Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sollten die Werte der Europäischen Union verteidigen. Sie sollten eine politische Allianz mit der menschenrechtsfeindlichen Fidesz-Partei ablehnen, die Ungarn unter der Führung von Viktor Orbán regiert.
Fidesz ist seit 2010 an der Macht. Orbán führt eine Regierung, die in der EU wohl einzigartig ist, wenn es um offene Feindseligkeit gegen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit geht. In den vergangenen Monaten hat Fidesz den Druck auf Nichtregierungsorganisationen massiv erhöht. Sie unternahm Schritte, um eine führende Universität zu schließen, und hat ihre menschenrechtswidrige Kampagne gegen Migranten und Asylsuchende intensiviert.
Die CDU-Vorsitzende Merkel und der Vorsitzende der CSU Seehofer sollten die Europäische Volkspartei (EVP) auffordern, sich von Fidesz zu trennen. Die EVP ist die größte politische Gruppe im Europäischen Parlament – ein Zusammenschluss der Mitte-Rechts- und liberal-konservativen Parteien. Ihre Charta definiert die „Achtung der Menschenrechte, Grundfreiheiten und Rechtsstaatlichkeit“ als „Grundlage eines gemeinsamen Programms“. Dennoch ist Fidesz weiterhin ein unbehelligtes EVP-Mitglied. Das muss sich ändern, und das ist ein Thema auch für die deutsche Politik. Sowohl CDU als auch CSU sind wichtige Mitglieder der EVP. Der CSU-Politiker Manfred Weber ist Fraktionsvorsitzender der EVP im Europäischen Parlament in Brüssel.
Fidesz und Orbán bauen auf die EVP, um sich vor EU-Kritik abzuschirmen. Die beiden deutschen Parteien müssen jetzt Führungsstärke beweisen und die EVP-Mitgliedschaft von Fidesz in Frage stellen.
Vor Kurzem nahm das von Fidesz geführte ungarische Parlament ein Gesetz an, das Nichtregierungsorganisationen, die Förderung aus dem Ausland erhalten, dazu zwingt, sich als „ausländisch gefördert“ zu registrieren und sie mit ungerechten Sanktionen belegt. Lässt sich eine Organisation nicht registrieren, kann sie aufgelöst werden. Zugleich versucht die Regierung, die Central European University (CEU) zu schließen, hauptsächlich wegen deren Verbindungen zu ihrem Gründer George Soros, den die Orbán-Regierung gerne als Staatsfeind Nummer eins darstellt. Ein im März angenommenes Gesetz ermöglicht die Masseninhaftierung nahezu aller Asylsuchender, auch unbegleiteter Kinder ab 14 Jahren. An der Grenze zu Serbien wurden alle Asylsuchenden auf unabsehbare Zeit und ohne Haftbefehl inhaftiert.
Das Europäische Parlament hat eine Resolution angenommen, die schlussendlich dazu führen kann, dass Ungarn wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit sanktioniert wird. Die Kommission hat rechtliche Schritte gegen die ungarischen Asylgesetze und das Gesetz gegen die Central European University eingeleitet. Aber weil Fidesz noch immer der EVP angehört, verfügt die Partei über eine Legitimität, die angesichts ihres Vorgehens hinterfragt werden muss.
Ungarn fordert die Gründungswerte der EU heraus und inspiriert andere Regierungen, insbesondere die polnische, es Ungarn gleichzutun. Eine starke Antwort auf den rechten Populismus ist nicht nur Aufgabe der Europäischen Kommission in Brüssel. Unsere eigenen Parteien müssen als erste für die Menschenrechte und die europäischen Werte aufstehen.