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Deutschland: Irakern soll Flüchtlingsstatus nicht aberkannt werden

Deutsche Politik missachtet anhaltende Gewalt und Verfolgung im Irak

Deutschland soll ab sofort irakischen Flüchtlingen den Flüchtlingsstatus nicht mehr entziehen. In den mehr als 18.000 Fällen, in denen der Flüchtlingsstatus bereits widerrufen worden ist, soll die Entscheidung noch einmal überprüft werden, teilt Human Rights Watch heute mit.

Seit November 2003 hat das Deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge etwa 20.000 irakische Flüchtlinge schriftlich darüber informiert, dass Deutschland beabsichtigt, ihren Flüchtlingsstatus zu widerrufen. In den Briefen wird darauf hingewiesen, dass sich die politische Situation im Irak seit dem Sturz von Saddam Husseins Regime grundlegend geändert habe und es keine Anzeichen dafür gebe, dass auch die neue irakische Regierung sie verfolgen werde. Seither haben die Behörden bei mehr als 18.000 irakischen Flüchtlingen die Asylanerkennung widerrufen.

„Die Entmachtung von Saddam Hussein bedeutet keineswegs, dass es für die irakischen Flüchtlinge sicher ist, in ihre Heimat zurückzukehren”, sagt Bill Frelick, Direktor der Abteilung für Flüchtlinge von Human Rights Watch. „Die deutsche Regierung sollte anerkennen, dass Verfolgung und weit verbreitete Gewalt trotz des Regierungswechsels in Bagdad andauern.”

Laut der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 kann der Flüchtlingsstatus zwar widerrufen werden, sobald die Umstände nicht mehr bestehen, die eine Person zur Flucht veranlasst haben. Doch die Veränderungen müssen sowohl grundlegend als auch von Dauer sein. Es können jedoch neue Bedrohungen auftreten, etwa durch Gruppierungen, die nicht im Namen einer Regierung handeln. Dazu gehören ultra-religiöse Milizen, die sich seit der von den USA angeführten Invasion im Irak schnell verbreitet haben.

„Es ist ganz einfach noch zu früh, den Flüchtlingsstatus von Irakern aufzuheben, denen in Deutschland Asyl gewährt worden ist, besonders solange die Situation im Irak noch so instabil ist”, sagt Frelick. „Vielmehr sollte Deutschland dabei helfen, die Flüchtlingskrise in Ländern wie Jordanien und Syrien zu lindern und nicht das Problem zu verschärfen, indem es Irakern in Deutschland den Flüchtlingsstatus entzieht.“

Laut dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) sind die 73.500 irakischen Exilanten in Deutschland sehr beunruhigt durch die massenhaften Aberkennungsbescheide. Ungefähr die Hälfte der Exilanten sind als Flüchtlinge anerkannt. Wenn erst einmal ihr Flüchtlingsstatus widerrufen ist, so fürchten sie, können sie jederzeit in den von Gewalt und Instabilität gekennzeichneten Irak abgeschoben werden.

Die deutschen Behörden betonen, dass eine Aberkennung des Flüchtlingsstatus nicht automatisch die Abschiebung in den Irak bedeute. Tatsächlich finden derzeit solche Abschiebungen von Irakern auch nicht statt. Dennoch hat die Aberkennung schwerwiegende Konsequenzen.

Die Bundesregierung gewährt Irakern, denen der Flüchtlingsstaus entzogen wurde, den Status der Duldung. Dieser Status bietet jedoch keinerlei längerfristige Sicherheit, und die „Geduldeten“ müssen jederzeit mit ihrer Abschiebung rechnen. Zudem können Personen unter dem Status der „Duldung“ ihren Arbeitsplatz verlieren und müssen Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit innerhalb der Bundesrepublik hinnehmen. Durch diese neuen Einschränkungen ihrer Arbeits- und Reisemöglichkeiten sind die irakischen Flüchtlinge übermäßigem Druck ausgesetzt, in den von Instabilität geprägten Irak zurückzukehren.

Human Rights Watch hat in einem Brief an die deutschen Behörden darauf hingewiesen, dass die automatische Aberkennung des Flüchtlingsstatus nicht mit der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 hinsichtlich der Beendigung des Flüchtlingsstatus vereinbar ist. Auch ist der alternative Status der Duldung für irakische Flüchtlinge nicht vereinbar mit den gemeinsamen EU-Regelungen über den Flüchtlingsstatus, der so genannten „EU-Anerkennungsrichtlinie“. Darin werden die Mindestnormen aufgeführt für die Anerkennung als Flüchtling oder als Person, die anderweitig internationalen Schutz benötigt.

Darüber hinaus ist Human Rights Watch besonders besorgt über die Wirkung, die eine solche Aberkennung auf Länder im Nahen und Mittleren Osten haben könnte, in denen sich eine große Anzahl irakischer Flüchtlinge aufhält. Der UNHCR schätzt, dass neben den 1,9 Millionen Menschen, die innerhalb des Iraks vertrieben wurden, bis zu zwei Millionen in andere Länder geflohen sind, meist nach Jordanien und Syrien.

„Die Aberkennung des Flüchtlingsstatus in Deutschland sendet das falsche Signal an Iraks Nachbarstaaten, wo die irakischen Flüchtlinge einen sehr unsicheren rechtlichen Status haben. Manchmal werden sie von dort abgeschoben oder an der Grenze abgewiesen“, sagt Frelick.

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