Bundespräsident Köhler,
Alt-Bundespräsident von Weizsäcker,
Präsident Schell,
Dr. Hamm-Brücher,
Bischof Huber,
Dr. Heuss,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Theodor Heuss war ein Symbol fundamentaler menschlicher Werte. Er verstand die Wichtigkeit der Schaffung einer Demokratie, die diese Werte respektiert und die Grundrechte aller verteidigt.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ist stolz darauf, diese Vision von Theodor Heuss weiterzuführen und zu versuchen, sie durch unsere Arbeit zum Schutz hilfsbedürftiger Menschen weltweit auszubauen. Wir fühlen uns daher sehr geehrt, mit diesem nach ihm benannten Preis ausgezeichnet zu werden.
Die Verleihung dieses Preises findet zu einem besonders passenden Zeitpunkt statt. Der Theodor-Heuss-Preis wird in diesem Jahr nicht nur zum 40. Mal verliehen, sondern es handelt sich auch um das erste Jahr, also um die ersten Anfänge, des Büros von Human Rights Watch in Deutschland, das wir diese Woche in Berlin eingeweiht haben.
Human Rights Watch ist Teil einer weltweiten Gemeinschaft von Menschenrechtsorganisationen mit Partnern in sozusagen allen Teilen der Welt. Wir sind bestrebt, die Prinzipien von Freiheit und Demokratie in den Gegenden zu fördern, in denen Gräueltaten vorherrschen, Repressionen die Oberhand haben und Menschen leiden. Theodor Heuss und andere Staatsmänner der Bundesrepublik Deutschland haben an diese Prinzipien geglaubt, Prinzipien, die heute in allen Teilen Deutschlands von vielen geteilt werden.
Human Rights Watch und andere Menschenrechtsorganisationen arbeiten gemeinsam daran, die Öffentlichkeit auf die missliche Lage verfolgter Menschen aufmerksam zu machen und die Beendigung ihrer Unterdrückung zu verlangen. Unsere Mitarbeiter stellen Recherchen und Untersuchungen an. Sie leben in Ländern, in denen die Bevölkerung unterdrückt wird oder in denen sich schreckliche Kriege abspielen, oder sie besuchen diese Staaten regelmäßig. Unsere Mitarbeiter sprechen mit Opfern und Zeugen von Misshandlungen und veröffentlichen diese Aussagen in 80 bis 100 Berichten pro Jahr, die auf unserer Website veröffentlicht werden und weite Verbreitung finden. Durch diese Berichte können wir auf Regierungen Druck ausüben, damit diese die Verletzungen der Menschenrechte einstellen.
Wir beschämen Regierungen, indem wir deren Fehlverhalten in der Presse anprangern. Wir arbeiten auf höchster Ebene mit anderen einflussreichen Regierungen zusammen, um sie darin zu bestärken, ihren diplomatischen und wirtschaftlichen Einfluss zu nutzen, um ein Ende der Misshandlungen zu verlangen. In extremen Fällen von Völkermord, Kriegsverbrechen oder Menschenrechtsverletzungen versuchen wir, die Täter vor Gericht zu bringen.
Bei unserer Arbeit sind wir bemüht, die Schandtaten ins Rampenlicht zu bringen, die die Regierungen zu verbergen suchen. Wir machen es für die Menschen und Regierungen dieser Welt unmöglich, sich auf Nichtwissen zu berufen.
Human Rights Watch hat heute in ihrer Arbeit mit vielen Herausforderungen zu kämpfen:
• Wir arbeiten daran, die ethnischen Säuberungen in Darfur und dem östlichen Kongo zu beenden.
• Wir arbeiten daran, das Verschwinden von Menschen in Tschetschenien und Nepal zu stoppen.
• Wir arbeiten daran, die Unterdrückung in China und Usbekistan zu beenden.
• Wir arbeiten daran, die Misshandlung von Gefangenen durch Washington im Namen der Terrorbekämpfung zu stoppen.
• Wir arbeiten daran, dass die Rechte von Immigranten und Asylanwärtern hier in Europa respektiert werden.
• Wir arbeiten daran, dass die Diskriminierung von Frauen im Nahen Osten im Namen von Kultur oder Religion beendet wird.
• Wir arbeiten daran, den Einsatz von Kindersoldaten in Nord-Uganda und Sri Lanka zu stoppen.
• Und wir arbeiten daran, diejenigen vor Gericht zu bringen, die für die schlimmsten Gräueltaten verantwortlich sind, gleichgültig, ob es sich um Slobodan Milosevic im Balkan, Saddam Hussein in Irak, die Völkermörder in Ruanda oder die heutigen Mörder in Darfur handelt.
Unsere Arbeit wird durch einige Schlüsselprinzipien geleitet:
• Wir treten gegen Menschenrechtsverletzungen aller Regierungen und bewaffneten Gruppen ein, egal, ob diese links oder rechts orientiert sind, aus den südlichen oder nördlichen Teilen der Welt stammen, schwach oder mächtig sind.
• Wir setzen uns bei unseren Untersuchungen von und Berichterstattungen über Menschenrechtsverletzungen für skrupellose Ehrlichkeit und Objektivität ein.
• Wir vertreten die gemeinsamen humanitären Werte, die in den internationalen Menschenrechten und Menschenrechtsgesetzen festgehalten sind.
• Wir sind der Meinung, dass jeder Mensch und jede Nation verantwortlich ist, seinen bzw. ihren Teil dazu beizutragen, Menschenrechtsverletzungen ein Ende zu bereiten – ganz egal, wo oder wann sie vorkommen.
Genau diese Verantwortlichkeit eines jeden Einzelnen hat Human Rights Watch dazu veranlasst, ihre Arbeit in Deutschland zu intensivieren.
Human Rights Watch arbeitet seit langem mit der Regierung Deutschlands bei einigen der wichtigsten Menschenrechtskampagnen zusammen. Die deutsche Regierung war unter allen Regierungen unsere wichtigste Verbündete in unserem Bemühen, den Internationalen Strafgerichtshof ins Leben zu rufen. In diesem Monat hat sie eine bedeutende Rolle gespielt, als es darum ging, die Situation in Darfur an dieses Gericht zu verweisen.
Darüber hinaus hat die deutsche Regierung unsere Bemühungen, den Einsatz von Tretminen und von Kindersoldaten zu stoppen, tatkräftig unterstützt. Außerdem spielt Deutschland eine zunehmend wichtige Rolle bei seiner Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des Friedens in Ländern, in denen Gewalttätigkeit herrscht: in Bosnien, Afghanistan und bald (wenn die Pläne in die Tat umgesetzt werden) im südlichen Sudan.
Ehrlich gesagt tut Deutschland jedoch immer noch nicht alles, was es zur Verteidigung der Menschenrechte tun könnte oder sollte.
An diesem Wochenende hat Human Rights Watch sein erstes Büro in Berlin eröffnet, um zur Übernahme einer aktiveren und konsistenteren Rolle bei der Förderung von Menschenrechten zu ermutigen und um eine engere Arbeitsbeziehung mit der Regierung Deutschlands zu schaffen. Unser neues Büro wird von Marianne Heuwagen, einer führenden Journalistin der Süddeutschen Zeitung und früheren Leiterin des Berliner Büros der SZ geleitet. Sie weilt heute unter uns.
Unser neues Berliner Büro wird eng mit den neuen Unterstützungsgremien von Human Rights Watch in Hamburg, München, Berlin und an anderen Orten zusammenarbeiten. Viele Mitglieder dieser Gremien befinden sich heute ebenfalls hier im Publikum.
Wir möchten die deutsche Regierung und die Bevölkerung dazu ermutigen, ihr volles Potenzial als Verteidiger von Menschenrechten in aller Welt zu erreichen. Einen größeren Tribut können wir der Vision und den Werten dieses großen Staatsmannes, Theodor Heuss, nicht zollen.
Wir danken Ihnen, dass Sie uns in seinem Namen diese Ehrung zuteil werden lassen.