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Die russische und brasilianische Nationalmannschaft bei einem Freundschaftsspiel am 23. März 2018 im Luschniki Stadion in Moskau, Russland, wo am 15. Juli auch das WM-Endspiel stattfindet. © 2018 Ashley Kowalski
HRW Stellungnahme im Sportausschuss des Bundestags zu “Bericht zur Situation der Arbeiter auf FIFA-WM-Baustellen in Russland“, 6. Juni 2018

Hugh Williamson, ECA Direktor, Human Rights Watch

Vielen Dank für Ihre Einladung.

„Die Arbeitgeber drohen uns damit, dass wir ohne Bezahlung gefeuert werden– falls wir uns beklagen. Auch werden sie die Polizei rufen.“

Das sind die Worte eines Arbeiters, der auf der Baustelle des Stadions in Rostow am Don in Süd-Russland gearbeitet hat. In der Stadt wird unter anderem die brasilianische Nationalmannschaft spielen. Der Arbeiter wollte nicht, dass sein Name veröffentlicht wird – wieder aus Furcht davor, dass er entlassen wird.

Human Rights Watch hat 2016 und 2017 mit Dutzenden Arbeitern gesprochen, die auf 6 der insgesamt 12 Stadion-Baustellen gearbeitet haben. Einige kamen aus Russland, die meisten aber waren Arbeitsmigranten aus anderen Gebieten der ehemaligen Sowjetunion, aus Weißrussland, Zentralasien und der Ukraine.    

Dass Arbeiter eingeschüchert wurden, war ein großes Problem, aber nicht das einzige. Die Arbeitsbedingungen insgesamt waren hart. Arbeiter mussten oft ohne Sicherheitsvorkehrung in großer Höhe schweissen und andere Arbeiten verrichten. Andere arbeiteten bei -25 ° ohne richtigen Schutz gegen die Kälte. Mindestens 21 Arbeiter starben bei Arbeitsunfällen auf FIFA-Baustellen, wie die Internationale Gewerkschaft für Bau- und Holzarbeiter berichtete.   

Ein weiteres Problem war, dass sich viele russische Bauunternehmen nicht an russische Gesetze hielten, die verlangen, dass Arbeitsverträge abgeschlossen werden und angemessene Löhne gezahlt werden. Einige Arbeiter erhielten ihre Vertäge erst verspätet, andere überhaupt nicht. Ein usbekischer Arbeiter, auch in Rostow, sagte uns, dass er und seine 500 Kollegen seit 3 Monaten nicht bezahlt worden sind.

Auch haben wir auf eine große Gruppe von Arbeitern aus Nordkorea hingewiesen, die nach glaubwürdigen Berichten, die wir erhalten haben, unter schrecklichen Bedingungen an dem Bau des Stadions in St Petersburg beteiligt waren.

Ganz gut läßt sich die Atmosphäre auf einigen Baustellen nachvollziehen, wenn man sich vor Augen führt, was unser eigener Mitarbeiter erlebt hat: Er wurde im April 2017 in Wolgograd festgenommen, als er mit Arbeitern sprach. Er wurde einige Stunden festgehalten. Ihm wurde vorgeworfen, dass er die Weltmeisterschaft sabotieren wolle. Dies zeigt auch: Die Weltmeisterschaft findet in einem Klima massiver Unterdrückung statt, wie es Russland seit einer Generation nicht mehr erlebt hat.    

Was ist nun passiert, seit wir unseren Bericht vor einem Jahr veröffentlicht haben?

Wir haben keine Informationen von den russischen Behörden, ob sie etwas gegen die eben beschriebenen Probleme unternommen haben.

Wir haben uns an die FIFA und den DFB gewandt. Mit beiden Organisationen stehen wir seit einigen Jahren in einem kritischen, doch zugleich auch konstruktiven Dialog – das gilt auch, wenn es um die Arbeitsbedingungen auf den russischen Baustellen geht. In Bezug auf den DFB, haben wir ihn augefordert, seinen Einfluß gegenüber der FIFA zu nutzen. Im Mai 2016 hat die FIFA ihr eigenes Monitoring-Programm zu den Arbeitsbedingungen auf Baustellen eingerichtet. Ein lokaler Wirtschaftsprüfer wurde beauftragt, die Baustellen gemäß russischen Standards und Standards der Internationalen Arbeitsorganisation zu überprüfen. Die Internationale Baugewerkschaft wurde gebeten, sich daran zu beteiligen, und stimmte zu. 

Es ist ein wichtiger Fortschritt, dass die FIFA mit diesem Monitoring begonnen hat und dass – so sagt es die FIFA – jedem Besuch der Baustellen ein interner Bericht zu den Firmen folgt, die dort beteiligt sind.  

Doch es gibt weiter Mängel. Zwei Beispiele: Die Überprüfung der Baustellen wird im voraus bekannt gegeben, das heißt, Baufirmen bleibt genug Zeit, wenn sie etwas verbergen wollen; die FIFA hat bis jetzt kaum Informationen über die Ergebnisse veröffentlicht, so dass niemand wirklich weiß, welche Arbeitsrechtsverletzungen sie vorgefunden hat oder ob die Firmen und die russischen Behörden dagegen vorgegangen sind. Die FIFA muss noch viel transparenter bei all diesen Fragen werden! 

HRW spricht mit der FIFA auch über andere Menschenrechtsverletzungen, die mit der WM in Verbindung stehen. Dazu gehört auch, dass Journalisten nicht an einer freien Berichterstattung gehindert werden dürfen; dass öffentliche Demonstrationen in der Nähe von Stadien während der WM möglich sein sollen; und dass Ojub Titijew, der Leiter von Memorial in Tschetschenien, aus einem tschetschenischen Gefängniss freigelassen wird, bevor die ägyptischen Nationalmannschaft  mit ihren Spielen beginnt. Ägypten hat sein Trainigslager in Tschetschenien aufgeschlagen.

Zum Schluss, möchte ich mich ausdrücklich für die Zusammenarbeit mit dem Sportausschuss bedanken. Ich erinnere mich sehr gut, als der Bundestag 2015 einen Antrag verabschiedet hat, der die Menschenrechtslage vor den Europaspielen in Aserbaidschan kritisierte.

Abschließend noch zwei Vorschläge, was Sie als Abgeordnete und der Bundestag insgesamt tun können:

  • Senden Sie ein klares Signal, dass die Weltmeisterschaft keine Veranstaltung ist, bei der die Menschenrechte unter den Tisch fallen! Stellen Sie dies öffentlich in Deutschland klar – und natürlich immer dann, wenn sie Vertreter der russischen Regierung und Duma-Abgeordnete treffen.
  • Und fordern Sie die FIFA und DFB auf, dass den Worten Taten folgen. Die Menschenrechtsprinzipen, die die FIFA letztes Jahr verschiedet hat, sind ein guter Anfang. Aber es gibt viele Bereiche, in denen die FIFA diese Prinzipien nicht umsetzt. Die FIFA hat sich nur bewegt, weil der Bundestag, wir und andere sie unter Druck gesetzt haben. Dieser Druck muss weitergehen: Nur so kann sichergestellt werden, dass die Menschenrechte bei FIFA-Veranstaltungen nicht mehr in Gefahr sind, sei es in Russland, Katar und bei anderen großen Sportveranstaltungen in der Zukunft.

Vielen Dank

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