freizulassen.

Die Regierung Indonesiens um Präsident Susilo Bambang Yudhoyono weigert sich jedoch hartnäckig, die Einreisebeschränkungen für Journalisten nach Papua zu lockern. Im Juli 2013 verteidigte der indonesische Außenminister Marty Natalegawa die Blockade ausländischer Medien und warnte vor nicht namentlich genannten „Personengruppen in Papua, die darauf aus sind, internationale Aufmerksamkeit zu erlangen, indem sie internationalen Persönlichkeiten, darunter auch Journalisten, Schaden zufügen."

Es gibt Hoffnung, dass Yudhoyonos Amtsnachfolger, Joko „Jokowi” Widodo, die strenge Zensur, die Papua von den internationalen Medien isolert, lockern wird. Widodo hat die Präsidentschaftswahlen vom 9. Juli gewonnen und wird am 20. Oktober sein Amt antreten. Am 5. Juni besuchte er Papua im Rahmen seiner Wahlkampagne. Als er gefragt wurde, ob er als Präsident die Einreise von ausländischen Journalisten und internationalen Organisationen nach Papua vereinfachen würde, soll er geantwortet haben: „Warum nicht? Hier in Papua ist es doch sicher. Es gibt nichts zu verstecken." Der einzige Weg diese Behauptung zu überprüfen, besteht darin den Mantel der Zensur, der die Berichterstattung aus Papua durch ausländische Medien derzeit verhindert, zu lüften.

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