In Ägypten leidet die Bevölkerung unter der brutalen Unterdrückung durch das Regime. Das Land befindet sich in einer der schlimmsten Menschenrechtskrisen seit vielen Jahrzehnten. Tausende Kritiker*innen, Journalist*innen, friedliche Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen sind unter erbärmlichen Bedingungen inhaftiert. Folter ist an der Tagesordnung.
Washington findet all dies nun vollkommen akzeptabel.
Die Biden-Regierung hat letzte Woche offiziell ihre Zustimmung bekundet, mit der Entscheidung, alle Menschenrechtsauflagen in Bezug auf Militärhilfen für Ägypten aufzuheben.
Die US-Regierung stellt Ägypten derzeit 1,3 Milliarden US-Dollar an ausländischer Militärfinanzierung zur Verfügung. Etwa ein Viertel davon, 320 Millionen US-Dollar, ist an Menschenrechtsbedingungen geknüpft, die der US-Kongress festgelegt hatte. Ägypten muss bestimmte Menschenrechtskriterien erfüllen, um diesen Teil des Geldes zu erhalten.
Washington nimmt jährlich eine Menschenrechtsbewertung vor. Dabei wird untersucht, ob die ägyptische Regierung „nachhaltige und wirksame“ Schritte zur Verbesserung eines breiten Spektrums von Rechten und Freiheiten unternommen hat, wie z. B. den Schutz der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Je nach Ergebnis dieser Bewertung können die USA bis zu 225 Millionen US-Dollar einbehalten.
Weitere 95 Millionen US-Dollar sind speziell an die Bedingung geknüpft, dass Ägypten Fortschritte bei der Freilassung politischer Gefangener vorweisen kann.
In den letzten drei Jahren hat die Biden-Regierung die düstere, stagnierende Realität in Ägypten zumindest teilweise eingeräumt, indem sie einen Teil ihrer Militärhilfen aufgrund von Menschenrechtsbedenken einbehielt.
Dieses Jahr wird erstmals der gesamte an Bedingungen geknüpfte Betrag gewährt – und die anhaltende Menschenrechtskrise in Ägypten ignoriert. US-Außenminister Antony Blinken verzichtete auf Menschenrechtsbedingungen im „nationalen Sicherheitsinteresse der USA“, wie ein Sprecher des Außenministeriums mitteilte.
Der Sprecher behauptete, die Entscheidung sei sowohl für die „Förderung des regionalen Friedens“ als auch in Anerkennung der Beiträge Ägyptens zu verschiedenen nationalen Sicherheitsprioritäten der USA wichtig, darunter „den Abschluss eines Waffenstillstandsabkommens für Gaza, die Heimkehr der [israelischen] Geiseln und die Aufstockung der humanitären Hilfe für bedürftige Palästinenser*innen“.
Vielen mögen diese Ziele außenpolitisch wertvoll erscheinen, allerdings ist nicht nachvollziehbar, warum das Elend der ägyptischen Bevölkerung bei den diplomatischen Bemühungen zur Beendigung von Israels von Gräueltaten geprägter Militäraktion in Gaza ignoriert werden sollte.
Tatsächlich begeht Washington in beiden Situationen einen ähnlichen Fehler.
Die Botschaft, dass schwere Menschenrechtsverletzungen toleriert werden, wenn dies im Moment als politisch nützlich erachtet wird, hat sich immer wieder als kontraproduktiv erwiesen. Wenn man Militär- und Sicherheitskräften sagt, dass ihre Verbrechen letztlich keine Rolle spielen, ermutigt man sie, mehr derartige Verbrechen zu begehen.
Ägypten und Israel sind die beiden größten US-Militärhilfeempfänger, und diese Art von prinzipienlosem Vorgehen hat nur dazu beigetragen, weitere Missbräuche und Gräueltaten durch beide Regierungen zu schüren.