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Ungarn: Festnahme, statt herzlichen Empfang für IStGH Flüchtigen Netanjahu

Weigerung Orbans, Israels Regierungschef festzunehmen oder Einreise zu verweigern, wäre Angriff auf Rechtsstaatlichkeit

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban (links) wird am 19. Juli 2018 vom israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu in Jerusalem begrüßt. © 2018 Debbie Hill/AP Photo

(Washington, DC, 1. April 2025) – Ungarn sollte dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu die Einreise verweigern oder ihn verhaften, falls er in das Land einreist, so Human Rights Watch heute. Netanjahus Büro gab bekannt, dass er plant, am 2. April 2025 auf Einladung von Premierminister Viktor Orban nach Ungarn zu reisen.

Gegen Netanjahu liegt ein Haftbefehl vor, der am 21. November 2024 vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) ausgestellt wurde. An diesem Tag erließen die zuständigen Richter des Gerichts Haftbefehle gegen ihn und seinen damaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, begangen im Gazastreifen ab mindestens 8. Oktober 2023. Dazu gehören unter anderem das Aushungern von Zivilisten, die absichtliche Durchführung von Angriffen gegen die Zivilbevölkerung, Mord und Verfolgung. Human Rights Watch hat KriegsverbrechenVerbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermordhandlungen dokumentiert, die von israelischen Behörden in Gaza begangen worden sind.

„Orbans Einladung an Netanjahu ist ein Affront gegen die Opfer schwerer Verbrechen“, sagte Liz Evenson, Direktorin für internationale Justiz bei Human Rights Watch. “Ungarn sollte seinen rechtlichen Verpflichtungen als Vertragspartei des IStGH nachkommen und Netanjahu verhaften, sobald er das Land betritt.“

Als Vertragsstaat des IStGH ist Ungarn verpflichtet, bei der Sicherstellung der Festnahme und Übergabe von Verdächtigen, die in sein Staatsgebiet einreisen, zusammenzuarbeiten. Da der IStGH über keine eigene Polizei verfügt, ist er bei Festnahmen auf die Unterstützung der Staaten angewiesen. 

Bedauerlicherweise haben Regierungsvertreter mehrerer EU-Mitgliedstaaten, darunter FrankreichPolenItalien,Rumänien und Deutschland, kürzlich ausdrücklich erklärt, dass sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen würden oder sich weigerten, den Haftbefehl des Gerichts durchzusetzen und Netanjahu zu verhaften. In Polen protestiertenMenschenrechtler und Nichtregierungsorganisationen gegen eine Ankündigung der polnischen Regierung im Januar, dass Netanjahu das Land besuchen könne, ohne mit einer Verhaftung rechnen zu müssen.

Alle Mitgliedsstaaten des IStGH sollten ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag des Gerichts nachkommen, so Human Rights Watch. Die Entscheidung der EU zum IStGH verpflichtet den regionalen Block zur Unterstützung der Zusammenarbeit mit dem IStGH, auch bei Verhaftungen. Die Führungsriege der EU und andere EU-Mitgliedstaaten sollten gemeinsam mit anderen Vertragsstaaten des IStGH Ungarn und alle Vertragsstaaten des IStGH öffentlich dazu auffordern, mit dem IStGH zusammenzuarbeiten und Netanjahu zu verhaften, falls er ihr Staatsgebiet betreten sollte.

Im Mai 2024 beantragte der Chefankläger des IStGH fünf Haftbefehle im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu Palästina – gegen Netanjahu, Gallant und auch gegen drei hochrangige Hamas-Führer. Die Staatsanwaltschaft zog den Antrag gegen zwei der Hamas-Führer später zurück, nachdem bestätigt wurde, dass sie getötet wurden. Im November 2024 beschlossen die Richter des IStGH, einen Haftbefehl gegen den verbleibenden Hamas-Funktionär, Mohammed Diab Ibrahim al-Masri („Mohammed Deif“), zu erlassen, und erließen gleichzeitig die Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant. Im Februar stellten die Richter des IStGH das Verfahren gegen Deif ein, nachdem bestätigt wurde, dass er getötet wurde. 

Zum Zeitpunkt der Ausstellung der Haftbefehle kritisierte der ungarische Außenminister Peter Szijjártó die Haftbefehle als „beschämend und absurd“ und „inakzeptabel“, und Orban kündigte an, er wolle Netanjahu nach Ungarn einladen. Die damalige EU-Justizkommissarin Vera Jourova erinnerte daran, dass dies einen „offensichtlichen Verstoß“ gegen die Verpflichtungen Ungarns gemäß dem Römischen Statut, dem Gründungsvertrag des IStGH, darstellen und dem Ruf Ungarns schaden würde.

Als US-Präsident Donald Trump im Februar per Exekutivverordnung Sanktionen gegen IStGH-Beamte genehmigte, um unter anderem das Verfahren des Gerichts gegen Netanjahu zu vereiteln, kündigte Orban seine Unterstützung für die US-Sanktionen an und forderte eine „Überprüfung“ der Beziehungen des Landes zum IStGH.

Seit seinem Wahlsieg im Jahr 2010 haben Orban und seine Regierung eine immer offensichtlichere Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte an den Tag gelegt. In mehr als 14 Jahren hat sie dabei die Unabhängigkeit der Justiz beschnitten, den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft stark eingeschränkt und sie schikaniert sowie die Unabhängigkeit der Medien untergraben.

Aufgrund der sich verschlechternden Lage in Ungarn bezüglich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit leitete die EU 2018 gemäß Artikel 7 des EU-Vertrags ein politisches Durchsetzungsverfahren ein, da die Gefahr bestand, dass Ungarn durch sein Handeln gegen grundlegende EU-Werte verstößt. Orban reiste nach Moskau, um sich im Juli 2024 mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu treffen, gegen den selbst ein IStGH-Haftbefehl wegen schwerer Verbrechen in der Ukraine vorliegt.

„Einen Besuch Netanjahus zuzulassen, obwohl dies einen Verstoß gegen die Verpflichtungen Ungarns gegenüber dem IStGH darstellt, wäre Orban's jüngster Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit und würde die traurige Bilanz des Landes in Bezug auf Rechte weiter verschlechtern“, sagte Evenson. „Alle Mitgliedsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs müssen deutlich machen, dass sie von Ungarn erwarten, dass es seinen Verpflichtungen gegenüber dem Gerichtshof nachkommt, und dass sie dies auch tun werden.“

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