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Führende Menschenrechtsorganisationen benennen 39 von der CIA verschleppte Gefangene

Drei Organisationen klagen, um Informationen über geheime Gefangenschaft zu erlangen

(New York, 07. Juni 2007) – In einer bislang einzigartigen Darstellung haben sechs führende Menschenrechtsorganisationen heute die Namen und weitere Angaben von 39 Menschen bekannt gegeben, die wahrscheinlich in geheimer US-Haft festgehalten worden sind und deren jetziger Aufenthaltsort unbekannt ist. Das Hintergrundpapier nennt zudem Verwandte von Verdächtigen, die ebenfalls in geheimen Gefängnissen festgehalten wurden, einschließlich Kinder im Alter von sieben Jahren.

In diesem Zusammenhang haben drei der Organisationen vor einem US-Bundesgericht gemäß dem „Freedom of Information Act" Klage erhoben, um die Veröffentlichung von Informationen über die verschleppten Gefangenen zu erlangen.

Der 21-seitige Bericht "Off the Record: US Responsibility for Enforced Disappearances in the ‘War on Terror,'" enthält detaillierte Informationen über vier Personen, die erstmals als „verschwundene" Gefangene aufgelistet werden. Die gesamte Liste enthält Staatsangehörige unter anderem aus Ägypten, Kenia, Libyen, Marokko, Pakistan und Spanien. Es wird angenommen, dass sie unter anderem in Ländern wie Iran, Irak, Pakistan, Somalia und dem Sudan festgenommen und anschließend in geheime US-Gefangenenlager gebracht worden sind.

Die Liste - zusammengestellt von Amnesty International, Cageprisoners, dem Center for Constitutional Rights (CCR), dem Center for Human Rights and Global Justice an der juristischen Fakultät der New York University, Human Rights Watch und Reprieve - beruht auf Regierungsinformationen, Medienquellen und Interviews mit ehemaligen Gefangenen und weiteren Zeugen.

„Off the Record" hebt Aspekte der CIA-Gefangenenprogramme hervor, die die US-Regierung versucht hat zu verheimlichen. Es handelt sich hier beispielsweise um die Orte, an denen Gefangene möglicherweise festgehalten wurden, die Misshandlungen, denen sie ausgesetzt waren, sowie die Staaten, in die sie gebracht wurden.

Der Bericht enthüllt, dass Verwandte der Gefangenen, darunter Ehefrauen und Kinder im Alter von sieben Jahren, ebenfalls in geheimer Gefangenschaft festgehalten wurden. Im September 2002 wurden die beiden sieben bzw. neun Jahre alten Söhne Khalid Sheikh Mohammeds verhaftet. Augenzeugen zufolge wurden die zwei Kinder mindestens vier Monate lang in Gefängnissen für Erwachsene festgehalten und von US-Agenten zum Aufenthaltsort ihres Vaters befragt.

Ähnlich erging es Ahmed Khalfan Ghailani aus Tansania, der im Juli 2004 in Gujarat, Pakistan, zusammen mit seiner usbekischen Frau verhaftet wurde.

Die Menschenrechtsorganisationen fordern von der US-Regierung, das geheime CIA-Gefangenenprogramm und Verhörprogramm endgültig zu beenden. Zudem soll die Identität, das Schicksal und der Aufenthaltsort von jedem Gefangenen bekannt gegeben werden, der in einer der von der US-Regierung geführten oder überwachten geheimen Einrichtung festgehalten wurde.

In diesem Zusammenhang haben Amnesty International USA (AIUSA), CCR und die International Human Rights Clinic der NYU vor einem US-Bundesgericht gemäß dem Freedom of Information Act (FOIA) Klage erhoben. Sie wollten damit die Veröffentlichung von Informationen über die Identität der „verschwundenen" Gefangenen, einschließlich der nicht registrierten Gefangenen, erzwingen. AIUSA, CCR und die NYU International Human Rights Clinic klagten gegen mehrere US-Regierungsbehörden, darunter das Justizministerium und die CIA. Dabei werden Informationen über Personen eingefordert, die entweder von der US-Regierung selbst oder mit deren Beteiligung immer noch in Haft sind oder in Gefangenschaft waren und über die es bisher keine öffentlichen Aufzeichnungen gibt. Obwohl einige Behörden Dokumente mit nur wenig relevanten Informationen veröffentlicht haben, hat bisher keine Behörde eine Liste der Gefangenen in geheimen Gefängnissen oder eine Bewertung der Rechtmäßigkeit dieser geheimen Programme herausgegeben.

Es ist bekannt, dass die von den Organisationen eingeforderten Dokumente existieren. Präsident Bush gab im September 2006 öffentlich bekannt, dass es die von der CIA unterhaltenen geheimen Gefängnisse gibt; 14 Gefangene wurden aus diesen Gefängnissen nach Guantánamo gebracht und die US-Justizbehörde führte eine Untersuchung durch, die das geheime Gefangenenprogramm als legal bezeichnete.

Dennoch wurden Angaben zu den genauen Orten der Gefängnisse, die Identität der Gefangenen und die Vernehmungsmethoden bisher nicht öffentlich bekannt gegeben. Dies verhindert eine kritische Auseinandersetzung der Öffentlichkeit und der Gerichte mit diesem Thema. Die Gefangenen bleiben weiterhin wehrlos und sind Misshandlung und Folter ausgesetzt.

Die Geheimhaltung dieses Programms bedeutet zudem, dass niemand außerhalb der US-Regierung genau weiß, wie viele Gefangene festgenommen wurden und wie viele davon nach wie vor als „verschwunden" gelten. Im April 2007 wurde Abd al-Hadi al-Iraqi aus CIA-Gefangenschaft nach Guantánamo gebracht. Dies deutet darauf hin, dass das Programm weiterhin existiert, wobei einige Gefangene möglicherweise an andere Staaten ausgeliefert wurden und im Auftrag der US-Regierung in Haft sitzen. „Off the Record" macht darauf aufmerksam, dass einige der verschleppten Gefangenen vermutlich an Staaten übergeben wurden, in denen ihnen Folter droht und in denen sie weiterhin geheim und ohne Prozess festgehalten werden.

Aus Interviews mit Gefangenen, die aus CIA-Gefängnissen entlassen wurden, geht hervor, dass es immer wieder zur Festnahme so genannter „low-level"-Gefangener kam. Sie wurden fernab jeglicher Gefechte verhaftet und teilweise Jahre lang in Isolationshaft festgehalten, ohne rechtlichen Beistand oder Kontakt zu Familie oder außen stehenden Organisationen. Diejenigen, die freigelassen wurden, haben weder irgendeine Form von Rechtshilfe oder finanzieller Entschädigung erhalten noch wurde ihre Gefangenschaft anerkannt.

Zitate

Clive Stafford Smith, Geschäftsführer von Reprieve, sagte: „Es ist Zeit, dass die US-Regierung auspackt: Diese 39 Menschen werden seit Jahren vermisst und die Beweise belegen, dass sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in US-Haft befanden. Wo sind sie und was wurde ihnen angetan?"

Joanne Mariner, Direktorin der Abteilung für Terrorismus und Terrorismusbekämpfung von Human Rights Watch, sagte: „Wir wollen wissen, wo sich diese 39 Menschen jetzt befinden und was mit ihnen geschehen ist, seitdem sie „verschwunden" sind. Schon die Tatsache, dass sie in geheimen Gefängnissen festgehalten werden, ist ein gravierender Missstand. Nun müssen wir zudem befürchten, dass sie an Staaten übergeben wurden, in denen sie weiterhin geheime Haft und Misshandlung erdulden müssen."

Professor Meg Satterthwaite, Fakultätsdirektorin des Zentrums für Menschenrechte und Globale Gerechtigkeit an der NYU School of Law, sagte:
„Seit Ende der so genannten „dirty wars" in Lateinamerika missbilligt die Welt das „Verschwindenlassen" von Personen als grundlegenden Verstoß gegen internationales Recht. Trotz dieser allgemeinen Ächtung haben unsere Ermittlungen ergeben, dass die Vereinigten Staaten versucht haben, die Menschen auf der Liste verschwinden zu lassen sowie rechtsstaatliche Prinzipien zu umgehen. Die Vereinigten Staaten können Menschenrechte nicht ignorieren, indem sie Gefangene an geheimen, schwarzen Orten festhalten. Erzwungenes „Verschwindenlassen" ist illegal, unabhängig davon, wer dafür verantwortlich ist."

Vincent Warren, Geschäftsführer des Center for Constitutional Rights, sagte: „Unser Mandant Majid Khan wurde während seiner dreijährigen Haft in geheimen CIA-Gefängnissen gefoltert und misshandelt. Seine Familie wusste nicht, ob er noch lebte, geschweige denn, wo er sich befand. Der einzige Grund, jemanden „verschwinden" zu lassen, liegt darin, außerhalb des Gesetzes und fernab von der Öffentlichkeit agieren zu können. Geheime Haft ist unvereinbar mit der grundlegenden Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit. Die US-Regierung muss dieser verwerflichen Praxis sofort ein Ende setzen."

Moazzam Begg, Sprecher für Cageprisoners und ehemaliger Guantánamo Gefangener, sagte: „Die Aufgabe, Individuen zu vertreten, die von der mächtigsten Demokratie der Welt gefangen gehalten werden, besteht eher darin, Geister zu jagen als Gerechtigkeit zu schaffen. Konzepte wie beispielsweise ‚habeas corpus' verlieren für diejenigen, die sich an geheimen Orten oder in noch viel dunkleren, furcht erregenden Löchern befinden, vollkommen an Bedeutung. Für viele Gefangene ist schon allein die Möglichkeit, ungehindert die Wahrheit zu äußern, ohne gezwungen zu sein, ein gefälschtes Schuldbekenntnis zu unterschreiben, wichtiger als die Tatsache, dass sie überhaupt festgenommen wurden."

Claudio Cordone, Direktor der Forschungs-Abteilung von Amnesty International, sagte: "Die Pflicht der Regierung, die Bevölkerung vor Terrorismus zu schützen, wird nicht hinterfragt. Aber Männer, Frauen und sogar Kinder festzunehmen und Menschen an geheimen Orten festzuhalten, wo ihnen jegliche fundamentale Schutzmaßnahmen vorenthalten werden, muss hinterfragt werden. Die US-Regierung muss dieser illegalen und moralisch verwerflichen Praxis endgültig ein Ende setzen."

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