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© 2023 Human Rights Watch

Diese Frage wird oft von Daily-Brief-Followern und anderen gestellt: Wie bekommt man einen Job in der Menschenrechtsarbeit?

Normalerweise kommt sie von jüngeren Leuten, die vielleicht ein bisschen idealistisch sind und etwas Sinnvolles mit ihrem Leben anfangen wollen.

Es gibt natürlich auch viele andere, die sich nicht aus freien Stücken, sondern weil sie es müssen, für die Menschenrechte einsetzen – zum Beispiel als Überlebende, die durch tragische persönliche Erfahrungen mit dem Thema in Verbindung stehen.

Die folgenden sieben Punkte richten sich jedoch an die Erstgenannten: an diejenigen, die sich für diesen Beruf interessieren und die die Wahl haben, auch etwas anderes zu tun. Achtung: Möglicherweise ist diese Empfehlung nicht das, was du erwartest.

1) Akzeptiere, dass du nie so viel verdienen wirst, wie du es mit einer anderen Tätigkeit könntest. Wenn du jung bist und gerade erst anfängst, mag dies nicht sehr wichtig erscheinen, aber du solltest dennoch darüber nachdenken, wie sich diese Art von Arbeit im Laufe deines Lebens negativ auf dein Einkommen auswirken wird. Wenn du dich mitten in deiner Karriere befindest und darüber nachdenkst, in die Menschenrechtsarbeit zu wechseln, „um etwas zurückzugeben“, dann berechne sehr sorgfältig, wie viel du zurückgibst – du könntest unangenehm überrascht werden.

2) Verstehe, dass es nicht romantisch ist. Es ist vieles, aber es ist auch einfach ein Job. Ja, die Themen sind wichtig, und die Arbeit kann dir ein Gefühl von Sinnhaftigkeit vermitteln, aber das hat Vor- und Nachteile. Wenn du mit aufopferungsvollem Eifer an die Sache herangehst, wenn du sie zu deinem ganzen Leben machst, wirst du ausbrennen.

3) Verstehe, dass es nicht glamourös ist. Du wirst vielleicht einige wirklich unglaubliche Menschen kennenlernen. Du wirst sehr wahrscheinlich von ihnen inspiriert sein. Aber die Schwärmerei lässt mit der Zeit nach, und du wirst vielleicht sogar gelegentlich verstehen, warum man sagt: „Triff niemals deine Helden.“

4) Mach dir klar, dass Menschen, in der Menschenrechtsarbeit tätig sind, auch nur Menschen sind – und nicht immer einfach im Umgang. Wir alle teilen einen Grundgedanken und kämpfen gemeinsam für unsere großen Ziele, aber wir sind uns nicht immer einig. Es gibt Egos, Eifersucht und Frustrationen. Der Büroalltag verschwindet nicht einfach auf magische Weise, nur weil man für eine gute Sache arbeitet.

5) Mach dir klar, dass es emotional anstrengend ist. Man gewöhnt sich nie an das tägliche Wechselbad der Gefühle – in einem Moment denkt man über die Abgründe der menschlichen Verderbtheit nach und im nächsten Moment staunt man über die menschliche Widerstandsfähigkeit angesichts dieser Abgründe. Du wirst Strategien entwickeln müssen, um dich selbst zu schützen, z. B. dass du dir die schlimmsten Fotos nicht ansiehst, wenn du es vermeiden kannst.

6) Mach dir bewusst, dass du oft verlieren und nie zufrieden sein wirst. Du wirst mehr Schrecken kennenlernen, als du jemals auch nur versuchen kannst zu beenden. Menschenrechtsarbeit kann bedeutende Erfolge erzielen, aber ehrlich gesagt, ist es wahrscheinlicher zu verlieren. Deine Kolleg*innen und du befinden sich immer in der Position des Außenseiters und kämpfen gegen Regierungen, Konzerne und andere Mächte, die über weitaus mehr Ressourcen, Geld und Personal verfügen als Menschenrechtsorganisationen.

7) Mach dir bewusst, das der Ort, an dem du am meisten Gutes tun kannst, vielleicht nicht der ist, an dem du zuerst denkst. Viele Menschen wollen an vorderster Front arbeiten und in schwierigen Situationen Beweise sammeln. Einige haben vielleicht sogar die Sprachkenntnisse und das besonnene Temperament dafür.

Aber das bedeutet nicht, dass du diesen Job bekommst. Du bist vielleicht immer noch nicht die richtige Person, um Überlebenden das Gefühl zu geben, dass sie ihre Geschichten erzählen können, und auch nicht der richtige Botschafter, um Behörden davon zu überzeugen, ihre Politik zu ändern.

Vielleicht stellst du fest, dass du mehr für die Sache tun kannst, indem du an deinem Laptop sitzt und Spesenabrechnungen überprüfst oder ein Zoom-Meeting über Strategien zur Interessenvertretung koordinierst. Auf jede Person, die vor Ort den Opfern von Menschenrechtsverletzungen zuhört, kommen 20 Menschen, die irgendwo anders etwas anderes tun, um die Arbeit zu unterstützen. Die Sache braucht alle möglichen Menschen, die alle möglichen Jobs machen.

Vielleicht stellst du sogar fest, dass du der Sache am besten dienen kannst, indem du etwas ganz anderes tust, etwas Geld verdienst und einen Teil davon für Menschenrechtszwecke spendest. Es ist genauso wichtig wie alles andere: Ohne solch großzügige Menschen würde in der Menschenrechtsarbeit nur sehr wenig passieren.

Lasst uns darüber reden. Diese sieben Punkte werden wahrscheinlich weitere Fragen und Gedanken auslösen. Bitte sendet sie per E-Mail, Twitter, Mastodon, LinkedIn oder Bluesky. Und wenn ihr uns kontaktiert, teilt uns bitte mit, ob wir euren Namen verwenden dürfen, falls wir eure Gedanken in einer zukünftigen Ausgabe des Daily Briefs veröffentlichen.

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