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(Im Uhrzeigersinn von oben links): © 2021 Darryl Dyck/The Canadian Press via AP; © 2021 Bernd von Jutrczenka/picture-alliance/dpa/AP Images; © 2021 AP Photo/ Shiraaz Mohamed; © 2021 Daniel Bockwoldt/picture-alliance/dpa/AP Images; © 2021 Getty Images; © 2021 ECTOR RETAMAL/AFP via Getty Images

Der Tag der Menschenrechte – der Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 – ist ein Tag, an dem wir unsere gemeinsame Menschlichkeit feiern. Wir haben dieses Jahr gelernt, dass jede Herausforderung für unsere Gesundheit, Sicherheit und Zukunft auf einer Bedrohung unserer gemeinsamen Menschlichkeit beruht. Jede wirksame Reaktion – sei es, um sicherzustellen, dass wir in einer pandemiefreien Welt leben, oder um gegen schwere Menschenrechtsverletzungen von Xinjiang bis Tigray vorzugehen – hängt wiederum von kollektiven, gemeinschaftlichen Lösungen ab.
Das ist das Herzstück der Menschenrechtsarbeit.

Am heutigen Tag der Menschenrechte haben wir Gelegenheit, über fünf Bereiche nachzudenken, in denen wir Rechte verwirklichen können, während wir eine weitere Phase des Aufruhrs hinter uns lassen.

 

  1. Der Kampf gegen Covid-19 

Omikron, die neueste „besorgniserregende Variante“, verdeutlicht die Gefahr eines sehr ungleichen Zugangs zu Covid-19-Impfstoffen. Einige der reichsten Länder der Welt, darunter die EU, Großbritannien und die Schweiz, sowie pharmazeutische Unternehmen untergraben den allgemeinen und gerechten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen, Tests und Behandlungen, indem sie eine vorübergehende Aussetzung der weltweiten Patent- und Handelsregeln blockieren. Um gleiche Ausgangsbedingungen zu schaffen, sollten diese Regierungen der Ausnahmeregelung der Welthandelsorganisation zustimmen und die Technologien und Verfahren teilen, die zur Deckung des dringenden Bedarfs an weltweit hergestellten Impfstoffen erforderlich sind.

Bessere Verfügbarkeit von Impfstoffen ist entscheidend, aber allein nicht ausreichend. Selbst dort, wo Impfstoffe verfügbar sind, zögern marginalisierte und entrechtete Bevölkerungsgruppen –mitunter verständlicherweise – sich diese verabreichen zu lassen. Vertrauen zu schaffen, indem medizinische Versorgung – und nicht nur die Impfstoffe – wirklich für alle zugänglich gemacht wird, ist ein entscheidender Schritt, um zu verhindern, dass Menschen an Covid-19 schwer erkranken oder sterben.

 

  1. Die Macht der Big Tech-Unternehmen

Die große Macht der führenden Tech-Unternehmen auf der ganzen Welt – mancherorts sind sie sogar mächtiger und weniger rechenschaftspflichtig als Regierungen – ist gefährlich. Denn ihr Gewinn hängt davon ab, dass sie riesige Mengen unserer Daten sammeln, detaillierte Profile über uns erstellen, unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen und Erkenntnisse aus diesen Profilen an Werbetreibende und andere Dritte verkaufen. Die unbequeme Wahrheit ist, dass die Geschäftsmodelle der Technologiebranche oft mit den Menschenrechten kollidieren und hier hohe Kollateralschäden verursachen.

Der diesjährige Angriff auf das US-Kapitol war ein ernüchternder Blick auf das gefährliche Potenzial der sozialen Medien als Kanal für das Streuen und Verbreiten von Fehlinformationen, die in einigen Fällen zu Gewalt führen können. Dies ist für den Rest der Welt nichts Neues – von der Rohingya-Krise in Myanmar bis hin zu antimuslimischer Gewalt in Indien –, dieses Mal aber geschah es im Heimatland der meisten großen Tech-Unternehmen.  

Die Bemühungen dieser Plattformen, den Schaden, der durch ihre Dienste entsteht, zu bekämpfen, sind unzureichend. Um ihrer Verantwortung für die Menschenrechte gerecht zu werden, sollten die Unternehmen eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung für ihre weltweiten Aktivitäten einführen und etablieren. Sie sollten in die Moderation von Inhalten investieren, die ihrer Nutzerbasis angemessen sind, und auf Menschenrechtsrisiken reagieren, wo immer Menschen ihre Plattformen nutzen.

Die Plattformen sollten zudem transparenter über die Algorithmen informieren, die bestimmen, was die Nutzer*innen auf ihren Websites sehen.  Sie sollten sich mit der Rolle der Algorithmen befassen, die Nutzer*innen zu schädlichen Fehlinformationen leiten. Zudem sollten die Nutzer*innen mehr Einfluss auf die Gestaltung ihrer Online-Erlebnisse bekommen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Unternehmen freiwillig von ihren menschenrechtsverletzenden Geschäftsmodellen abrücken werden. Deshalb sind strenge Datenschutzbestimmungen notwendig.  

 

3. Rückschlag für die Rechte der Frauen 

Trotz bedeutender Errungenschaften einer weltweiten Frauenbewegung, die besser vernetzt ist als je zuvor, sind die Rechte der Frauen in einer alarmierenden Zahl von Ländern bedroht. In Afghanistan, wo die Taliban am 15. August an die Macht zurückgekehrt sind, wird Frauen und Mädchen der freie Zugang zu Bildung, bezahlter Arbeit, politischer Vertretung und sogar die Möglichkeit, allein auf die Straße zu gehen, verwehrt. In den Vereinigten Staaten laufen 65 Millionen Frauen Gefahr, ihr Recht auf Abtreibung zu verlieren. In Polen werden Aktivistinnen bedroht, weil sie sich für Frauenrechte einsetzen oder diese angeblich unterstützen. Im Iran und in China schränken die Behörden mit neuen Gesetzen und Maßnahmen die Möglichkeiten von Frauen im Bereich der reproduktiven Gesundheit ein.  

Es gibt jedoch auch gute Nachrichten. Von Argentinien über Mexiko bis hin zu Südkorea und Thailand werden die Rechte von Frauen auf Zugang zu reproduktiver Gesundheitsversorgung anerkannt. Schwangere Mädchen in Tansania haben wieder das Recht, weiter zur Schule zu gehen. Das Jahr 2021 hat uns zwar gelehrt, dass diese hart erkämpften Rechte geschützt, weiter ausgebaut und gesichert werden müssen, aber das Jahr 2022 ist auch eine Chance, Druck auf die Regierungen auszuüben, damit sie Gesetze zum Schutz der Rechte von Frauen und zur Verbesserung ihrer Sicherheit erlassen, angemessene Mittel für Versorgungsleistungen bereitstellen und sicherstellen, dass diese auch für alle Frauen zugänglich sind.  

 

4. Die Macht der Solidarität 

Pekings "Strike Hard"-Kampagne in Chinas Region Xinjiang, Präsident Rodrigo Dutertes erbarmungsloser "Drogenkrieg" auf den Philippinen, das brutale Vorgehen der Junta in Myanmar gegen friedliche Putschgegner*innen, die Gräueltaten im sich ausweitenden Tigray-Konflikt in Äthiopien. Diese Situationen zeigen, dass die Behörden die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente – seien es geltende Gesetze, Sicherheitskräfte oder beides – geschickt einsetzen, um massive Verbrechen gegen die Bevölkerung, bisweilen auch gegen die Menschlichkeit, zu begehen.

Jede dieser Situationen und die Reaktionen darauf bieten wichtige Lektionen für das Jahr 2022.

Erstens: Das Ignorieren von Missständen macht die Situation nur schlimmer.  Die Generäle, die hinter dem Staatsstreich in Myanmar standen, hatten bereits 2017 ihre Brutalität gegenüber den Rohingya und gegenüber anderen ethnischen Minderheiten bereits über Jahrzehnte hinweg demonstriert und mussten hierfür kaum Konsequenzen fürchten. Dies ermutigte sie dazu, Gewalt anzuwenden, um ihre Macht zu erhalten.  

Zweitens: Wie die mangelhaften Bemühungen um eine nationale Justiz auf den Philippinen und in Äthiopien gezeigt haben, kann man sich nicht darauf verlassen, dass Regierungen sich selbst zur Rechenschaft ziehen. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, glaubwürdige UN-Mechanismen einzurichten, um schwere Verstöße gegen die Menschenrechte zu identifizieren und zu dokumentieren, damit die Opfer eines Tages Gerechtigkeit erfahren können.

Drittens sind Regierungen, welche die Menschenrechte achten, stärker, wenn sie gemeinsam für diese eintreten, wie die wachsende Besorgnis über die menschenrechtsverletzende Politik Pekings in Xinjiang gezeigt hat. Wir brauchen mehr von dieser Solidarität.

 

5. Bekämpfung der Klimakrise  

Die Klimakrise hat immer drastischere Auswirkungen auf das Leben, die Gesundheit und die Existenzgrundlagen der Menschen auf der ganzen Welt. Und wie wir im vergangenen Jahr bei den verheerenden Überschwemmungen in Deutschland und den tödlichen Hitzewellen in Kanada und Pakistan gesehen haben, versagen die Regierungen dabei, gefährdete Bevölkerungsgruppen vor den absehbaren Schäden des Klimawandels zu schützen. Ihre jüngsten Zusagen, ehrgeizigere Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu ergreifen, reichen bei weitem nicht aus, um die katastrophalsten Folgen der globalen Erwärmung abzuwenden.

Glücklicherweise gab es in diesem Jahr einige wichtige Erfolge, vor allem dank des konzertierten Drucks durch Umwelt- und Menschenrechtsgruppen auf der ganzen Welt. Im Oktober hat der UN-Menschenrechtsrat das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt anerkannt und einen Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Klimawandel eingesetzt. Diese positiven Schritte werden dazu beitragen, dass die Regierungen für ihre unzureichenden Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise stärker in die Verantwortung genommen werden.  

Die Regierungen müssen das umfangreiche Know-how lokaler Gemeinschaften und zivilgesellschaftlicher Gruppen anerkennen und es nutzen, um die Auswirkungen des Klimawandels gerecht zu bekämpfen. Vor allem aber müssen sie den Aufrufen der Klimaaktivist*innen folgen und ihre Bemühungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen drastisch verstärken, bevor es zu spät ist.    

Der Tag der Menschenrechte 2021 ist kein Tag, an dem man Niederlagen beklagt oder sich vor dem fürchtet, was kommen mag – er ist ein Aufruf zum Handeln. Er erinnert daran, dass die hart erkämpften Errungenschaften der Vergangenheit geschützt und ausgebaut werden müssen und dass die Menschenrechte aller von den Regierungen und internationalen Gremien umgesetzt werden müssen. Er macht aber auch deutlich, dass der Schutz unserer Menschenrechte von Menschenrechtsaktivist*innen in allen Teilen der Welt vorangetrieben wird.  

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