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Neue Deutsche Leitlinien zu Kolonialer Restitution nicht menschenrechtskonform

Verpflichtung zur Wiedergutmachung Kolonialer Ungerechtigkeit Erfordert eine Überarbeitung

Benin-Bronzen, die in der Vergangenheit geplündert und von Deutschland an Nigeria zurückgegeben wurden, werden während einer Übergabezeremonie in Abuja am 20. Dezember 2022 begutachtet.  © 2022 Olamikan Gbemiga/AP Photo

Letzte Woche verabschiedeten Bund, Länder und Kommunen Gemeinsame Leitlinien zum Umgang mit Kulturgütern und menschlichen „Überresten“ aus kolonialen Kontexten. Trotz des begrüßenswerten Erstrebens, die Rückgabe und Rückführungen von Kulturgütern und menschlichen Gebeinen verstorbener Ahn*innen aus kolonialen Kontexten zu regulieren, scheinen sich die Leitlinien deutlich von internationalen Menschenrechtsstandards für koloniale Wiedergutmachung zu distanzieren.

Wie andere europäische Regierungen betrachtet Deutschland solche Rückgaben und Rückführungen im Allgemeinen als freiwillige Gesten des guten Willens und als „zwischenstaatliche (politische) Angelegenheit“ und nicht als Teil einer Verpflichtung zur Wiedergutmachung historischer und anhaltender kolonialer Ungerechtigkeit mit fortbestehenden Auswirkungen auf betroffene Gemeinschaften. Laut der neuen Leitlinien werden betroffene Gemeinschaften in Rückgabe- und Rückführungsprozesse einbezogen. Ihre Rolle wird jedoch durch die erforderliche Zustimmung des Herkunftsstaates für jegliche Rückgaben und Rückführungen, sowie die notwendige Feststellung einer „unrechtmäßigen“ oder „unethischen“ Aneignung der Kulturgüter, eingeschränkt. Viele indigene Völker oder Minderheiten, die von kolonialem Unrecht noch heute betroffen sind, werden von ihren eigenen Regierungen marginalisiert und bleiben damit faktisch ohne Interessensvertretung.

Human Rights Watch empfahl dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Deutschlands Einhaltung seiner Verpflichtung zum Schutz des Rechts aller auf Teilhabe am kulturellen Leben zu überprüfen, wozu auch der Zugang zu Kulturgütern und menschlichen Gebeinen aus kolonialen Kontexten gehört. Der Schutz des kulturellen Erbes und der Identität ist für indigene Völker besonders wichtig. Die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte indigener Völker von 2007 geht ausdrücklich darauf ein.

Im Jahr 2023 empfahl der UN-Ausschuss für die Beseitigung rassistischer Diskriminierung, dass Deutschland einen umfassenden und rechtebasierten Ansatz für die „Rückgabe kolonialer Objekte und kultureller Artefakte, insbesondere der menschlichen Gebeine von Vorfahren“, unter effektiver Beteiligung der betroffenen Gemeinschaften verfolgen sollte.

Im Rahmen von Konsultationen für die Leitlinie forderten Human Rights Watch und zivilgesellschaftliche Partner, dass Rückgaben und Rückführungen auf völker- und menschenrechtlichen Verpflichtungen begründet werden. Die neue Leitlinie negiert jedoch ausdrücklich die Anwendbarkeit des Völkerrechts und beschreibt die Grundlage für Rückgaben und Rückführungen als eine „ethisch-moralische“ und nicht als eine rechtliche Verpflichtung.

Die Rückgabe von kolonialen Kulturgütern und Rückführungen von menschlichen Gebeinen verstorbener Ahn*innen sollten als das anerkannt werden, was sie sind: eine Form der Wiedergutmachung auf der Grundlage rechtlicher Verpflichtungen. Rückgaben und Rückführungen sollten daher auf rechtlichen Ansprüchen für Gemeinschaften basieren, um ihre Würde wieder herzustellen und generationsübergreifende Traumata zu heilen.

In einer Zeit, in der weltweit und regional Forderungen nach Wiedergutmachung laut werden, um die anhaltenden Auswirkungen kolonialer Gräueltaten zu adressieren sind die Richtlinien in ihrer jetzigen Form eine verpasste Chance. Die deutsche Regierung sollte sie im Hinblick auf völker- und menschenrechtliche Verpflichtungen erneut prüfen.

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