Skip to main content
Jetzt Spenden

Iran: Raketenangriffe auf israelische Zivilbevölkerung sind mutmaßliche Kriegsverbrechen

Schwere Geschosse während des 12- Tage-Konflikts schlugen weit entfernt von militärischen Zielen ein

Schäden durch einen iranischen Raketenangriff, bei dem am 15. Juni 2025 in der israelischen Stadt Bat Yam südlich von Tel Aviv neun Zivilist*innen, darunter drei Kinder, ums Leben kamen. Foto aufgenommen am 1. Juli 2025. © 2025 Human Rights Watch
  • Während des bewaffneten Konflikts im Juni 2025 trafen mindestens fünf ballistische Raketen Irans besiedelte Gebiete in Israel, was einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht darstellt und als Kriegsverbrechen untersucht werden sollte.
  • Iran feuerte die ballistischen Raketen als Gegenreaktion auf eine Reihe israelischer Angriffe auf Iran ab, welche am 13. Juni begannen und mit direkter Beteiligung der USA bis zum 25. Juni andauerten. Die iranischen Raketen trafen zivile Wohngebiete, die 1,5 bis 9 Kilometer von israelischen Militärstandorten entfernt lagen. Eine Rakete traf ein Krankenhaus.
  • Regierungen sind verpflichtet, mutmaßliche Kriegsverbrechen zu untersuchen, die durch Angehörige ihrer Streitkräfte oder auf ihrem Territorium begangen wurden. Die Verantwortlichen sollten entsprechend strafrechtlich verfolgt werden. 

(Jerusalem, 4. September 2025) – Während des bewaffneten Konflikts im Juni 2025 trafen mindestens fünf ballistische Raketen Irans besiedelte Gebiete in Israel, was einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht darstellt und als Kriegsverbrechen untersucht werden sollte, erklärte Human Rights Watch heute. Iran feuerte insgesamt 550 Raketen ab, von denen 50 in Israel einschlugen. Durch fünf dieser Raketen wurden 20 Zivilist*innen getötet und ein Krankenhaus beschädigt.

Iran feuerte die ballistischen Raketen als Gegenreaktion auf eine Reihe israelischer Angriffe auf Iran ab, welche am 13. Juni begannen und mit direkter Beteiligung der USA bis zum 25. Juni andauerten. Human Rights Watch hat fünf Angriffe dokumentiert, bei denen ballistische Raketen Irans zivile Wohngebiete trafen, die 1,5 bis 9 Kilometer von militärischen Einrichtungen in Israel entfernt lagen. Bei vier dieser Angriffe wurden Zivilist*innen in den Städten Bat Yam, Tamra, Beer Sheva und Petah Tikva getötet und verletzt. Eine Rakete traf das Soroka Medical Center in Beer Sheva, wobei Patient*innen und Mitarbeitende verletzt wurden. 

„Auch wenn während des 12-tägigen Konflikts nur relativ wenige iranische Raketen die israelische Verteidigung durchbrachen, trafen die, die es schafften, oft besiedelte Gebiete ohne erkennbare militärische Ziele“, sagte Ida Sawyer, Direktorin der Abteilung Krisen, Konflikte und Waffen bei Human Rights Watch. „Angriffe auf zivile Einrichtungen ohne militärisches Ziel sind rechtswidrig und wahllos Angriffe auf zivile Gebäude, die kein militärisches Ziel darstellen, sind rechtswidrig willkürlich. Die Verantwortlichen sind für Kriegsverbrechen zu belangen.“  

Human Rights Watch hat bereits zuvor über israelische Angriffe auf besiedelte Gebiete in Iran berichtet, die gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen.

Das israelische Militär berichtete, dass bei den iranischen Angriffen während des 12-Tage-Krieges in Israel 30 Zivilist*innen und ein Soldat, der gerade nicht im Dienst war,getötet, über 3.300 Menschen ins Krankenhaus eingeliefert – 23 davon mit schweren Verletzungen – und über 15.000 Menschen vertrieben wurden. Dem israelischen Militär zufolge hat Iran 550 ballistische Raketen abgefeuert. 36 davon hätten besiedelte Gebiete getroffen. Die übrigen seien abgefangen worden, hätten militärische Ziele oder deren Umgebung getroffen, seien außerhalb besiedelter Gebiete eingeschlagen oder hätten ihr Ziel gar nicht erst erreicht. 

Im Juni und Juli 2025 reisten Researcher*innen von Human Rights Watch zu den Orten von acht Angriffen in Israel, darunter die fünf dokumentierten und haben mit 30 Betroffenen und Zeug*innen gesprochen. Außerdem wurden Satellitenbilder analysiert sowie Fotos und Videos, die in sozialen Medien gepostet worden waren, verifiziert. Human Rights Watch hat sich am 18. August mit konkreten Fragen zu den Angriffen an die iranischen Behörden gewandt, jedoch keine Antwort erhalten. Auch von den israelischen Behörden erhielt Human Rights Watch keine Antwort auf wiederholte Bitten um eine Stellungnahme.

Human Rights Watch hat festgestellt, dass bei den iranischen Angriffen ballistische Raketen zum Einsatz kamen, die Sprengköpfe mit einem Gewicht von mehr als 500 bis 1.000 Kilogramm transportierten. Im Gegensatz zu vielen ungelenkten Raketen gelten ballistische Raketen nicht per se als willkürlich wirkende Waffen. Das Ausmaß und der Umfang der Explosionsschäden an den Gebäuden, darunter große Einschlagkrater und die daraus resultierende Schockwelle, erfordern einen Sprengkopf dieser Größe hin und hätten nicht durch Israels Raketenabwehrsystem verursacht worden sein können, so das Fazit von Human Rights Watch. 

Map showing the locations of Iranian missile strikes in Israel between June 14 and June 24, 2025, documented by Human Rights Watch between June 14 and June 24, 2025. Graphic © 2025 Human Rights Watch

In Tamra, im Norden Israels, wurden am Abend des 14. Juni die Ehefrau, zwei Töchter sowie die Schwägerin von Raja Khatib getötet, einem Anwalt und palästinensischen Staatsbürger Israels, als eine Rakete auf dem Dach seines Hauses explodierte. „Ich habe die Explosion gespürt“, sagte er. „Der Strom fiel aus. Es war furchtbar laut. Ich dachte, ich sterbe.“

In Bat Yam, einer Küstenstadt südlich von Tel Aviv, traf am 15. Juni eine Rakete ein zwölfstöckiges Wohnhaus und tötete neun Zivilist*innen, darunter drei Kinder. Der 44-jährige Elias Mughrabi, der im dritten Stock schlief, sagte, dass nach dem Angriff „drei verschiedene Wohnungen zu einer wurden […] weil alle Innenwände zwischen ihnen auf einen Schlag zerstört wurden“. 

In der südlichen Stadt Beer Sheva traf am 19. Juni eine Rakete das Soroka Medical Center. Am 24. Juni traf eine weitere Rakete die Stadt und tötete vier Zivilist*innen in einem Wohnhaus.

Die iranischen Behörden gaben vor den fünf dokumentierten Angriffen keine konkreten Warnungen heraus und berichteten auch nicht öffentlich über die beabsichtigten Ziele von vier dieser Angriffe. Der iranische Außenminister Abbas Araghchi deutete in Beiträgen auf X an, dass das Soroka Medical Center nicht das beabsichtigte Ziel gewesen sei, bezeichnete es jedoch als legitimes militärisches Ziel, ohne Gründe dafür zu nennen.

Der Konflikt zwischen Israel und dem Iran gilt nach dem humanitären Völkerrecht als internationaler bewaffneter Konflikt. Alle Konfliktparteien sind verpflichtet, zwischen Kombattanten und Zivilpersonen zu unterscheiden und Angriffe nur gegen militärische Ziele zu richten. Vorsätzliche und willkürliche Angriffe auf Zivilpersonen und zivile Objekte sowie Angriffe, die unverhältnismäßigen Schaden für die Zivilbevölkerung verursachen, sind verboten. Zu willkürlichen Angriffen zählen solche, die nicht gegen ein bestimmtes militärisches Ziel gerichtet sind, bei denen Kampfmethoden oder -mittel angewendet werden, die nicht gegen ein bestimmtes militärisches Ziel gerichtet werden, oder deren beabsichtigte Wirkungen sich nicht wie gesetzlich vorgeschrieben auf das militärische Ziel begrenzen lassen.

Personen, die in krimineller Absicht – d. h. vorsätzlich oder grob fahrlässig – schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht begehen, können wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgt werden.

Die fünf dokumentierten iranischen Raketenangriffe waren willkürlich, da es kein militärisches Ziel gab oder die Umstände es nicht zuließen, diese Waffen auf ein bestimmtes militärisches Ziel zu richten, oder die beabsichtigte Wirkung der Waffen sich nicht ausreichend auf das militärische Ziel begrenzen ließ.

Regierungen sind verpflichtet, mutmaßliche Kriegsverbrechen zu untersuchen, die durch Angehörige ihrer Streitkräfte oder auf ihrem Territorium begangen wurden. Die Verantwortlichen sollten entsprechend strafrechtlich verfolgt werden. 

Der Einsatz von Sprengwaffen mit großflächiger Wirkung, wie ballistische Raketen, in besiedelten Gebieten stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Zivilbevölkerung dar, unter anderem durch ein erhöhtes Risiko willkürlicher Angriffe. Neben der unmittelbaren Bedrohung von Zivilpersonen und zivilen Strukturen kann die Beschädigung kritischer Infrastruktur, wie Krankenhäuser, weitreichende oder langfristige Auswirkungen haben. Weder Iran noch Israel haben die politische Erklärung zum Schutz der Zivilbevölkerung von 2022 (EWIPA) unterzeichnet. Darin werden Länder verpflichtet, nationale Strategien und Maßnahmen zu verabschieden und umzusetzen, um den Einsatz von Explosivwaffen in besiedelten Gebieten einzuschränken oder zu unterlassen und so Schäden an der Zivilbevölkerung zu verringern.

„Die willkürlichen iranischen Raketenangriffe als Reaktion auf israelische Angriffe haben Dutzende Zivilist*innen in ganz Israel getötet und verletzt und das Leben vieler weiterer Menschen erschüttert“, sagte Sawyer. „Die Verantwortlichen für unrechtmäßige Angriffe beider Kriegsparteien sollten zur Rechenschaft gezogen werden.“

GIVING TUESDAY MATCH EXTENDED:

Did you miss Giving Tuesday? Our special 3X match has been EXTENDED through Friday at midnight. Your gift will now go three times further to help HRW investigate violations, expose what's happening on the ground and push for change.