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Da das Land strategisch wichtig war, hat der Westen lange Zeit über die Menschenrechtsverletzungen in Usbekistan hinweggesehen. Der Tod des Diktators Islam Karimow bietet die Chance eines Neuanfangs.

Der Tod Islam Karimows, des autokratischen Präsidenten Usbekistans, bedeutet das Ende einer Ära für das bevölkerungsreichste Land Zentralasiens. Karimow, der ab 1989 an der Macht war, regierte das Land mit eiserner Faust, seit es 1991 aus der zerfallenden Sowjetunion hervorgegangen und unabhängig geworden war. Seine Gegner wurden gnadenlos verfolgt, zu seinen Methoden gehörten Folter, willkürliche Festnahmen und die Unterdrückung der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit.

Karimow stand auch an der Staatsspitze, als im Mai 2005 Hunderte Zivilisten in der östlichen Stadt Andischan getötet wurden. Es handelte sich um das blutigste Massaker in Friedenszeiten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Während seiner Regierungszeit bereitete Karimow den Weg für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen, welche von anderen Herrschern in der Region nachgeahmt wurden: Er verbot nichtregistrierte Religionsgruppen und warf ausländische Nichtregierungsorganisationen aus dem Land.

Angst vor einer Gewaltwelle

Andere alternde Autokraten, besonders in Kasachstan und Tadschikistan, werden genau beobachten, wie die im Geheimen herrschende Elite die Nachfolge in Usbekistan regeln wird. Unter den zentralasiatischen Ländern gibt es die Angst vor einer Gewaltwelle, die auch über die usbekischen Grenzen schwappen könnte, sollten die sozialen und politischen Spannungen sich entladen, die derzeit spürbar sind.

Untrennbar verbunden mit dieser Geschichte ist Deutschland. Es spielte eine Schlüsselrolle dabei, wie mit Karimow und seiner erschreckenden Menschenrechtsbilanz auf internationaler Ebene umgegangen wurde. Man wird nun sehen, welche Lehren Berlin aus dieser Erfahrung für den Umgang mit autokratischen Regierungen zieht. Deutschland war immer richtungsweisend in der EU, wenn es um Usbekistan ging. Man war auf Taschkent angewiesen, da das Land ein wichtiger strategischer Dreh- und Angelpunkt bei den Militäreinsätzen im benachbarten Afghanistan gewesen war. Diese strategische Bedeutung minderte die Möglichkeiten, den Menschenrechtsverletzungen Einhalt zu gebieten.

Der Stützpunkt Termes war ein entscheidender Faktor dafür, welcher Fokus auf die Menschenrechtslage in Usbekistan gelegt wurde.

Es ging hierbei vor allem darum, dass Deutschland und der Westen Usbekistan als Basis und Versorgungsroute in Bezug auf Afghanistan nutzen durften und beide im Gegenzug über den autokratischen Regierungsstil Karimows hinwegsahen. Dreizehn Jahre lang – bis Ende 2015 – nutzte Deutschland den Luftwaffenstützpunkt Termes im Süden des Landes, um Truppen und Ausrüstung nach oder aus Afghanistan zu verschieben.

Für Karimow war das ein gutes Geschäft: Mindestens 90 Millionen Euro erhielt Usbekistan für die Nutzung und den Unterhalt von Termes, vielleicht sogar wesentlich mehr (Berlin hat es stets abgelehnt, die genauen Zahlen offenzulegen). Der Termes-Deal war umstritten in Deutschland, und dies aus gutem Grund. 2011 versuchte die deutsche Bundesregierung sogar, zuvor veröffentlichte Zahlen zu den Kosten der Nutzung von Termes teilweise wieder zurückzuziehen.

Termes war ein entscheidender Faktor dafür, welcher Fokus auf die Menschenrechtslage in Usbekistan gelegt wurde. Zwar zeigten sich Deutschland und die EU entsetzt über das Massaker von Andischan im Jahr 2005, und die EU-Mitglieder verhängten Sanktionen; einige Monate später jedoch startete Deutschland eine diplomatische Offensive, um diese abzuschwächen und schliesslich ganz aufzuheben. Deutschland argumentierte, dass sich die Menschenrechtslage in Usbekistan eher verbessere, wenn die Sanktionen aufgehoben würden.

Diese Strategie, ob sie nun zynisch oder naiv war, erwies sich als vollkommener Irrweg. Die Entscheidung der EU-Aussenminister vom Oktober 2009, die noch bestehenden Sanktionen aufzuheben, war an Kriterien gebunden, die es zu erfüllen galt und die die Intensität und die Qualität der künftigen EU-Zusammenarbeit bestimmen sollten. Zu diesen Kriterien gehörten die Freilassung von politischen Gefangenen, freie Wahlen und freier Zugang für Uno-Menschenrechtsexperten und unabhängige Gruppen aus dem Ausland.

Aus Fehlern lernen

Das Ergebnis? Die Beziehungen zwischen Brüssel und Taschkent sind enger als 2009, obwohl kein einziges Kriterium auch nur annähernd erfüllt wurde. Die Menschenrechtssituation ist nach wie vor katastrophal – und das ist Deutschland durchaus auch bewusst.

Schawkat Mirsijojew, der bisherige Ministerpräsident und enge Vertraute Karimows, ist unterdessen bereits zum Interimspräsidenten ernannt worden. Die internationale Gemeinschaft, besonders auch die deutsche Bundesregierung, soll nun auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage drängen, aber auch darauf, dass die Menschenrechtsverletzungen aus der Karimow-Ära juristisch aufgearbeitet werden.

Dabei könnte Deutschland die Verbesserungen der Menschenrechtslage mit wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Fördermassnahmen verknüpfen, die Usbekistan wichtig sind. Ein guter Anfang wäre es, Taschkent dazu zu drängen, die systematische Folter zu beenden und politische Gefangene freizulassen.

Nun, da eine neue Ära anbricht, ist es Zeit, dass auch Deutschland aus den Fehlern der Vergangenheit lernt.

 

 

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