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Gambia: Mutmaßliches „Todesschwadron“-Mitglied in Deutschland verhaftet

Großer Schritt für Opfer von Menschenrechtsverletzungen unter Präsident Yahya Jammeh

Mitglieder der als "Junglers" bekannten paramilitärischen Gruppe Gambias. Die "Junglers" wurden in schwere Menschenrechtsverletzungen verwickelt, darunter Folter, Verschwindenlassen und Tötungen. © Private

(Berlin) – In Deutschland haben Behörden am 16. März 2021 ein mutmaßliches ehemaliges Mitglieds der gambischen „Todesschwadron“ festgenommen, das Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben soll. Die Festnahme ist ein wichtiger Schritt für die gambischen Opfer und die internationale Justiz, so Human Rights Watch heute.

Bai L. war mutmaßlich Mitglied der berüchtigten Todesschwadron „Junglers“, die der damalige Präsident Yahya Jammeh Mitte der 1990er Jahre aufgestellt hat. Die deutschen Behörden haben den vollen Namen des Angeklagten in Übereinstimmung mit den deutschen Datenschutzbestimmungen nicht veröffentlicht. Jammehs 22-jährige Herrschaft war von weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen geprägt. Jammeh befindet sich in Äquatorialguinea, wohin er nach seiner Niederlage bei der gambischen Präsidentschaftswahl 2016 gegen Adama Barrow geflohen war.

„Die Verhaftung eines mutmaßlichen ‚Junglers‘ in Deutschland zeigt, dass der lange Arm des Gesetzes die Komplizen von Yahya Jammeh überall auf der Welt erreicht“, sagte Reed Brody, Senior Counsel bei Human Rights Watch. „Jammehs Handlanger in Gambia und sogar Jammeh selbst in Äquatorialguinea könnten bald für ihre mutmaßlichen internationalen Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden.“

Bai L. ist der dritte mutmaßliche Komplize Jammehs, der im Ausland unter Anwendung der universellen Gerichtsbarkeit inhaftiert wurde, darunter ein ehemaliger „Jungler“, Michael Sang Correa, in den USA, und Gambias ehemaliger Innenminister, Ousman Sonko, in der Schweiz. Die universelle Gerichtsbarkeit ermöglicht es, schwere Verbrechen nach internationalem Recht zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen, egal wo sie begangen wurden und unabhängig von der Nationalität der Verdächtigen oder der Opfer.

Die deutsche Staatsanwaltschaft beschuldigt Bai L., der in Hannover lebte, zwischen Dezember 2003 und Dezember 2006 als Fahrer für die „Junglers“ tätig gewesen zu sein. Er soll an drei „Liquidationsaufträgen“ beteiligt gewesen sein, bei denen er Jungler-Mitglieder zu Anschlagsorten fuhr.

Zu den Zielpersonen gehörten hierbei der Zeitungsredakteur Dayda Hydara, ein Kritiker der Jammeh-Regierung, der 2004 ermordet wurde, und der Rechtsanwalt Ousman Sillah, der ein Jahr zuvor einen Mordversuch überlebte.

Neben diesen Fällen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Mord und versuchtem Mord war Bai L. in weitere Verbrechen der Jammeh-Regierung verwickelt. Ehemalige „Jungler“ berichteten der gambischen Wahrheits-, Versöhnungs- und Wiedergutmachungskommission, dass Bai L. im Jahr 2005 an der Ermordung von 59 westafrikanischen Migranten beteiligt gewesen sein soll. Bai L. selbst schilderte 2016 in einem Radiointerview seine Beteiligung an dem Fall der Migranten, der Hinrichtung des ehemaligen Geheimdienstchefs Daba Marenah und vier Mitarbeitern im April 2006, dem Mord an Hydara und dem Anschlag auf Sillah.

„Ich möchte, dass mir und allen anderen, die Opfer von Yahya Jammeh und seinen Sicherheitskräften wurden, Gerechtigkeit widerfährt", sagte Baba Hydara, Sohn des Zeitungsredakteurs Deyda Hydara. „Jeder, der an der Ermordung meines Vaters beteiligt war, wird vor Gericht gestellt werden, und wir werden nicht aufhören, bis jedem einzelnen von ihnen der Prozess gemacht wird.“

Die gambische Wahrheitskommission hat auch Zeugenaussagen gehört, wonach Jammeh an der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung von Frauen, die zu ihm gebracht wurden, beteiligt war. Er soll HIV-positive Gambier gezwungen haben, ihre Medikamente abzusetzen und sich in seine persönliche Obhut zu begeben, und verantwortlich sein für die Anordnung der Tötung und Folterung von politischen Gegnern und „Hexenjagden“, bei denen Hunderte von Frauen willkürlich inhaftiert wurden. Die Kommission ist beauftragt mit der „Identifizierung und Empfehlung zur strafrechtlichen Verfolgung von Personen, welche die Hauptverantwortung für Menschenrechtsverletzungen tragen“ und wird ihren Bericht voraussichtlich im Juli vorlegen.

Deutsche Behörden ermitteln auch gegen Personen, die schwere Verbrechen wie Folter, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien und anderen Ländern begangen haben sollen. Im April 2020 begannen Richter in der Stadt Koblenz mit der Beweisaufnahme im ersten Prozess, in dem es um mutmaßliche Folter durch staatliche Agenten während des brutalen, jahrzehntelangen bewaffneten Konflikts in Syrien geht. Einer der beiden Angeklagten in diesem Fall wurde am 24. Februar verurteilt.

„Fälle der universellen Gerichtsbarkeit sind ein zunehmend wichtiger Teil der internationalen Bemühungen, die Verantwortlichen für Gräueltaten zur Rechenschaft zu ziehen. Sie verhelfen Opfern, die sich nirgendwo anders hinwenden können, zu Gerechtigkeit, schrecken von zukünftigen Verbrechen ab und tragen dazu bei, dass Länder nicht zu sicheren Zufluchtsorten für Menschen werden, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben“, so Brody. „Diejenigen, die internationale Verbrechen begangen haben, müssen vor Gericht gestellt werden, wo auch immer sie sich aufhalten.“

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