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(Genf, 30. Mai 2016)—Bei der diesjährigen Internationalen Arbeitskonferenz sollen die Delegierten einen Prozess zur Entwicklung einer bindenden, internationalen Konvention zum Schutz der Menschenrechte in den globalen Wertschöpfungsketten einleiten, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Regierungen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus der ganzen Welt kommen in Genf zur jährlichen Arbeitskonferenz zusammen, die am 30. Mai beginnt. Sie werden diskutieren, wie „gute Arbeit“ in den globalen Wertschöpfungsketten gewährleitet werden kann.

Der 21-seitige Bericht „Human Rights in Supply Chains: A Call for a Binding Global Standard on Due Diligence“ basiert auf Untersuchungen und Analysen aus zwei Jahrzehnten zu Kinderarbeit und anderen Verstößen gegen das Arbeitsrecht, zu Umweltschäden sowie zu Verstößen gegen die Rechte auf Gesundheit, Land, Nahrung und Wasser im Zusammenhang mit globalen Wertschöpfungsketten.

Rechtlich bindende Regeln sind der einzige realistische Weg, um zu gewährleisten, dass Unternehmen ihre Arbeitnehmer nicht ausbeuten oder auf andere Weise gegen das Arbeitsrecht verstoßen.
Juliane Kippenberg

stellvertretende Leiterin der Abteilung Kinderrechte

„Millionen Menschen weltweit erleiden Menschenrechtsverletzungen wegen fragwürdiger Unternehmenspraktiken und ungenügender Kontrolle durch die Regierungen“, so Juliane Kippenberg, stellvertretende Leiterin der Abteilung Kinderrechte bei Human Rights Watch. „Rechtlich bindende Regeln sind der einzige realistische Weg, um zu gewährleisten, dass Unternehmen ihre Arbeitnehmer nicht ausbeuten oder auf andere Weise gegen das Arbeitsrecht verstoßen.“

Der Bericht macht auf eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen entlang globaler Wertschöpfungsketten aufmerksam, darunter Verstöße gegen das Arbeitsrecht und gewerkschaftsfeindliche Taktiken gegen Fabrikarbeiter, die Markenkleidung und -schuhe für Kunden auf der ganzen Welt produzieren; gefährliche Kinderarbeit auf Tabakfarmen, die internationale Zigarettenhersteller beliefern; schwerwiegende Verstöße gegen die Rechte von Wanderarbeitern im Bausektor; und tödliche Unfälle in kleinen Goldminen, die Gold für den Weltmarkt gewinnen.

Eine Textilarbeiterin näht Kleidung in einem Gebäude in der Nähe der eingestürzten Rana Plaza-Fabrik. © 2014 G.M.B. Akash/Panos

Weltweit arbeiten etwa 450 Millionen Menschen in globalen Wertschöpfungsketten. Unternehmen sind zunehmend abhängig von komplexen, transnationalen Zulieferketten, über die sie ihre Produkte und Dienstleistungen beziehen. Zugleich kommen Regierungen oft nicht ihrer Verpflichtung nach, die Menschenrechte im In- und Ausland durch wirksame Regeln für unternehmerische Aktivitäten zu schützen. Und Menschenrechtsverletzungen grassieren auch deswegen, weil die menschenrechtlichen Selbstverpflichtungen vieler Unternehmen unzureichend sind. Daher sollten die Delegierten bei der Internationalen Arbeitskonferenz den Weg ebnen für eine neue, rechtsverbindliche Konvention, unter der Regierungen Unternehmen dazu verpflichten, Schutzmaßnahmen oder „Sorgfaltspflichten“ entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette umzusetzen.

Unternehmen sind dafür verantwortlich, ihre Sorgfaltspflichten wirksam zu prüfen. Das umfasst eine objektive, menschenrechtliche Risikoanalyse, die gekoppelt ist an wirksame Maßnahmen, um diese Risiken zu minimieren oder gänzlich auszuschalten. Wenn die Rechte von Personen trotz dieser Präventionsmaßnahmen verletzt werden, müssen Unternehmen außerdem dazu beitragen, dass die Betroffenen Zugang zu angemessener Entschädigung haben. In Ländern, in denen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten gesetzlich oder auf andere Art verpflichtend sind, hat das zu positiven Maßnahmen von Unternehmen geführt.

„Freiwillige Standards zu Menschenrechten und Wirtschaft sind nicht genug“, so Kippenberg. „Manche Unternehmen halten sich an sie, aber andere kümmern sich nicht um sie und ignorieren ihre Verantwortung. Die Internationale Arbeitskonferenz bietet die einmalige Chance, dieses ineffektive ‚Laissez-faire‘-System zu verändern.“

Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte enthalten nicht-verpflichtende Standards für die menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen und definieren Schlüsselelemente einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht. Unternehmen sollen sicher stellen, dass sie die Menschenrechte bei all ihren Aktivitäten wahren, genau wie in all ihren Geschäftsbeziehungen mit Zulieferern.

Diese Leitprinzipien haben in vielerlei Hinsicht einen wichtigen Rahmen etabliert, um verantwortungsvoll zu wirtschaften - und diesen Rahmen akzeptieren zahllose Regierungen, Unternehmen und Gewerkschaften. Allerdings folgt aus dem freiwilligen Charakter der Leitprinzipien, dass Verstöße nicht geahndet werden können.

Ein neuer, international verpflichtender Vertrag über menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in globalen Wertschöpfungsketten kann dieses Problem beheben und sollte auf den UN-Leitprinzipien beruhen.

Die Katastrophe von Rana Plaza in Bangladesch im April 2013 hat der Weltöffentlichkeit vor Augen geführt, wie schlecht die Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie sind. Bei dem Zusammensturz der Rana Plaza-Fabrik starben mehr als 1.100 Arbeiter, mehr als 2.000 wurden verletzt. Während Bangladesch seitdem einige konkrete Verbesserungen umgesetzt hat, vor allem hinsichtlich der Feuer- und Gebäudesicherheit, prägen schwerwiegende menschenrechtliche Probleme bis heute die Bekleidungs- und Schuh-Zulieferketten. Erst in diesem Jahr berichtete eine Gewerkschafterin, dass sie auf Grund ihres Engagements verprügelt und mit dem Tode bedroht wurde.
 

„Die Katastrophe von Rana Plaza zeigt, was für schreckliche Folgen es hat, wenn es nur schwache Regeln gibt und Arbeitnehmerrechte nicht durchgesetzt werden“, so Kippenberg. „Es ist offensichtlich, dass wir verpflichtende Menschenrechtsstandards in den globalen Wertschöpfungsketten brauchen, wenn wir sicher stellen wollen, dass Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Verantwortung gerecht werden.“

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