- Die enorme Bleikontaminierung einer ehemaligen Mine in der sambischen Stadt Kabwe hat schwerwiegende Folgen für die Gesundheit von Kindern aufgrund von Bleivergiftungen.
- Die sambische Regierung fördert neuerdings den gefährlichen Abbau von Blei und Zink sowie die Weiterverarbeitung des giftigen Abfalls, was zusätzliche Gesundheitsrisiken für Kinder mit sich bringt.
- Die sambische Regierung sollte die Abbauarbeiten einstellen, Unternehmen die Lizenz entziehen, die an den gesundheitsgefährdenden Tätigkeiten beteiligt sind, und die Bleiabfälle in Kabwe vollständig beseitigen.
(Lusaka, 5. März 2025) – Die sambische Regierung fördert den riskanten Bleiabbau sowie die Weiterverarbeitung von mineralischem Abfall und gefährdet damit in starkem Maße die Gesundheit von Kindern, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Diese Aktivitäten führen dazu, dass die Bewohner*innen von Kabwe auch noch nach dem Ende des Betriebs der Blei- und Zinkmine in der Stadt geschädigt werden, obgleich sie bereits jahrzehntelang giftigen Abfällen ausgesetzt waren.
Der 67-seitige Bericht „Poisonous Profit: Lead Waste Mining and Children’s Right to a Healthy Environment in Kabwe, Zambia“ (dt. etwa: Giftige Profite: Der Abbau von Bleiabfällen und das Recht von Kindern auf eine gesunde Umwelt in Kabwe, Sambia) dokumentiert die Vergabe von Lizenzen für den Abbau und die Weiterverarbeitung an südafrikanische, chinesische und lokale Unternehmen durch die sambische Regierung sowie deren Versäumnis, gegen eklatante Verletzungen des sambischen Umwelt- und Bergbaurechts durch verschiedene Unternehmen vorzugehen.
„Die sambische Regierung sollte Menschen vor hochgefährlichen Aktivitäten schützen, statt diese auch noch zu fördern“, sagte Juliane Kippenberg, stellvertretende Direktorin in der Abteilung für Kinderrechte bei Human Rights Watch. „Mit dem Bleiabbau, dem Abtransport und der Weiterverarbeitung von mineralischem Abfall bereichern sich die Unternehmen in Kabwe auf Kosten der Gesundheit von Kindern.“
Human Rights Watch hat mit Bergleuten und Bewohner*innen von Kabwe gesprochen sowie öffentliche Quellen und Geodaten untersucht. Außerdem hat die Organisation ein Schreiben mit der Bitte um Stellungnahme an die Regierung sowie an 16 Unternehmen geschickt. Eine Antwort kam vom Ministerium für Umwelt und grüne Wirtschaft, vom südafrikanischen Unternehmen Jubilee Metals Group sowie von einem lokalen Unternehmer.
Blei ist ein hochgiftiges Metall und besonders für Kinder äußerst gefährlich. Es kann Hirnschäden und andere Krankheiten verursachen und zum Koma oder gar Tod führen. Für Schwangere birgt es die Gefahr von Fehlgeburten und anderen Komplikationen. Forscher*innen schätzen, dass 95 Prozent der Kinder, die in der Nähe der ehemaligen Mine in Kabwe leben, erhöhte Bleiwerte im Blut aufweisen und etwa die Hälfte von ihnen dringend medizinisch behandelt werden müsste.
Zwischen 2022 und Ende 2024 haben Unternehmen gefährliche Operationen zum Abbau und zur Weiterverarbeitung von Zink, Blei und anderen Mineralien in bleiverseuchtem Abfall im Bereich der früheren Mine in Kabwe durchgeführt oder ermöglicht. Dabei haben die Unternehmen große Mengen von Abfall aus der Mine abtransportiert und auf frei zugänglichen Halden in der ganzen Stadt abgeladen, was ein weiteres großes Gesundheitsrisiko für die Bewohner*innen darstellt.
„Die überall in Kabwe verteilten Halden sind enorm besorgniserregend“, sagte eine 18-jährige aktivistische Person. „Zum einen spielen dort Kinder, entweder in der Umgebung oder direkt auf ihnen. Zum anderen wird der Abfall von den Halden auch an andere Orte in Kabwe transportiert, die öffentlich zugänglich sind, was zu einer Kontaminierung dieser Bereiche führt.“
Im artisanalen und Kleinbergbau tätige Arbeitskräfte haben Blei, Zink und andere Mineralien im Rahmen einer Konzession durch Enviro Processing Limited (EPL) abgebaut, einer Tochtergesellschaft von Jubilee Metals, die eine Bergbaulizenz für den größten Teil der ehemaligen Mine besitzt. Den Bergleuten zufolge hätten ihnen die Wachleute am Eingang den Zugang erlaubt, was Jubilee Metals bestreitet. Dieser riskante Kleinbergbau findet auch an einem anderen Ort in der Nähe statt, der von einem lokalen Politiker kontrolliert wird. Bergleute gaben zudem an, dass sie gewonnenes Material manchmal auch an die chinesischen weiterverarbeitenden Betriebe Datong Industries, Chengde Mining und Superdeal Investments verkauften.
Ab Mitte 2023 verbrachten Unternehmen und Einzelpersonen im Rahmen der EPL-Konzession große Mengen an Abfall mit Lastwägen an verschiedene Stellen in Kabwe. Mehrere Abfallhalden wurden vor dem Betriebsgelände weiterverarbeitender Unternehmen errichtet. Auf Satellitenbildern waren bis Januar 2024 neun solcher Halden zu erkennen. Verschiedene Quellen berichteten, dass die Kabwe Kamukuba Small Scale Mining Cooperative Society, eine lokale Kooperative, die 2023 am Abtransport des Abfalls beteiligt war, mit führenden Mitgliedern der Regierungspartei in Verbindung stand, die davon finanziell profitierten. Der Abtransport des Abfalls, den Jubilee Metals als Hausfriedensbruch und Diebstahl deklariert, setzte sich bis 2024 fort.
Zink und Blei sind weltweit begehrte Metalle, die auch für den dringend erforderlichen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und den Übergang zu erneuerbaren Energien benötigt werden. Die sambische Regierung hat Zink und Blei aus Kabwe zu „kritischen Mineralien“ erklärt, die für die weltweite Energiewende benötigt werden.
Die sambische Regierung hat jedoch nicht genug getan, um die entsprechenden Bergbau-, Umwelt- und Arbeitsschutzvorschriften auch wirklich umzusetzen, so Human Rights Watch. Nach sambischen Recht ist die Regierung befugt, Unternehmen zu bestrafen, die eine „unsichere Arbeitsumgebung“ oder „unkontrollierbare Verschmutzung“ zulassen. Informationen von Human Rights Watch zufolge hat die Regierung es bislang jedoch unterlassen, solche Maßnahmen gegen Unternehmen zu ergreifen, die am gefährlichen Bleiabbau sowie dem Abtransport und der Weiterverarbeitung von Bleiabfällen in Kabwe involviert sind. Weder hat die sambische Umweltagentur die Umweltverträglichkeitsstudien der betroffenen Unternehmen veröffentlicht noch eine Unterbrechung des Betriebs bei Umweltrechtsverstößen angeordnet.
Im artisanalen und Kleinbergbau tätige Menschen verdienen sich mit dem Graben nach Mineralien in Abfallhalden mühselig ihren Lebensunterhalt. Verschiedene Frauen erzählten Human Rights Watch, dass sie ihre Kinder zum Arbeiten mitnehmen, weil sie auf das zusätzliche Einkommen angewiesen sind. Eine davon ist eine 32-jährige Mutter, die ihren Sohn zum Arbeiten mitnahm, bis dieser im Alter von 15 Jahren ernste Gedächtnisprobleme entwickelte. Gegenüber Human Rights Watch sagte sie: „Wir leben in ständiger Angst, weil das hier keine sichere Gegend ist […], [aber] das ist der einzige Weg, um meine Kinder zu ernähren. […] Ich würde liebend gerne einer anderen Beschäftigung nachgehen.“
Die Mine in Kabwe wurde während der Zeit der britischen Kolonialherrschaft eröffnet und im Jahr 1994 geschlossen. Zurück blieben geschätzte 6,4 Millionen Tonnen Bleiabfälle in offenen Halden. Seitdem sind verschiedene Wohngebiete mit Blei kontaminiert; bis zu 200.000 Menschen leiden unter der Bleibelastung. 2020 reichten Anwält*innen vor einem südafrikanischen Gericht eine Sammelklage gegen das Bergbauunternehmen Anglo American wegen dessen mutmaßlicher Rolle beim Betrieb der Mine in Kabwe von 1925 bis 1974 ein. Das Unternehmen bestreitet jede Verantwortung. Gefordert waren Wiedergutmachungszahlungen, ein Screening-System zur Erkennung von Bleivergiftungen bei betroffenen Kindern und Frauen sowie eine Säuberung des Gebiets. Das Gericht wies die Klage ab, doch die Kläger*innen kündigten an, in Berufung gehen zu wollen.
Obgleich die sambische Regierung Schritte unternommen hat, um die Bleikontaminierung in der Stadt Kabwe einzudämmen, etwa im Rahmen des von der Weltbank finanzierten Projekts „Zambia Mining and Environmental Remediation and Improvement Project“, hat sie es versäumt, die eigentliche Quelle der Kontaminierung zu säubern. Zwar hat die Regierung die Notwendigkeit für größere Säuberungsarbeiten erkannt, doch folgten ihren Worten nur selten Taten. Bereits zwei Mal – im März 2022 und im April 2024 – kündigte Präsident Hakainde Hichilema an, einen Ausschuss einsetzen zu wollen, um das Problem der Kontaminierung anzugehen, doch noch wurde kein solcher Ausschuss eingerichtet.
Die sambische Regierung sollte eine Unterbrechung des Betriebs der betroffenen Standorte anordnen und Unternehmen, die an gesundheitsgefährdenden Aktivitäten zum Bleiabbau sowie zum Abtransport und zur Weiterverarbeitung des mineralischen Abfalls in Kabwe beteiligt sind, die Lizenz entziehen, so Human Rights Watch. Sie sollten in enger Abstimmung mit den betroffenen Communitys, der Zivilgesellschaft und Fachleuten ein umfassendes Wiedergutmachungsprogramm für Schäden aufsetzen, die auf die frühere Bleimine und deren Abfälle zurückgehen. Zur Finanzierung dieses Vorhabens sollte sich die sambische Regierung die fachliche und finanzielle Unterstützung durch Geberorganisationen und die für die Verschmutzung verantwortlichen Unternehmen sichern.
„Die sambische Regierung sollte der Gesundheit von Kindern Vorrang vor Profiten aus dem Abbau von Mineralien geben“, sagte Kippenberg. „Nur eine umfassende Säuberung der durch Minenabfälle kontaminierten Orte kann Kinder und künftige Generationen in Kabwe vor giftigem Blei schützen.“