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(Berlin) – Kasachstan soll umgehend damit aufhören, durch rechtliche Schritte einen unabhängigen Gewerkschaftsverband aufzulösen, so Human Rights Watch heute. Ein Wirtschaftsgericht in Schymkent, im Süden Kasachstans, prüft seit dem 5. Dezember 2016 einen Fall, den das Justizministerium gegen den Verband der unabhängigen Gewerkschaften in Kasachstan anstrengt. Drei weiteren Industriegewerkschaften droht ebenfalls die Auflösung.

„Kasachstan soll seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen und seinen Arbeitern erlauben, sich frei zu organisieren, anstatt eine der größten Arbeiterorganisationen abzuschaffen” so Hugh Williamson, Direktor der Abteilung Europa- und Zentralasien von Human Rights Watch. „Die Grundrechte von Arbeitern zu missachten, ist schon per se zu verurteilen. Außerdem sendet es ein falsches Signal an Kasachstans Partner.”

Kasachstan ist in der Region eine Drehscheibe für ausländische Investitionen in der Rohstoffindustrie. Spätestens im Jahr 2050 möchte Kasachstan zu den Top 30 Volkswirtschaften gehören. Die wichtigsten Partner hierbei sind die Europäische Union sowie ihre Mitgliedstaaten und die Vereinigten Staaten. Diese sollen Astana drängen, von der Auflösung einer international anerkannten Gewerkschaft abzusehen und den Gewerkschaften zu erlauben, frei zu agieren, so Human Rights Watch.

A worker walks past oil tanks in southern Kazakhstan.  © 2016 Reuters


Die Bestrebungen, den Gewerkschaftsverband und ihm angeschlossene Gewerkschaften für medizinisches Personal, Hausangestellte und Minenarbeiter aufzulösen, kamen auf, nachdem die Behörden mehrfach den Antrag des Verbands abgelehnt hatten, seine Aktivitäten vollständig unter dem restriktiven Gewerkschaftsgesetzes von 2014 registrieren zu lassen. Dieses Gesetz sieht einen aufwendigen und hürdenreichen Registrierungsvorgang für Gewerkschaften vor, der den international geschützten Rechten von Arbeitern entgegensteht, sich frei zu organisieren, so Human Rights Watch.

In den Jahren 2015 und 2016 hat die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) im Rahmen ihrer jährlichen Konferenz Kasachstan scharf für die Einschränkungen durch das Gewerkschaftsgesetz von 2014 kritisiert. Im Juni 2015 sagte der Ausschuss für die Umsetzung der Normen, das höchste Entscheidungsorgan der ILO, Kasachstan solle „die Bestimmungen des Gewerkschaftsgesetzes von 2014 in Einklang mit denen der ILO-Konvention bringen.“ Bislang hat Kasachstan das Gesetz nicht entsprechend überarbeitet.

Kasachstans Justizministerium wirft dem Verband, der sich nach massiven Verzögerungen im Februar 2016 hat registrieren lassen, vor, gegen das Gewerkschaftsgesetz verstoßen zu haben, da der Status als nationale Gewerkschaft nicht innerhalb der vorgeschriebenen sechs Monate bestätigt wurde.

Das Gesetz verlangt von jeder nationalen Gewerkschaft den Nachweis darüber, dass es Mitgliedsorganisationen in über der Hälfte der Territorien Kasachstans hat, darunter auch in der größten Stadt Almaty und in der Hauptstadt Astana. In dem kürzlich veröffentlichten Bericht „‘We Are Not the Enemy’: Violations of Workers Rights in Kazakhstan,” dokumentierte Human Rights Watch, wie der Verband und die ihm angeschlossenen lokalen und Industriegewerkschaften bei ihrem Registrierungsprozess behindert werden. Es kommt zu Verzögerungen bei der Antragsbearbeitung durch das Justizministerium oder Anträge werden aus Formgründen abgelehnt, etwa aufgrund von kleinen Abweichungen in Übersetzungen.

Die Gewerkschaft und seine Vorgängerinstitutionen sind seit den frühen 1990er Jahren aktiv. Seit der Verabschiedung des Gewerkschaftsgesetzes im Jahr 2014 hat der damalige Verband freier Gewerkschaften von Kasachstan mehrere Male versucht, das erste Mal im Mai 2015, sich gemäß den neuen Vorschriften erneut registrieren zu lassen. Hierbei konnte er jedoch die geografischen Voraussetzungen und jene zur Repräsentation nicht erfüllen. Nach weiteren Bemühungen zur Umstrukturierung registrierte sich die Gruppe im Februar als Verband unabhängiger Gewerkschaften in Kasachstan.

Der Internationale Bund freier Gewerkschaften (engl. The International Trade Union Confederation, kurz ITUC), der führende internationale Gewerkschaftsdachverband, hat den Verband kürzlich als vollwertiges Mitglied akzeptiert. Am 1. Dezember hat der ITUC eine Stellungnahme veröffentlicht, in der er Kasachstan dazu aufruft, die Vereinigungsfreiheit zu respektieren. Zudem schickte der Bund einen Brief an Präsident Nursultan Nazarbaev und appellierte an ihn, „unverzüglich die Beschwerde vor dem Wirtschaftsgericht zurückzuziehen und sicherzustellen, dass Arbeitern das Recht eingeräumt wird, ohne eine Vorabgenehmigung Gewerkschaften zu gründen.“

„ Kasachstan soll sich daran erinnern, dass Gewerkschaften von Arbeitern gegründet werden und nicht von der Regierung und dass sie dafür da sind, die Rechte von Arbeitern zu schützen”, so Williamson. „Die Behörden sollen die Gewerkschaften als einen wichtigen Faktor bei der Entwicklung des Landes sehen, und nicht als eine Bedrohung, die aus der Welt geschaffen werden muss.“

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