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(Moskau, 10. Februar 2009) – Wanderarbeiter in der Bauindustrie sind weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen ausgeliefert, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. In einem Klima wachsender und von Hass getriebener Gewalt gegen Migranten, das durch die globale Finanzkrise verschärft wird, hat die russische Regierung bisher keine Maßnahmen ergriffen, um diese Arbeiter vor Ausbeutung durch Arbeitgeber, Vermittlungsagenturen oder die Polizei zu schützen.

Der 130-seitige Bericht „‘Are you Happy to Cheat Us?’ Exploitation of Migrant Construction Workers in Russia” dokumentiert die weit verbreitete Einbehaltung von Löhnen, das Fehlen von rechtlich vorgeschriebenen Verträgen und die unsicheren Arbeitsbedingungen auf Baustellen in ganz Russland. Er enthält außerdem detaillierte Ausführungen über Fälle, in denen Arbeiter unwissentlich von Agenturen in die Zwangsarbeit vermittelt wurden. Die Agenturen hatten ihnen zuvor Arbeitsplätze in der Bauindustrie in Russland versprochen, sie aber dann an Arbeitgeber vermittelt, die die Pässe der Arbeiter einzogen und sie dazu zwangen, ohne Lohn zu arbeiten. Einige Arbeiter wurden eingesperrt und geschlagen.

„Die Wanderarbeiter in der Bauindustrie kamen nach Russland auf der Suche nach anständigen Arbeitsplätzen. Stattdessen fanden sie Gewalt und Ausbeutung”, so Jane Buchanan, Researcherin in der Europa- und Zentralasien-Abteilung von Human Rights Watch und Autorin des Berichts. „Russland soll rigoros Reformen durchführen, um die Wanderarbeiter in der Bauindustrie vor diesen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen zu schützen.”

Human Rights Watch befragte mehr als 140 Wanderbauarbeiter, die von 2006 bis 2008 in 49 russischen Städten gearbeitet haben.

Mehr als 40 Prozent der zwischen vier und neun Millionen Wanderarbeiter in Russland sind in der Bauindustrie tätig. Diese war vor der globalen Wirtschaftskrise eine der wichtigsten Antriebskräfte für das Wachstum Russlands. Die meisten Wanderarbeiter kommen aus anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion und suchen einen Ausweg aus Armut und Arbeitslosigkeit. Die Bürger aus den meisten dieser Länder können ohne Visum nach Russland einreisen.

Der Bericht dokumentiert die Ausbeutung und die Misshandlung zur Zeit starken wirtschaftlichen Wachstums in Russland. Da auch die russische Regierung nun unter den Konsequenzen der globalen Finanzkrise leidet, müssen Wanderarbeiter wachsende Ausbeutung und Gewalt befürchten.

„Ohne rasches Handeln seitens der russischen Regierung sind die Wanderbauarbeiter in zweierlei Hinsicht von Misshandlungen bedroht. Auf der einen Seite stehen die Arbeitgeber und auf der anderen die Bevölkerung, die einen Sündenbock für die Wirtschaftsprobleme des Landes sucht”, so Buchanan.

Nach Informationen von Human Rights Watch hat fast keiner der befragten Arbeiter einen Vertrag erhalten, so wie es das russische Gesetz vorsieht. Ohne Vertrag besteht die Gefahr, dass den Arbeitern der Lohn nicht ausbezahlt wird oder sie Menschenrechtsverletzungen ausgeliefert sind. Außerdem verringern sich dadurch ihre Möglichkeiten, im Falle von Misshandlung Unterstützung bei offiziellen Stellen zu suchen. Die Arbeitgeber halten regelmäßig Löhne zurück, verringern diese unerwartet und unrechtmäßig oder zahlen sie gar nicht aus. Arbeiter, die sich aus Protest gegen ungezahlte Löhne weigern zu arbeiten, müssen Gewalt und Bedrohung seitens ihrer Arbeitgeber befürchten.

„Diese Art von Ausbeutung geht so weit, dass Arbeiter häufig monatelang arbeiten und darauf warten und hoffen, bezahlt zu werden”, sagte Buchanan. „Sie wissen, dass die Chancen auf eine angemessene und zuverlässige Bezahlung bei anderen Arbeitgebern nicht viel besser sein werden.”

Polizeibeamte haben es bei stichprobenartigen Kontrollen auf der Straße regelmäßig auf ethnische Minderheiten und Wanderarbeiter abgesehen. Wanderarbeiter berichteten Human Rights Watch, dass die Polizeibeamten sie während dieser Kontrollen manchmal schlugen oder demütigten. In einigen der schlimmsten Fälle mussten die Wanderarbeiter Zwangsarbeit auf dem Polizeirevier oder an anderen Orten leisten.

„Es ist schlimm, dass Gewalt zum Leben vieler Wanderarbeiter in Russland zu gehören scheint”, sagte Buchanan. „Die Arbeitgeber schüchtern ihre Arbeiter ein, die Polizei schlägt sie bei Kontrollen und normale Bürger greifen sie voller Hass an – Russlands Wanderarbeiter sind auf jeder Ebene Misshandlungen ausgeliefert.”

Russland hat in den letzten Jahren seine Einwanderungsgesetze überarbeitet und es Arbeitern, die ohne Visum nach Russland einreisen können, erleichtert, ihren Status und ihr Arbeitsverhältnis zu legalisieren. Diese Schritte sind zwar positiv zu bewerten, reichen jedoch nicht, um Wanderarbeiter vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen.

„Russland ist laut internationalem Recht dazu verpflichtet, alle Opfer von Misshandlungen zu schützen, unabhängig davon, ob sie Einwanderer sind oder wie ihr Beschäftigungsverhältnis ist”, sagte Buchanan. „Es ist an der Zeit, dass die Regierung aufhört, so zu tun, als hätten Wanderarbeiter keine Rechte. Sie muss tatkräftig gegen Arbeitgeber und Vermittlungsagenturen vorgehen, die die Arbeiter ausbeuten.”

Human Rights Watch forderte die Regierung auf, strenge Kontrollen der Arbeitsbedingungen durchzuführen, die Menschenrechte missachtende Arbeitgeber strafrechtlich zu verfolgen und Vermittlungsagenturen effektiv zu überprüfen. Sie soll zudem Beschwerdemechanismen für die Opfer entwickeln, an die sie sich ohne Probleme wenden können, und allen Anschuldigungen zeitnah und effektiv nachgehen. Außerdem ist eine weitere Reform des Einwanderungsgesetzes notwendig, die es den Arbeitern ermöglicht, ihren Aufenthalt leichter gesetzlich zu regeln. So wären sie weniger von Misshandlungen bedroht und würden eher Schutz durch staatliche Einrichtungen erfahren.

Human Rights Watch forderte außerdem die Heimatländer der Wanderarbeiter dazu auf, Unterstützung zu leisten, wenn ihre Bürger in Russland Menschenrechtsverletzungen erfahren. Sie sollen bei der Überprüfung und strafrechtlichen Verfolgung der Arbeitgeber, die die Menschenrechte missachten, mit den russischen Behörden zusammenarbeiten und gleichzeitig strenge Kontrollmechanismen für die Vermittlungsagenturen einführen, die Arbeitskräfte in ihren Ländern rekrutieren.

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