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Anzeige der Mikrofinanzinstitution Amret an der Hauswand eines Indigenen Kreditnehmers der Tampuan im Dorf Pa Chon Thom, Ratanakiri, Kambodscha, mit der Aufschrift: „Amret hilft Ihnen beim Kauf von landwirtschaftlichen Geräten, auch wenn Sie kein eigenes Geld haben“ [links]; „Amret ist immer bereit, Ihnen und Ihrer Familie zu helfen“ [rechts].  © 2023 Privat
  • Von internationalen Investoren finanzierte Mikrofinanzinstitute (MFIs) in Kambodscha haben Indigenen Gemeinschaften aggressiv Kredite vermarktet und deren Land dabei systematisch als Darlehenssicherheit genutzt.
  • Die räuberischen Kreditvergabe- und Schuldeneintreibungspraktiken dieser MFIs haben zu erzwungenen Landverkäufen, Überschuldung, schuldenbedingten Selbsttötungen und Verletzungen der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Rechte Indigener Gemeinschaften geführt.
  • Die kambodschanischen Behörden, kambodschanische MFI-Kreditgeber und internationale Investoren, darunter die Internationale Finanz-Corporation der Weltbank, sollten den Schutz der Rechte Indigener Gemeinschaften sicherstellen und Zugang zu Abhilfemaßnahmen, einschließlich eines unabhängigen Beschwerdemechanismus, gewähren.

(Bangkok, 25. September 2025) – Die räuberische Kreditvergabe durch Mikrofinanzinstitute in Kambodscha führt zu Landenteignungen und Menschenrechtsverletzungen an Indigenen Gemeinschaften, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Zu den Geldgebern der kambodschanischen Kreditgeber, die an diesen Missständen beteiligt sind, gehören private Investoren, staatliche Entwicklungsbanken und die International Finanz-Corporation der Weltbank, die private Investitionen in einkommensschwachen Ländern fördert.

Der 120-seitige Bericht „Debt Traps: Predatory Microfinance Loans and the Exploitation of Cambodia’s Indigenous Peoples“ (dt. etwa: In der Schuldenfalle: Räuberische Vergabe von Mikrokrediten und die Ausbeutung von Indigenen in Kambodscha) zeigt auf, dass die Überschuldung Indigener Gemeinschaften in den nordöstlichen Provinzen Kambodschas zu erzwungenen Landverkäufen, schuldenbedingten Selbsttötungen, Ernährungsunsicherheit und dem Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung und Bildung geführt hat. Kambodschanische Mikrofinanzinstitute (MFIs) haben Indigenen Kreditnehmer*innen regelmäßig Kredite gewährt – in Höhen, die ihre Rückzahlungsfähigkeit weit überstiegen – und die Vertragsunterlagen dabei ausschließlich in Khmer ausgestellt, einer Sprache, die viele Angehörige Indigener Gemeinschaften nicht lesen können.

„Kambodschanische Kreditgeber haben Mikrokredite als Weg aus der Armut angepriesen, aber stattdessen haben sie Indigene Familien in die Überschuldung getrieben“, sagte Bryony Lau, stellvertretende Asien-Direktorin bei Human Rights Watch. „Diese Kredite haben vielen Menschen ihr Land, ihre Gesundheit und manchmal sogar ihr Leben gekostet.“

Mikrokredite sollen Menschen in Armut den Zugang zu Kapital erleichtern – vor allem, um kleine Unternehmen aufzubauen, für die sonst kaum oder gar keine Finanzierungsmöglichkeiten bestehen. Mikrokredite entstanden Mitte der 1970er Jahre ursprünglich als Gruppenkredite, die auf gegenseitigem Vertrauen und Verantwortlichkeit basierten und keine Sicherheiten erforderten. Wie in vielen anderen Ländern auch begannen MFIs in Kambodscha zunächst als Non-Profit-Organisationen, die von Spender*innen und Nichtregierungsorganisationen (NROs) gegründet wurden. In den letzten Jahrzehnten gerieten sie jedoch ins Visier nationaler und internationaler Investoren und entwickelten sich vor diesem Hintergrund zu höchst lukrativen Unternehmungen.

Human Rights Watch hat zwischen Februar und Oktober 2024 mehr als 50 Menschen aus Indigenen Gemeinschaften befragt, die von Überschuldung durch Mikrokredite in und um die kambodschanische Provinz Ratanakiri betroffen sind. Ihre Angaben wurden soweit möglich auf Grundlage von Informationen zivilgesellschaftlicher Gruppen, Journalist*innen, Branchenexpert*innen und Kreditsachbearbeiter*innen mehrerer kambodschanischer Mikrofinanzinstitute sowie durch schriftliche Unterlagen wie Berichte aus dem Mikrofinanzsektor, interne Daten der Mikrofinanzbranche sowie Kreditunterlagen und Bonitätsberichte der Kreditnehmer*innen selbst gegengeprüft. 

Indigene Kreditnehmer*innen berichteten, dass Krediteintreiber sie unter Druck gesetzt beziehungsweise gezwungen hätten, informelle Kredite aufzunehmen oder Land oder Eigentum zu verkaufen, um ihre Schulden zu begleichen. In einigen Fällen seien sie mehrfach gekommen oder hätten rechtliche Schritte oder die Einschaltung lokaler Behörden angedroht. Die Kreditnehmer*innen gaben an, dass sie vor Erhalt ihrer Kredite nicht vollständig verstanden hätten, wie sie diese zurückzahlen sollen, welche Gebühren entstehen und was die Zinssätze bedeuten.

Mikrofinanzinstitute haben häufig informelle Landtitel (sogenannte „soft titles“), die von lokalen Behörden ausgestellt werden, als Sicherheiten akzeptiert. Diese informellen Landtitel überschneiden sich oftmals mit kollektiven Landtiteln der indigenen Bevölkerung, obwohl diese Flächen nach kambodschanischem Recht geschützt sind. Die Nutzung Indigenen Landes als Sicherheit ohne freie, vorherige und informierte Zustimmung birgt die Gefahr einer Verletzung kollektiver Landrechte, insbesondere dann, wenn Kredite mit Landflächen besichert sind, die sich in traditionellem oder gemeinschaftlichem Besitz befinden oder gerade als solche registriert werden.

Da solche informellen Landtitel als Darlehenssicherheiten herangezogen werden, wird das Verfahren zur Beantragung kollektiver Landtitel erschwert. Dieses Verfahren setzt voraus, dass die Mitglieder der betroffenen Gemeinschaften sämtliche dieser informellen Titel zusammentragen und den kambodschanischen Behörden vorlegen, was jedoch nicht möglich ist, wenn diese Titel als Darlehenssicherheit dienen.

Indigene Kreditnehmer*innen berichteten, dass sie von Krediteintreiber unter Druck gesetzt wurden, ihr Land zu verkaufen. Manche verkauften ihr Land teilweise oder in Gänze aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen der Kreditgeber. Diese räuberischen Kreditvergabe- und Schuldeneintreibungspraktiken gefährden die Identität, die Lebensgrundlagen und das Überleben der Indigenen Bevölkerung.

Human Rights Watch hat Lücken bei der Aufsicht der kambodschanischen Regierung über den Mikrofinanzsektor festgestellt. Außerdem haben ausländische Investoren ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht nicht erfüllt, was gegen ihre eigenen Investitionsstandards und die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte verstößt.

Schon 2015 erkannte die Internationale Finanz-Corporation das Risiko der Überschuldung und des schwachen Verbraucherschutzes im kambodschanischen Mikrofinanzsektor an, was die Organisation jedoch nicht daran hinderte, weiterhin in diesen Sektor zu investieren – zwischen 2016 und 2021 waren es über 438 Millionen US-Dollar. Im Jahr 2022 reichten kambodschanische Menschenrechtsorganisationen eine formale Beschwerde bei der Ombudsstelle der IFC ein, woraufhin eine Untersuchung eingeleitet wurde.

Alle Beteiligten – darunter internationale Investoren, kambodschanische Regulierungsbehörden und die Mikrofinanzinstitute selbst – sollten den Zugang zu Abhilfe sicherstellen, wie etwa Schuldenerlasse und eine umfassende Umschuldung sowie die Rückgabe von indigenem Land, das durch erzwungene Landverkäufe erworben wurde, so Human Rights Watch. 

Abhilfemaßnahmen sollten sich nicht nur auf die aktuelle Kreditvergabe beschränken, sondern auch Investoren und Aktionär*innen einbeziehen, die von räuberischen Kreditgeschäften profitiert und seither nicht versucht haben, die durch sie verursachten Schäden wiedergutzumachen. Diese Akteure sollten Mittel für einen unabhängigen Beschwerdemechanismus bereitstellen, der sich an den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechteorientiert.

„Der Mikrofinanzsektor in Kambodscha wurde von der Internationalen Finanz-Corporation, internationalen Entwicklungsbanken und privaten Investoren gestützt, die die zunehmenden Hinweise auf Schäden und die wiederholten Forderungen kambodschanischer Gruppen und Kreditnehmer nach Maßnahmen und Unterstützung ignoriert haben“, sagte Lau. „Die Internationale Finanz-Corporation und andere Geldgeber sollten dafür sorgen, dass Indigene Menschen nicht länger leiden müssen, während Investoren Gewinne machen.“

Ausgewählte Zitate von Betroffenen:

Eine 62-jährige Indigene Cashew-Bäuerin aus einer Kuy-Gemeinschaft in Ratanakiri beschrieb am 6. März 2024, wie sie unter Druck gesetzt wurde, weitere Kredite aufzunehmen:

„Ich kann weder Khmer noch eine andere Sprache lesen oder schreiben. Ich habe ohnehin ganz schlechte Augen und kann kaum die andere Straßenseite erkennen. Wie soll ich da die Kreditunterlagen verstehen. Ich sagte ihnen, dass ich keine weiteren Kredite mehr aufnehmen wolle, aber sie sagten: „Wie willst du deine anderen Kredite zurückzahlen, wenn du keine weiteren aufnimmst?“ 

Eine Indigene Landarbeiterin der Kachok-Gemeinschaft in Ratanakiri beschrieb am 21. Februar 2024, wie Krediteintreiber ihr – ohne rechtliche Grundlage – mit strafrechtlicher Verfolgung drohten, weil sie ihre Kredite nicht zurückgezahlt hatte:

„Sie lasen uns die Briefe vor, um uns unter Druck zu setzen, zu zahlen. Sie sagten mir, dass ich mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müsse, wenn ich nicht zahle […] dass ich mit ihnen vor Gericht gehen müsse […]. Ich kenne mich mit Gesetzen nicht aus, ich habe nur Angst, dass ich zur Polizeistation gebracht und gezwungen werde, das Geld zu zahlen. Ich hatte Angst, dass ich dafür ins Gefängnis kommen könnte.“

Ein Indigener Cashew-Bauer der Jarai-Gemeinschaft in Ratanakiri beschrieb die körperlichen und psychischen Auswirkungen der Drohungen des Krediteintreibers:

„Ich sagte dem Kreditbeamten: ‚Wenn Sie mich bedrohen und so mit mir sprechen, wird mir schwindlig. Ich habe Herzprobleme, meine Arme und Beine fühlen sich schwach an, mir wird schwindelig, und ich kann den Stress nicht ertragen.‘ Der Kreditbeamte antwortete: ‚Wenn Sie Land haben, verkaufen Sie es. Was auch immer Sie verkaufen müssen, um uns das Geld zurückzuzahlen, zum Beispiel Geld von Ihrer Familie leihen oder Ihr Land verkaufen, tun Sie es, damit Sie uns bezahlen können.‘“

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