Das EU-Lieferkettengesetz wurde auf Druck der Industrie vom EU-Parlament deutlich entschärft.
Beim Klimagipfel in Brasilien unterstützt Deutschland einen Fahrplan zum Ausstieg aus fossiler Energie. Deutschland wird sich kaum vorwerfen lassen wollen, es sei vor der von Exxon angeführten fossilen Industrie in die Knie gegangen. Doch vor der eigenen Haustür, in der Europäischen Union könnte genau das jetzt passieren.
Eine Mehrheit im Europaparlament in Brüssel hat gerade einen Beschluss gefasst, der die Klimakrise weiter verschärfen könnte: Es hat die Verpflichtung zum Erstellen von Klimaplänen für Unternehmen aus dem EU-Lieferkettengesetz gestrichen und das EU-Lieferkettengesetz, ein Kernstück des EU Green Deal, auch darüber hinaus bis zur Unkenntlichkeit abgeschwächt. Was ist da los?
Unter dem massiven Druck der Fossil- und Chemieindustrie sowie der Regierungen der USA und von Qatar hat die konservative Parteiengruppe unter Führung von ihrem Vorsitzenden Manfred Weber (CDU) gemeinsam mit Parteien der extremen Rechten am 13. November beschlossen, das 2024 verabschiedete EU-Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt zu einem zahnlosen Tiger zu machen: Nach dem EU-Parlamentsbeschluss brauchen Unternehmen nun keine Pläne mit klimabezogenen Maßnahmen mehr erstellen.
Auch eine EU-weite Haftungsregelung wurde gestrichen. Diese Haftungsregelung aber würde Opfern von Menschenrechtsverletzungen, wie zum Beispiel Überlebenden von firmenverschuldeten Desastern, den Zugang zu Gerichten zu erleichtern. Am gravierendsten aber ist, dass über 70 Prozent der vom Gesetz ursprünglich erfassten Unternehmen gleich ganz ausgenommen werden sollen und es nur für Firmen mit mehr als 5000 Mitarbeitenden gelten soll.
Einige Wirtschaftsverbände versuchten, das EU-Lieferkettengesetz als bürokratisches Monster darzustellen, sobald es im Juni 2024 verabschiedet wurde. Einige Monate später legte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen einen Vorschlag vor, der weitreichende Abschwächungen beinhaltete. Die Zivilgesellschaft wurde weitgehend aus dem Prozess ausgeschlossen.
Aber noch ist nicht alles verloren. In diesen Tagen finden die entscheidenden, finalen Verhandlungen zwischen EU-Parlament, EU-Kommission und EU-Mitgliedsstaaten statt. In diesem Trilog kommt Deutschland als dem bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Land der EU eine zentrale Rolle zu. Die Bundesregierung sollte jetzt klarmachen, dass sie sich für eine menschenrechtlich robuste Regelung einsetzt, und einen Papiertiger wie die vom Parlament verabschiedete Gesetzesänderung nicht mittragen wird. Die entscheidenden Elemente des EU-Lieferkettengesetz müssen erhalten bleiben: die Geltung für Firmen ab 1000 Beschäftigten; eine EU-weite Haftungsregelung; verpflichtende Klimapläne, die auch umgesetzt werden müssen; und eine verbindliche, risikobasierte Sorgfaltspflicht für Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette.
Wenn Unternehmen die Menschenrechte vernachlässigen, kann dies katastrophale Folgen haben für diejenigen, die am untersten Ende der globalen Lieferkette stehen. 2019 brach in einer Eisenerzmine in Brasilien ein Rückhaltebecken, und mindestens 250 Menschen starben in einer Welle giftigen Schlamms. Ausbeutung, Umweltzerstörung und andere Mißstände in globalen Lieferketten sind weiterhin an der Tagesordnung. Ein starkes EU-Lieferkettengesetz schützt Menschenrechte und Umwelt in globalen Lieferketten. Gleichzeitig schafft es Rechtssicherheit für Unternehmen.
EU-weit ungleiche und schwache Regeln zu Lieferketten sind dagegen nicht im Interesse der Wirtschaft. Vor kurzem haben 88 Firmen aus Deutschland und dem europäischen Ausland, unter anderem Aldi Süd und Tchibo, zusammen mit 134 Investoren und Finanzinstitutionen dazu aufgerufen, die Verpflichtung zu Klimaplänen im EU-Lieferkettengesetz beizubehalten und Kernelemente des Gesetzes zu wahren.
Es ist zu hoffen, dass die gesamte Bundesregierung dieser Logik folgt und sich im Trilog standhaft für ein Gesetz starkmacht, das Menschenrechte und Umwelt in Lieferketten tatsächlich schützt.
Sollte die CDU jedoch weiter den destruktiven Kurs der EVP im EU-Parlament verfolgen, dann sollte die SPD als Urheberin des deutschen Lieferkettengesetzes klarmachen, dass sie eine globale Aushöhlung der Menschenrechtsstandards durch Unternehmenslobbys nicht dulden und daher einem solchen Gesetz nicht zustimmen wird. Dazu wird die SPD darauf achten müssen, dass die CDU die Position des Koalitionspartners nicht ignoriert, wie im Mai diesen Jahres bei einer Abstimmung der Staaten zum EU-Lieferkettengesetz geschehen.
Der European Green Deal mitsamt einem starken EU-Lieferkettengesetz zielt darauf ab, Europa in eine nachhaltige, gerechtere Zukunft führen. An diesem Ziel sollte die Bundesregierung festhalten.