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(Bangkok, 28. Januar, 2009) – Die Militärregierung in Burma soll Menschenrechtsver-letzungen gegen die Chin, eine Volksgruppe aus den gleichnamigen Bundesstaat im Westen Burmas, ein Ende setzen, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Human Rights Watch rief außerdem die indische Regierung und die neu gewählte Regierung des indischen Bundesstaates Mizoram auf, die Chin besser zu schützen. Wegen der ständigen Übergriffe und der schweren Unterdrückung in Burma sind zahlreiche Chin ins Nachbarland Indien geflohen.

In dem 93-seitigen Bericht „‘We Are Like Forgotten People’: Unsafe in Burma, Unprotected in India“ dokumentiert Human Rights Watch eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen durch die burmesische Armee und durch Regierungsbeamte. Zu den Verstößen gehören Zwangsarbeit, willkürliche Festnahmen und Freiheitsentzug, Folter, religiöse Unterdrückung und andere Einschränkungen grundlegender Rechte. Mitglieder der Chin, die sich im indischen Bundesstaat Mizoram aufhalten, werden dort zum Ziel von Diskriminierung und Gewalt durch örtliche Mizo-Gruppen und die Lokalbehörden. Viele werden gezwungen, nach Burma zurückzukehren.

„Volksgruppen wie die Chin sind schon viel zu lange die Leidtragenden der brutalen Militärdiktatur in Burma“, so Elaine Pearson, stellvertretende Direktorin der Asien-Abteilung von Human Rights Watch. „Es wird Zeit, dass dieser unmenschliche Umgang aufhört und die Armee für ihre Taten zur Verantwortung gezogen wird. Indien soll den Weg weisen und denjenigen, die verzweifelt Hilfe suchen, Schutz gewähren.“

Der detaillierte Bericht stützt sich auf umfangreiche Ermittlungen, die zwischen 2005 und 2008 vor Ort durchgeführt wurden. Human Rights Watch befragte etwa 140 Personen, darunter einige Chin, die zurzeit im Staat Chin in Burma leben, jedoch für den Grenzhandel nach Mizoram kommen. Andere Befragte haben das Land dauerhaft verlassen, die meisten innerhalb der letzten Jahre. Die Aussagen geben Einblick in die Leidensgeschichte des „vergessenen Volks“ in Burma.

Die burmesische Militärregierung lässt regelmäßig Chin festnehmen und inhaftieren, um sie einzuschüchtern und politischen Widerstand zu ersticken. Die Armee schränkt deren Freiheit in vielen Lebensbereichen ein, etwa indem sie ihre Freizügigkeit beschneidet, regelmäßig Geld, Nahrungsmittel und Eigentum von ihnen konfisziert oder erpresst, sie Zwangsarbeit unterwirft und zum Anbau bestimmter Kulturpflanzen zwingt.
„Wir sind wie Sklaven, wir müssen alles tun, was die Armee uns sagt“, beschrieb ein Chin die Situation seiner Volksgruppe gegenüber Human Rights Watch.

Der Bericht befasst sich auch mit Menschenrechtsverletzungen der Oppositionsbewegung Chin National Front und ihres bewaffneten Arms, der Chin National Army. Ihr wird vorgeworfen, Bewohner von Chin-Dörfern schikaniert, verprügelt und erpresst zu haben. Ein zu den Chin gehörender Geistlicher, der jetzt in Mizoram lebt, sagte: „Anstatt uns zu helfen, machen die Untergrundgruppen uns das leben noch schwerer.“ Human Rights Watch forderte die burmesische Armee, die bewaffneten Chin-Gruppen und den Staatsrat für Frieden und Entwicklung (SPDC) auf, Hilfsorganisationen uneingeschränkten Zugang zum Staat Chin zu gewähren.

Chin-Bauern und ihre Familien werden routinemäßig gezwungen, ihre Felder zu verlassen und für die Armee Waren zu transportieren, Straßen zu bauen und Kasernen, Wachposten und andere militärische Gebäude zu errichten. Dies erschwert es den Chin, die in einem der ärmsten Landesteile leben, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dies gilt besonders für die Gebiete, wo die Nahrungsmittel wegen einer schwere Rattenplage knapp sind und die Menschen hungern. Von der burmesischen Regierung erlassene Einschränkungen für Hilfsorganisationen hindern diese daran, das Leid der Betroffenen zu lindern.

„Die Hungersnot im Staat Chin ist eine Naturkatastrophe, doch Einschränkungen für humanitäre Helfer und die Rekrutierung der Bevölkerung zu Zwangsarbeit verschlimmern die Lage erheblich“, so Pearson.

Die Gewalt hat Zehntausende gezwungen, aus Burma zu fliehen. Viele von ihnen überqueren die Grenze zum benachbarten indischen Bundesstaat Mizoram ohne Papiere. Dort versuchen sowohl private Gruppen als auch Staatsbeamte, Chin auszuweisen und nach Burma abzuschieben.

Damit verstößt Indien gegen seine völkerrechtliche Verpflichtung, Menschen nicht in Länder abzuschieben, wo ihre Freiheit und körperliche Unversehrtheit bedroht sind oder ihnen Verfolgung droht. Obwohl viele der aus Burma geflohenen Chin die Definition von Flüchtlingen erfüllen, wird dem UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) der Zugang zu den Chin verweigert, die an der burmesischen Grenze leben. So können nur jene ihre Rechte geltend machen, die sich auf die 2.460 km lange Reise zum Büro des Hochkommissars in Neu Dehli machen. Indien hat die Konvention gegen Folter und andere grausame, inhumane Strafe unterzeichnet, nicht jedoch die Flüchtlingskonvention.

Mitglieder der Chin, die in in Mizoram bleiben können, stoßen bei der Wohnungssuche und im Bildungssystem auf religiöse Unterdrückung und schwere Diskriminierung.

Human Rights Watch rief die indische Regierung auf, Flüchtlinge und Asylsuchende aus der Volksgruppe der Chin in Schutz zu nehmen sowie dem UNHCR den Zugang nach Mizoram und die Registrierung der Flüchtlinge zu gestatten. Bei den Wahlen am 2. Dezember 2008 in Mizoram gewann die in Indien regierende Kongresspartei nach über zehn Jahren in der Opposition eine überwältigende Mehrheit. Aus den Reihen der Kongresspartei in Mizoram werden seit längerem härtere Maßnahmen gegen die Chin gefordert. Die neue Regierung scheint noch weniger über das Schicksal der Chin besorgt als ihr Vorgänger.

„Statt das Leid der Chin zu ignorieren, sollte die indische Regierung sie schützen und jegliche Maßnahmen und Initiativen unterbinden, die Zwangsabschiebungen der Chin zum Ziel haben“, so Pearson. „Die neue Regierung muss sich daran messen lassen, wie sie der andauernden Diskriminierung der Chin entgegentritt.“

In dem Bericht wird auch an die internationale Gemeinschaft sowie den Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN), die USA und die EU appelliert, im burmesischen Bundesstaat Chin humanitäre Hilfe zu leisten, sofern dies ohne Behinderungen durch die Militärregierung möglich ist. Ferner soll die internationale Gemeinschaft gezielte Sanktionen gegen Burma verabschieden, falls es bestimmte Anforderungen für den Schutz der Menschenrechte nicht erfüllt.

„Die Chin sind in Burma in Gefahr, in Indien sind sie schutzlos. Die Chin dürfen kein
'vergessenes Volk' bleiben, nur weil die Verbrechen gegen sie weit weg von Neu Dehli und Rangun stattfinden“, so Pearson. „ASEAN, die EU und die USA müssen den Regierungen in Burma und Indien unmissverständlich klar machen, dass ein Ende der Menschenrechtsverletzungen überfällig ist.“

Ausgewählte Zeugenaussagen von Chin, die für den Bericht befragt wurden:

„Die Armee hat mir schon oft, über zehn Mal, befohlen, als Träger zu arbeiten. Wenn ich es nicht schaffe, ihre Säcke zu tragen, schlagen sie mich. [Die Soldaten] werden wütend, schlagen und treten uns. Sie sagen uns, wir sollen schneller gehen. Ich muss immer für zwei oder drei Tage als Träger arbeiten. Es ist unmöglich, sich zu weigern. Einmal habe ich mich doch geweigert zu gehen, weil ich sehr müde war und die Last sehr schwer. Als ich versuchte, mich zu weigern, schlugen sie mich und sagten: 'Du lebst unter unserer Kontrolle. Du hast keine Wahl. Du musst tun, was wir sagen.' “
– eine Chin-Frau aus der Gemeinde Thantlang im burmesischen Staat Chin.

„[Die Polizisten] schlugen mich mit einem Stock und ihren Gewehrkolben. Sie schlugen mir auf den Mund und brachen meine Schneidezähne. Ich hatte eine Platzwunde am Kopf, die heftig blutete. Immer wieder stießen sie mir ihren Gewehrkolben in den Rücken. Mein Rücken schmerzt immer noch davon und ich kann nichts Schweres heben. Sie gaben mir auch Elektroschocks. Sie hatten eine Batterie und befestigten Klammern an meiner Brust. Sie schalteten den Strom ein und stellten ihn erst wieder ab, als ich bewusstlos wurde. Diese Behandlung dauerte mehrere Stunden. Sie machten das gleiche mit dem Sohn des Priesters. Sie sagten, sie würden erst aufhören, wenn wir ihnen Informationen über die CNA [Chin National Army] gäben. Wir sagten immer wieder, dass wir nichts darüber wüssten.“
– ein Chin aus Sagaing in Burma, der seine Festnahme, Folter und Haft beschreibt. Er wurde beschuldigt, Verbindungen zur Chin Naional Army zu unterhalten.

„Sehr oft zwingt der SPDC uns, Hühner oder Reis abzugeben. Sie kommen und fragen uns danach. Wenn wir es ihnen nicht freiwillig geben, nehmen sie es sich einfach. Sie töten die Hühner vor unseren Augen und nehmen sie mit.“
– ein 18-jähriges Chin-Mädchen aus der Gemeinde Matupi im burmesischen Staat Chin. Sie floh 2008 aus Burma.

„[Manche Mizo] nutzen unsere Notlage aus und erpressen Geld von uns. Sie drohen damit, uns bei der Polizei oder der YMA [Young Mizo Association] zu melden. Es gibt Mizo, die einfach unseren Anblick hassen, uns provozieren und drohen, uns zu verprügeln. Das Leben ist für uns eine Hölle. Wir können uns nicht schützen, weil wir damit zuviel Aufmerksamkeit auf uns ziehen. Wir müssen uns klein machen und vor den Gefahren verstecken. Aus Burma zu kommen, dies bedeutet, diskriminiert zu werden.“
– eine Chin, die im indischen Bundesstaat Mizoram lebt.

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