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Russland: Verfahren gegen Aktivistin für Feminismus und LGBT-Rechte

Politisch motivierte Anklage exemplarisch für Kreuzzug gegen Nonkonformismus

Die Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre und zwei Monate Haft für die russische Aktivistin Yulia Tsvetkova in einem absurden, geschlossenen Verfahren wegen „Pornografie“-Anschuldigungen.

Yulia Tsvetkova. © 2022 Privat

Die Aktivistin aus Komsomolsk am Amur im Osten Russlands setzt sich für die Rechte von Frauen und für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen (LGBT) in Russland ein. Die Anklage gegen Tsvetkova steht im Zusammenhang mit der öffentlichen Gruppe, die sie in den sozialen Medien verwaltet hat, um körperfreundliche Kunstwerke mit Darstellungen der weiblichen Anatomie zu verbreiten.

Während der 31-monatigen Ermittlungen und des Prozesses führten die Behörden eine Razzia in Tsvetkovas Wohnung durch, hielten sie vier Monate lang unter Hausarrest, verhängten Geldstrafen und erwägten die Eröffnung eines weiteren Strafverfahrens gegen sie.

Die Behörden nahmen zahlreiche Aktivist*innen fest und verhängten Geldstrafen, darunter auch feministische Aktivist*innen, die in Solidarität mit Tsvetkova Mahnwachen veranstalteten. Das Urteil wird im Juli erwartet.

Am 3. Juni setzte das Justizministerium Tsvetkova auf die Liste „ausländischer Agenten“, eine brandmarkende Bezeichnung, mit der die Behörden Kritiker schikanieren und bestrafen. Die Staatsanwältschaft bat das Gericht, dies zu dem „persönlichen Merkmalen“ in ihrer Prozessakte hinzuzufügen.

Die Anklage gegen Tsvetkova entbehrt jeder rechtlichen Grundlage. Die Strafverfolgungsbehörden brauchten vier Anläufe, um die Staatsanwaltschaft dazu zu bringen, die Anklage gegen sie zu genehmigen.

Das Verfahren gegen Tsvetkova ist ein eklatanter Verstoß gegen das durch internationales Recht geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung. Sollte sie verurteilt werden, wird sie nicht mehr in der Lage sein, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Berufung einzulegen, um das Unrecht anzufechten. Durch seinen Krieg gegen die Ukraine isoliert sich Russland immer weiter.

Am selben Tag, an dem Tsvetkova vor Gericht stand, entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass Russlands repressives Gesetz über „ausländische Agenten“ gegen die Vereinigungsfreiheit verstößt. Nach dem Austritt Russlands aus der Europäischen Menschenrechtskonvention erklärten die russischen Behörden, sie würden sich nicht an die Urteile des Gerichts halten.

Der Prozess gegen Yulia Tsvetkova ist ein Beispiel für den Kreuzzug des Staates gegen Nonkonformismus, der immer härter gegen jede Form der Abweichung von der offiziellen Rhetorik vorgeht. Selbst in diesem Zusammenhang wäre die Absurdität der Anklagen lächerlich, wenn man nicht die Tortur bedenken würde, die Tsvetkova auferlegt wurde, und das reale Risiko einer Inhaftierung, das ihr droht. Die Behörden sollten das Verfahren gegen sie sofort einstellen.

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