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Die Regierung Aserbaidschans scheint fest entschlossen zu sein, die Welt davon zu überzeugen, dass ihr ölreiches Land ein florierender und bedeutender Akteur auf der internationalen Bühne ist.

Europäische Fernsehzuschauer erinnern sich vielleicht daran, dass Aserbaidschan im Mai 2012 Gastgeber des Eurovision Song Contests war. Die schillernde Veranstaltung wurde durch die breite Berichterstattung über die Zwangsräumungen getrübt, die durchgeführt wurden, um Platz für den Austragungsort des Song Contest zu schaffen. Ebenso wurde über andere Menschenrechtsverletzungen im Vorfeld der Veranstaltung berichtet. 

Nun ist Aserbaidschan an einem neuen, schwerwiegenderen Punkt angelangt, an dem die Vision von internationalem Prestige, nach dem es strebt, mit der Realität im Land kollidiert. In den letzten Wochen haben zwei gegensätzliche Entwicklungen selbst die erfahrensten Aserbaidschan-Experten erschüttert, obwohl diese eigentlich an die Parallelwelt der Regierungsprojekte in Baku gewöhnt sind.

Auf der einen Seite verschärft die Regierung die ohnehin schon autoritäre Unterdrückung unabhängiger politischer und anderer Stimmen in Aserbaidschan. In den letzten zwei Jahren haben die Behörden mindestens 40 politische Aktivisten, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und viele andere Personen verhaftet. Diese Festnahmen erfolgten aufgrund von fingierten Vorwürfen, darunter Drogenbesitz, Steuerhinterziehung und sogar Landesverrat.

Seit Ende Juli ist die Situation dramatisch eskaliert. Die Regierung hat die bedeutendsten Menschenrechtsaktivisten des Landes sowie andere Personen des öffentlichen Lebens verhaftet. Die Festnahmen erfolgten aufgrund politisch motivierter Vorwürfe. Unter den Betroffenen sind Leyla Yunus, die bekannte Direktorin des Instituts für Frieden und Demokratie, sowie ihr Mann, der Historiker Arif Yunus. Auch Rasul Jafarov, Vorsitzender des Menschenrechtsvereins von Aserbaidschan und Intigam Aliyev, der hochangesehene Vorsitzende der Legal Education Society, wurden verhaftet. Sie alle waren beteiligt an der Erstellung einer Liste jener Personen, die Opfer von politisch motivierten Festnahmen wurden. Nun stehen sie selbst auf dieser Liste.  

Zudem hat die Regierung die ohnehin schon strengen Beschränkungen für Nichtregierungsorganisationen verschärft. Viele Gruppen mussten ihre Arbeit de facto einstellen, nachdem ihre Konten eingefroren wurden oder ihnen der Zugang zu ihren Finanzquellen gesperrt wurde. 

Auf der anderen Seite nutzt Aserbaidschan jede sich bietende Gelegenheit, sein internationales Image aufzupolieren. In einer bizarren Wendung hat Aserbaidschan im Mai eine bedeutende Position in Europas wichtigstem Menschenrechtsorgan übernommen - den im Rotationsverfahren besetzten Vorsitz des Ministerkomitees des Europarats. Seine Rede am 24. Juni vor der Parlamentarischen Versammlung des Rates in Straßburg nutzte Präsident Ilham Aliev, um Menschenrechtsprobleme in Aserbaidschan zu leugnen. Seine Kritiker bezeichnete er als Lügner.  „Bei uns gibt es das Recht auf politische Aktivität (und) auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit“, so Aliev.

Zudem bereitet sich Baku gerade auf die ersten Europaspiele im nächsten Juni vor. Baku war der einzige Bewerber für die Ausrichtung der Spiele, die nun neue Möglichkeiten bieten, der Öffentlichkeit  zumindest einige der bereinigten Lebensbereiche in Aserbaidschan zu präsentieren.   

Deutschland hat in der Vergangenheit die Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan offen angesprochen, so beispielsweise vor dem Eurovision Song Contest. Ebenso sollte Deutschland auch jetzt wieder seine Stimme erheben. Die Ukraine, der Irak und andere Krisen verlangen natürlich Berlins Aufmerksamkeit. Dennoch darf Deutschland es nicht riskieren, die Ereignisse in Aserbaidschan zu ignorieren.

Aserbaidschans reiche Ölvorkommen und seine geopolitische Bedeutung in der sensiblen Region des Kaspischen Meeres machen es zu einem potentiell wichtigen Partner für Berlin. Aserbaidschan ist Deutschlands siebtgrößter Öllieferant. Deutschland wiederum ist Aserbaidschans wichtigste europäische Importquelle. Berlin unterstützt zudem die Friedensinitiative im Konflikt mit Armenien um die autonome Enklave Bergkarabach. Diese liegt zwar in Aserbaidschan, die meisten Einwohner sind jedoch Armenier. 

Eine Partnerschaft kann jedoch nur dann funktionieren, wenn eklatante Menschenrechtsverletzungen offen angesprochen werden. Deutschland sollte drei unmittelbare Maßnahmen ergreifen, um Baku zu zeigen, dass es kein ‚business as usual‘ in den diplomatischen Beziehungen geben wird, solange die Menschen, die wegen fingierter, politisch motivierter Vorwürfe in Haft sitzen, nicht freigelassen werden und der Unterdrückung der Zivilgesellschaft ein Ende gesetzt wird. 

Erstens sollte Berlin die Stimme bezüglich der Unterdrückung in Aserbaidschan erheben. Dies sollte auf bilateraler Ebene durch die EU und den Europarat geschehen. In den vergangenen Tagen hat die EU ihre „große Besorgnis” angesichts der  „Verschlechterung… der Menschenrechtssituation“ geäußert. Aserbaidschan muss jedoch begreifen, dass Konsequenzen folgen werden, sollte den Menschenrechtsverletzungen kein Ende gesetzt werden.    

Zweitens muss Berlin eben jene Konsequenzen definieren und diese, falls nötig, auch umsetzen. Hierzu könnte Berlin beispielsweise auf der Aussetzung der Verhandlungen bestehen, die die EU derzeit über eine neue „strategische Modernisierungspartnerschaft“ mit Aserbaidschan führt.  Ebenso könnte die Zusammenarbeit mit Baku im Europarat auf Eis gelegt werden.

Drittens sollte Deutschland Aserbaidschans Bemühungen um ein besseres internationales Image anvisieren. Baku rühmt sich beispielsweise mit seiner Mitgliedschaft in der Initiative für Transparenz in der rohstoffgewinnenden Wirtschaft (Extractive Industries Transparency Initiative, kurz EITI), einer internationalen Koalition, die sich für Transparenz seitens der Regierungen bei der Ressourcenverwaltung einsetzt. Dabei verstößt Aserbaidschan selbst gegen die Regeln der Koalition, die besagen, dass unabhängige Gruppen das Recht haben, frei zu arbeiten und angehört zu werden. Deutschland unterstützt die EITI und sollte sich jenen anschließen, die eine Aussetzung der Mitgliedschaft Aserbaidschans in der EITI fordern, solange sich die Menschenrechtslage im Land nicht bessert.

Solche Schritte würden Aserbaidschan deutlich machen, dass das Land nur dann eine bedeutende internationale Rolle spielen kann, wenn es die grundlegenden Menschenrechte seiner Bürger respektiert.

Hugh Williamson ist Leiter der Europa- und Zentralasien-Abteilung bei Human Rights Watch in Berlin.

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