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Gaza: Israels Angriffe auf Schulen verschärfen Notlage der Zivilbevölkerung

Tödliche Angriffe auf Schulen, die als Notunterkünfte genutzt werden, zeigen, wie schutzlos Vertriebene sind

Die Al-Zeitoun C-Schule in Gaza-Stadt, die am 21. September 2024 von einem israelischen Luftangriff getroffen wurde, bei dem mindestens 34 vertriebene Palästinenser*innen, darunter mindestens 21 Kinder, die dort Zuflucht gesucht hatten, getötet wurden. © 2024 Dawoud Abo Alkas/Anadolu via Getty Images
  • Die tödlichen Angriffe der israelischen Streitkräfte auf Schulen, in denen palästinensische Zivilist*innen Schutz suchten, zeigen, dass es für die Vertriebenen, die den Großteil der Bevölkerung Gazas ausmachen, keine sicheren Orte gibt.
  • Seit Oktober 2023 haben Hunderte Angriffe der israelischen Streitkräfte über 500 Schulgebäude getroffen, von denen viele als Unterkünfte genutzt wurden. Dabei wurden Hunderte Zivilist*innen getötet und nahezu alle Schulen in Gaza erheblich beschädigt.
  • Die israelischen Angriffe haben Zivilist*innen den sicheren Zugang zu Unterkünften verwehrt und werden dazu beitragen, dass der Zugang zu Bildung über viele Jahre hinweg unterbrochen sein wird, da die Reparatur und der Wiederaufbau der Schulen erhebliche Ressourcen und Zeit erfordern werden.

(Jerusalem, 7. August 2025) – Die tödlichen Angriffe der israelischen Streitkräfte auf Schulen, in denen palästinensische Zivilist*innen Zuflucht gesucht haben, zeigen, dass es für die Vertriebenen aus Gaza keine sicheren Orte gibt, so Human Rights Watch heute. Seit Oktober 2023 haben die israelischen Behörden Hunderte von Angriffen auf Schulen durchgeführt, in denen vertriebene Palästinenser*innen Zuflucht gesucht hatten, darunter auch rechtswidrige, willkürliche Angriffe mit US-Munition, bei denen Hunderte von Zivilist*innen getötet und fast alle Schulen in Gaza beschädigt oder komplett zerstört wurden.

Die jüngsten israelischen Angriffe auf Schulen, die als Unterkünfte genutzt werden, sind Teil der aktuellen Militäroffensive der israelischen Streitkräfte, die einen Großteil der verbliebenen zivilen Infrastruktur im Gazastreifen zerstört, erneut Hunderttausende Palästinenser*innen vertreibt und die ohnehin bereits verheerende humanitäre Lage weiter verschärft. Regierungen, darunter auch die der Vereinigten Staaten, die Waffen für die rechtswidrigen Angriffe geliefert haben, sollten ein Waffenembargo gegen die israelische Regierung verhängen und andere dringende Maßnahmen ergreifen, um die Umsetzung der Konvention der Vereinten Nationen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (Völkermordkonvention) durchzusetzen.

„Die israelischen Angriffe auf Schulen, in denen vertriebene Familien Zuflucht gesucht haben, liefern einen Einblick in das Ausmaß des Blutbads, das die israelischen Streitkräfte in Gaza angerichtet haben“, sagte Gerry Simpson, stellvertretender Direktor für Krisen, Konflikte und Waffen bei Human Rights Watch. „Andere Regierungen sollten dieses grausame Abschlachten von palästinensischen Zivilisten, die lediglich nach Sicherheit suchen, nicht tolerieren.“

Human Rights Watch hat Angriffe der israelischen Armee auf die Khadija-Mädchenschule in Deir al-Balah am 27. Juli 2024 untersucht, bei denen mindestens 15 Menschen getötet wurden, sowie auf die al-Zeitoun C-Schule im Stadtteil al-Zeitoun in Gaza-Stadt am 21. September 2024, bei denen mindestens 34 Menschen getötet wurden. Human Rights Watch hat keine Hinweise darauf gefunden, dass die beiden Schulen militärische Ziele waren.

Diese Erkenntnisse basieren auf einer Auswertung von Satellitenbildern, Fotos und Videos der Angriffe und ihrer Folgen, auf Social-Media-Material über die Männer, die bei den beiden Angriffen ums Leben gekommen sind, sowie auf Telefoninterviews mit zwei Personen, die die Nachwirkungen des Angriffs auf die Khadija-Schule miterlebt haben, und einer weiteren Person, die während des Angriffs auf die al-Zeitoun C-Schule vor Ort war.

Die israelischen Behörden haben keine Informationen zu den von Human Rights Watch dokumentierten Angriffen veröffentlicht, auch nicht zu den angestrebten Zielen oder zu etwaigen Vorsichtsmaßnahmen, um Schäden für die Zivilbevölkerung zu minimieren. Sie haben nicht auf ein Schreiben vom 15. Juli reagiert, in dem die Ergebnisse von Human Rights Watch zu diesen Angriffen zusammengefasst und konkrete Informationen angefordert wurden.

Da es bei den Angriffen auf die Schulen in Khadija und al-Zeitoun kein militärisches Ziel gab, waren die Angriffe rechtswidrig und willkürlich – ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. Schulen und andere Bildungseinrichtungen sind zivile Objekte und dürfen nicht angegriffen werden. Sie verlieren diesen Schutz nur, wenn sie für militärische Zwecke genutzt oder von Streitkräften besetzt werden. Die Nutzung von Schulen zur Unterbringung von Zivilpersonen ändert nichts an ihrem rechtlichen Status.

Zwischen dem 1. und 10. Juli 2025 haben israelische Truppen mindestens zehn Schulen angegriffen, die als Notunterkünfte dienten, darunter auch einige, die schon vorher beschädigt waren. Dabei wurden laut Angaben des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) 59 Menschen getötet und erneut Dutzende Familien vertrieben. Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) berichtete, dass etwa eine Million Vertriebene in Gaza während der Feindseligkeiten in Schulen Zuflucht gesucht hatten und dass bis zum 18. Juli mindestens 836 Menschen, die in Schulen Zuflucht gesucht hatten, getötet und mindestens 2.527 verletzt worden waren.

Nach der neuesten Einschätzung des Bildungsclusters für das besetzte palästinensische Gebiet sind 97 Prozent der Schulgebäude in Gaza (547 von 564) in irgendeiner Form beschädigt sind, darunter 462 (76 Prozent), die „direkt getroffen“ wurden, sowie 518 (92 Prozent), die „komplett wieder aufgebaut oder umfangreich renoviert werden müssen, um wieder genutzt werden zu können“.

Die israelischen Angriffe haben Zivilist*innen den sicheren Zugang zu Notunterkünften verwehrt und werden dazu beitragen, dass der Zugang zu Bildung für viele Jahre unterbrochen wird, da die Reparatur und der Wiederaufbau von Schulen erhebliche Ressourcen und Zeit erfordern können, was erhebliche negative Auswirkungen auf Kinder, Eltern und Lehrkräfte hat.

Die israelischen Medien +972Magazine und Local Call berichteten am 24. Juli, dass das israelische Militär „eine spezielle Angriffseinheit eingerichtet hat, um systematisch Schulen zu identifizieren, die als ‚Schwerpunktzentren‘ bezeichnet werden, um sie zu bombardieren, mit der Begründung, dass sich Hamas-Kämpfer unter Hunderten von Zivilist*innen verstecken“. Der Bericht wies darauf hin, dass sogenannte „Double-Tap“-Angriffe – also ein zweiter Angriff auf denselben Ort, um Überlebende des ersten Angriffs und Ersthelfer zu treffen – „in den letzten Monaten, in denen Israel Schulen in Gaza bombardiert, besonders häufig geworden sind“.

Das israelische Militär hat zu Dutzenden Angriffen auf Schulen behauptet, dass sich Hamas- oder andere palästinensische Kämpfer oder „Kommando- und Kontrollzentren“ in den Schulen aufgehalten hätten, ohne dafür konkrete Angaben zu machen. Human Rights Watch sind nur sieben Fälle bekannt, in denen das israelische Militär Namen und Fotos von mutmaßlichen Mitgliedern palästinensischer bewaffneter Gruppen veröffentlicht hat, die sich zum Zeitpunkt des Angriffs angeblich in einer Schule aufgehalten haben sollen.

Nach einem Angriff auf die al-Sardi-Schule am 6. Juni 2024 hat das israelische Militär 17 Namen von mutmaßlichen Kämpfern identifiziert. Eine Überprüfung der Namen durch Human Rights Watch ergab jedoch, dass drei davon Personen waren, die offenbar bereits bei früheren Angriffen getötet worden waren.

Die Anwesenheit palästinensischer bewaffneter Gruppen in einer der angegriffenen Schulen würde die Angriffe nicht zwangsläufig legitimieren. Das humanitäre Völkerrecht verbietet Angriffe auf militärische Ziele, wenn der zu erwartende Schaden für die Zivilbevölkerung und zivile Objekte in keinem Verhältnis zum erwarteten militärischen Vorteil des Angriffs steht.

Völkerrechtlich sind die kriegführenden Parteien auch verpflichtet, „wirksame Vorwarnungen“ vor Angriffen abzugeben, die die Zivilbevölkerung treffen könnten, es sei denn, die Umstände lassen dies nicht zu.

Bewaffnete Gruppen, die in Schulen, die zu Unterkünften umfunktioniert wurden, stationiert sind, würden die Zivilbevölkerung unnötigen gefährden. Das humanitäre Völkerrecht verpflichtet alle Konfliktparteien, alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen gegen die Auswirkungen von Angriffen zu treffen und militärische Ziele nicht in der Nähe dicht besiedelter Gebiete zu errichten.

Schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch Personen mit krimineller Absicht – also vorsätzlich oder fahrlässig – sind Kriegsverbrechen. Personen können auch strafrechtlich für die Beihilfe, Erleichterung, Unterstützung oder Anstiftung zu einem Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht werden. Alle Staaten, die an einem bewaffneten Konflikt beteiligt sind, müssen mutmaßliche Kriegsverbrechen von Angehörigen ihrer Streitkräfte untersuchen.

Die „Safe Schools Declaration“ ist eine internationale politische Verpflichtung, die von 121 Ländern unterschrieben wurde. Sie zielt darauf ab, Bildung in Kriegszeiten zu schützen, indem Angriffe auf Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Schulen und Universitäten besser verhindert und darauf reagiert wird, auch indem Bildungseinrichtungen nicht für militärische Zwecke genutzt werden. Israel hat die Erklärung nicht unterschrieben, Palästina hat sie aber 2015 gebilligt.

Regierungen sollten Waffenlieferungen an Israel stoppen, denn es besteht ein klares Risiko, dass diese Waffen für schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verwendet werden könnten. Die Lieferung von Waffen an Israel durch die US-Regierung, die wiederholt bei Angriffen auf Schulen, die als Schutzräume dienten, und offenbar bei Kriegsverbrechen eingesetzt wurden, macht die Vereinigten Staaten mitschuldig an deren rechtswidriger Verwendung.

Am 10. Juni hat die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zu dem besetzten palästinensischen Gebiet, einschließlich Ostjerusalem, und zu Israel berichtet, dass die israelischen Behörden „das Bildungssystem in Gaza zerstört“ hätten und dass ihre Angriffe auf Bildungs-, religiöse und kulturelle Einrichtungen im besetzten palästinensischen Gebiet „Teil eines weitreichenden und unerbittlichen Angriffs auf das palästinensische Volk“ seien, bei dem israelische Streitkräfte Kriegsverbrechen und das Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Auslöschung begangen hätten.

„Nach fast zwei Jahren regelmäßiger israelischer Angriffe, die Zivilist*innen in Schulen und anderen geschützten Orten getötet haben, können Regierungen, die Israel militärisch unterstützen, nicht mehr sagen, dass sie sich der Folgen ihrer Handlungen nicht bewusst waren“, sagte Simpson. „Regierungen sollten alle Waffenlieferungen an Israel stoppen und andere Maßnahmen ergreifen, um weitere Massenverbrechen zu verhindern.“

Israelische Angriffe auf Schulen, die als Notunterkünfte genutzt werden

Human Rights Watch konnte die Orte der Angriffe auf die Khadija-Mädchenschule und die al-Zeitoun C-Schule nicht besichtigen, da die israelischen Behörden seit Oktober 2023 praktisch alle Zugänge zum Gazastreifen gesperrt haben. Israel hat seit 2008 wiederholt Anträge von Human Rights Watch auf Einreise in den Gazastreifen abgelehnt.

Khadija-Mädchenschule, Deir al-Balah, 27. Juli 2024

Am 27. Juli 2024, ab kurz vor 12 Uhr mittags bis etwa 15 Uhr, haben israelische Truppen mindestens drei Luftangriffe, zwei davon mit US-Waffen, auf die Khadija-Mädchenschule in Deir al-Balah geflogen und dabei mindestens 15 Menschen getötet. Der palästinensische Zivilschutz in Gaza, der für Notfall- und Rettungsdienste zuständig ist, berichtete, dass die Schule seit vielen Monaten etwa 4.000 Vertriebene beherbergt hatte. Der Direktor des Al-Aqsa-Märtyrer-Krankenhauses in Deir al-Balah, etwa einen Kilometer östlich der Schule, sagte, dass die Schule über ein „Feldlazarett” verfügte, das mit seinem Krankenhaus verbunden war. Kurz vor Mittag tauchten erste Berichte über den Angriff in den sozialen Medien auf.

Das Schulgelände besteht aus fünf Gebäuden neben einem Spielplatz auf einer Fläche von etwa 5.000 Quadratmetern.

Ein Junge steht in den Trümmern der Khadija-Schule in Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens, die am 27. Juli 2024 von einem israelischen Luftangriff getroffen wurde, bei dem mindestens 15 palästinensische Vertriebene getötet wurden. © 2024 Rizek Abdeljawad/Xinhua via Getty Images

Human Rights Watch hat keine Hinweise darauf gefunden, dass es am Tag des Angriffs ein militärisches Ziel in der Schule oder in der Nähe gab. Bei der Überprüfung von Social-Media-Beiträgen über die Männer, die bei dem Angriff getötet wurden, sowie der Internetseiten palästinensischer bewaffneter Gruppen und israelischer Streitkräfte wurden keine Hinweise auf die Anwesenheit einer palästinensischen bewaffneten Gruppe in der Schule gefunden. Das israelische Militär hat auf eine Anfrage von Human Rights Watch nach näheren Informationen über das Ziel nicht geantwortet.

Die Nichtregierungsorganisation Airwars, die sich mit zivilen Opfern in Konfliktgebieten beschäftigt, hat Social Media und andere öffentliche Quellen überprüft und die Namen von 15 getöteten Personen gefunden, darunter 7 Männer, 4 Frauen und 4 Kinder sowie 2 weitere Personen, deren vollständige Namen nicht bekannt sind. Airwars hat auch die vollständigen Namen von 9 Verletzten ermittelt, darunter 4 Männer, 2 Kinder und 3 Personen männlichen Geschlechts, deren Alter unbekannt ist. Die identifizierten Toten und Verletzten stammen aus 18 Familien. Human Rights Watch hat Social-Media-Beiträge und andere öffentlich zugängliche Quellen überprüft, aber keine weiteren Namen gefunden.

Das Gesundheitsministerium in Gaza teilte mit, dass bei dem Angriff mindestens 30 Menschen getötet und 100 verletzt worden seien. Die Opfer wurden in das nahe gelegene Al-Aqsa-Märtyrer-Krankenhaus gebracht.

Human Rights Watch hat telefonisch mit einem Journalisten gesprochen, der vor Ort im Krankenhaus war. Er sagte aus, dass er gegen Mittag eine einzelne Explosion aus Richtung der Schule gehört habe und dorthin gerannt sei. „Als wir ankamen, bot sich uns ein schrecklicher Anblick“, berichtete der Journalist. „Ich sah verletzte Frauen, Kinder, ältere Menschen und einige Ärzte in ihrer OP-Kleidung. Frauen schrien: ‚Wo sind meine Kinder?‘ oder ‚Mein Sohn, ich will meinen Sohn!‘“

Human Rights Watch sprach außerdem mit einem weiteren Journalisten, der sich gegen Mittag etwa zwei Kilometer von der Schule entfernt befand, als er eine Bombe fallen hörte und anschließend eine Explosion. Er kam etwa 20 Minuten später an der Schule an.

„Ich hab gesehen, dass ein zweistöckiges Gebäude am östlichen Rand des Schulgeländes komplett zerstört war“, sagte er. „Kannst du dir vorstellen, dass ein Gebäude voller vertriebener Menschen innerhalb von Sekunden dem Erdboden gleichgemacht wird? Ich habe Menschen mit schweren und leichteren Verletzungen gesehen und auf dem Boden lagen menschliche Überreste.“

Human Rights Watch hat vier Videos der Angriffe auf die Schule überprüft, allerdings zeigt keines davon den ersten Angriff. Das erste Video wurde vom saudischen Nachrichtensender Asharq News in den sozialen Medien gepostet. Eine Analyse der Schatten im Video zeigt, dass es gegen Mittag aufgenommen wurde. Das Video zeigt Schäden und Trümmer im nördlichen Teil des Schulgeländes sowie Verletzte, die aus einem der Gebäude getragen werden.

Human Rights Watch hat zwei weitere Videos analysiert, die am 27. Juli in den sozialen Medien gepostet wurden und zwischen 14 und 15 Uhr aufgenommen wurden. Das erste Video zeigt, wie zwei Geschosse fast gleichzeitig die Schule treffen. Das zweite Video, das etwa 200 Meter südöstlich der Schule aufgenommen wurde, filmt eine laute Explosion, gefolgt von einer Gruppe von Menschen, die durch eine Rauchwolke auf das Schulgelände rennen. Anschließend sind erhebliche Schäden im westlichen und südlichen Teil des Schulgeländes zu sehen, darunter zwei vollständig zerstörte Gebäude. Die Kamera schwenkt dann auf einen Munitionsrest, der in der Mitte des Schulgeländes im Boden steckt.

Ein viertes Video, das von einem Account, der schon zwei andere Videos von dem Angriff gepostet hat, in den sozialen Medien hochgeladen wurde, zeigt eine nicht explodierte Munition in einem Raum, der angeblich zu der Schule gehört. Human Rights Watch konnte nicht bestätigen, wo und wann das Video aufgenommen wurde, aber die Farbe der zerbrochenen Fensterrahmen stimmt mit dem ersten Video aus der Schule überein.

Anhand von Fotos, Videos und identifizierbaren Munitionsresten, darunter ein nicht explodierter Gegenstand, hat Human Rights Watch festgestellt, dass bei dem Angriff mindestens zwei aus der Luft abgeworfene Sprengbomben vom Kaliber GBU-39 mit kleinem Durchmesser eingesetzt wurden. Diese Munition wird von der Boeing Company hergestellt und mit Genehmigung der US-Regierung im Rahmen des Programms für Waffenverkäufe an ausländische Staaten (Foreign Military Sales) oder des Programms für direkte kommerzielle Verkäufe (Direct Commercial Sales) an Israel geliefert.

Das Medienbüro in Gaza berichtete, dass israelische Kampfflugzeuge drei Bomben auf das Feldlazarett in der Schule abgeworfen hätten. Ein Zeuge sagte der Washington Post, dass gegen Mittag vier Geschosse die Schule getroffen hätten.

Ein Mann, der angab, sich gegen Mittag etwa 500 Meter von der Schule entfernt befunden zu haben, schilderte zwei Angriffe mit mehreren Geschossen. Er berichtete Human Rights Watch, dass die israelischen Behörden nach dem ersten Angriff die Bewohner*innen eines Hauses in der Nähe der Schule kontaktierten und ihnen sagten, sie sollten „das Gebiet verlassen, da sie die Schule erneut angreifen würden“. Er sagte auch, dass bei der zweiten Angriffswelle mehrere Bomben abgeworfen wurden, die das Gebäude, das bei den ersten Angriffen getroffen worden war, vollständig zerstörten.

Das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte stellte außerdem fest, dass das israelische Militär vor dem zweiten und dritten Angriff eine Warnung ausgesprochen hatte, „nicht jedoch vor dem ersten Angriff, bei dem Berichten zufolge die meisten Opfer zu beklagen waren“.

Ungefähr eine Stunde nach dem Angriff hat das israelische Militär auf seinem Telegram-Kanal erklärt, dass es „Terroristen angegriffen hat, die ein Kommando- und Kontrollzentrum der Hamas in der Khadija-Schule im Zentrum von Gaza betrieben haben“. Nähere Details hat das israelische Militär nicht genannt.

Human Rights Watch hat online Material über die sieben Männer, die laut Airwars getötet wurden, sowie die Telegram-Kanäle und die damit verbundenen Social-Media-Kanäle des bewaffneten Flügels der Hamas, der Izz a-Din al-Qassam-Brigaden, und des bewaffneten Flügels des Islamischen Dschihad, der al-Quds-Brigaden, überprüft. Oft geben diese Gruppen den Tod ihrer Kämpfer bekannt, doch keine der beiden Gruppen hat den Angriff erwähnt.

Das israelische Militär legte keine Informationen vor, die die Anwesenheit eines militärischen Ziels oder anderer militärischer Objekte innerhalb oder in der Nähe des Gebäudes belegen. Das Militär gab auch keine Erklärung dafür ab, warum es die Menschen, die in der Schule Schutz gesucht hatten, und die Anwohner*innen der umliegenden Gebäude nicht rechtzeitig vor dem ersten Angriff am Mittag gewarnt hatte, sodass sie sich in Sicherheit hätten bringen können.

Al-Zeitoun C Schule, Gaza-Stadt, 21. September 2024

Am 21. September 2024, gegen 10:45 Uhr, traf ein israelischer Luftangriff die al-Zeitoun C-Schule im Stadtteil al-Zeitoun in Gaza-Stadt und tötete mindestens 34 Menschen.

Human Rights Watch konnte keine Hinweise auf ein militärisches Ziel in oder in der Nähe der Schule am Tag des Angriffs finden. Eine Überprüfung der Social-Media-Beiträge von Männern, von denen bekannt ist, dass sie bei dem Angriff getötet wurden, sowie der Internetseiten palästinensischer bewaffneter Gruppen und israelischer Streitkräfte sowie ein Interview mit einem Mann, der in der Schule wohnte, ergaben keinerlei Hinweise auf die Anwesenheit einer palästinensischen bewaffneten Gruppe zum Zeitpunkt des Angriffs. Das israelische Militär reagierte weder auf eine Anfrage von Human Rights Watch nach näheren Informationen zum Ziel des Angriffs noch auf eine Anfrage von Journalist*innen zu Informationen über das angestrebte Ziel. Die BBC berichtete unter Berufung auf eine anonyme Quelle, dass der Angriff gezielt auf „eine lokale Hamas-Persönlichkeit” abgezielt habe und diese getötet worden sei, ohne jedoch weitere Details zu nennen.

Die Al-Zeitoun C-Schule in Gaza-Stadt, die am 21. September 2024 von einem israelischen Luftangriff getroffen wurde, bei dem mindestens 34 vertriebene Palästinenser*innen, darunter mindestens 21 Kinder, die dort Zuflucht gesucht hatten, getötet wurden. © 2024 Dawoud Abo Alkas/Anadolu via Getty Images

Der palästinensische Zivilschutz in Gaza meldete, dass in der Schule „Tausende“ Vertriebene untergebracht waren. Das Medienbüro in Gaza erklärte, dass viele der Vertriebenen Witwen und Waisen waren, die auch kleine Geldbeträge erhielten, um ihre Lebensmittelkosten zu decken.

Die Al-Zeitoun C-Schule ist Teil eines Schulkomplexes mit drei Schulen, darunter die Al-Zeitoun A/B- und die Al-Falah-Grundschule für Jungen B sowie die Al-Falah-Vorbereitungsschule für Jungen B. Al-Zeitoun C hat zwei Hauptgebäude und mehrere kleinere Bauten, die alle auf einem etwa 5.000 Quadratmeter großen Grundstück liegen.

Die Organisation Airwars überprüfte soziale Medien und andere öffentliche Quellen auf Informationen über den Angriff und fand die vollständigen Namen von 23 getöteten Personen aus neun Familien, darunter 3 Männer, 4 Frauen und 16 Kinder. Das Gesundheitsministerium von Gaza und das Medienbüro von Gaza gaben an, dass 22 Menschen getötet wurden, darunter 6 Frauen und 13 Kinder.

Human Rights Watch hat soziale Medien und andere öffentliche Quellen ausgewertet und die vollständigen Namen von vier weiteren getöteten Personen ermittelt. Darunter sind eine Frau, zwei Jungen und eine weibliche Person unbekannten Alters.

Human Rights Watch sprach mit einem Mann, der zum Zeitpunkt des Angriffs in der Schule war und angab, dass bei dem Angriff acht Mitglieder seiner Familie getötet wurden, darunter ein Junge, der auf der Liste von Airwars stand. Die anderen sieben waren drei Frauen, drei Kinder und ein Mann, die von Airwars nicht identifiziert wurden.

Human Rights Watch überprüfte soziale Medien auf Erwähnungen der vier Männer, die laut Airwars bei dem Angriff getötet worden waren, und fand keine Verbindungen zu bewaffneten Gruppen.

Der palästinensische Zivilschutz in Gaza sagte, dass eine der getöteten Frauen schwanger war und dass etwa 30 Personen so verletzt wurden, darunter 9 Kinder, dass ihnen Gliedmaßen amputiert werden mussten. Ein Video, das vom saudischen Nachrichtensender Asharq News in den sozialen Medien gepostet und von Human Rights Watch ausgewertet wurde, zeigt einen Rettungshelfer, wie er vor einem der Schulgebäude steht und etwas in den Händen hält, bei dem es sich laut Angaben des Senders um einen toten Fötus handelt.

Die Opfer wurden in das al-Ahli Arab Baptist-Krankenhaus in Gaza-Stadt gebracht.

Human Rights Watch analysierte zwei weitere Videos mit Aufnahmen der Folgen des Angriffs, die am 21. September in den sozialen Medien hochgeladen wurden. Human Rights Watch konnte dabei die Geolokalisierungen bestätigen, die zuvor von den beiden Open-Source-Forschern Anno Nemo und Jack Dev ermittelt worden waren.

Ein Video, das gegen 11:30 Uhr aufgenommen wurde, zeigt zwei Männer, die zwei verletzte und blutüberströmte Kinder über den Campus tragen. Menschen umringen außerdem zwei schwer verletzte Kinder, von denen eines regungslos ist, und versuchen, ihre Wunden zu versorgen. Ein zweites Video zeigt den Schulhof nach dem Angriff, Dutzende Menschen am Eingang eines Gebäudes auf der Westseite des Schulgeländes und mehrere tote Kinder.

Der Mann, der acht Familienmitglieder verlor, sagte aus, dass vier Geschosse ohne Vorwarnung die Schule getroffen hätten. Ein anderer Zeuge berichtete einem Journalisten, er habe Explosionen gesehen, als zwei Geschosse das Gelände trafen. Eine Frau, die in der Schule untergebracht war und sich zum Zeitpunkt des Angriffs dort befand, berichtete einem anderen Journalisten: „Plötzlich regnete es Raketen auf uns – es gab keine Vorwarnung.“

Drei auf X hochgeladene Fotos mit dem Logo des Quds News Network zeigen ein Kind, das in einem der Klassenzimmer drei identifizierbare Munitionsreste in den Händen hält. Anhand dieser Bilder hat Human Rights Watch festgestellt, dass mindestens eine in den USA hergestellte GBU-39-Bombe mit kleinem Durchmesser mindestens eines der Schulgebäude direkt getroffen hat.

Der Zeuge, der acht Familienmitglieder verloren hat, berichtete, er habe keine Waffen oder militärisches Material in der Schule gesehen und es seien keine bewaffneten Kämpfer anwesend gewesen, „nur Zivilisten, die Schutz suchten“.

Human Rights Watch hat Online-Materialien zu den Männern, die laut Airwars bei den einzelnen Angriffen getötet wurden, überprüft und dabei keinerlei Hinweise darauf gefunden, dass es sich um Kämpfer handelte. Human Rights Watch hat die Telegram-Kanäle und die sozialen Medien der bewaffneten Flügel der Hamas, der Izz a-Din al-Qassam-Brigaden und des Islamischen Dschihad sowie der al-Quds-Brigaden überprüft. Keine dieser Gruppen erwähnte den Angriff.

Die Videoaufnahmen, die Human Rights Watch von den Folgen der Angriffe auf die Schule analysiert hat, zeigen keine palästinensischen bewaffneten Gruppen oder militärische Ausrüstung in oder in der Nähe des Gebäudes zum Zeitpunkt des Angriffs.

Am Tag des Angriffs gab das israelische Militär bekannt, es habe „einen präzisen Schlag gegen Terroristen geführt, die in einem Kommando- und Kontrollzentrum der Hamas operierten ... das sich in einem Komplex befand, der zuvor als Al-Falah-Schule genutzt wurde“. Laut einer Person, die mit den Schulen gut vertraut ist und mit Airwars gesprochen hat, liegen die Al-Falah-Grundschule für Jungen B und die Al-Falah-Vorbereitungsschule für Jungen B etwa 200 Meter von der Al-Zeitoun-C-Schule entfernt, wobei die Al-Zeitoun-A/B-Schule dazwischen liegt. Palästinensische Medien erwähnten einen israelischen Angriff auf die Al-Falah-Schule am selben Tag, bei dem es Berichten zufolge Verletzte gab. Das israelische Militär hat keine separate Erklärung zu dem Angriff auf die Al-Zeitoun-C-Schule abgegeben und keine Informationen vorgelegt, die die Existenz eines militärischen Ziels dort belegen würden. Das Militär hat auch nicht erklärt, warum es die Menschen in der Al-Zeitoun-C-Schule und den umliegenden Gebäuden nicht rechtzeitig vor dem ersten Angriff gewarnt hat, sodass sie hätten evakuiert werden können.

Ein Mädchen, das den Angriff überlebt hat, sagte der BBC: „Was haben wir als Kinder denn verbrochen? Wir wachen voller Angst auf und gehen voller Angst schlafen. Schützt wenigstens die Schulen; wir haben keine Schulen und keine Häuser – wohin sollen wir gehen?“

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