(New York) – Die indonesische Regierung soll die Anklage gegen zwei französische Journalisten in Papua fallen lassen und die Restriktionen für ausländische Medien in der östlichsten Provinz des Landes beenden, so Human Rights Watch. Thomas Dandois und Valentine Bourrat droht am 20. Oktober 2014 ein Prozess wegen Visa-Vergehens. Sie wurden während der Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm für den deutsch-französischen Fernsehsender Arte festgenommen.
Die Verhaftung von Dandois und Bourrat und die gegen sie erhobene Anklage spiegeln die von der indonesischen Regierung seit langem praktizierte Politik wider, eine unabhängige Medienberichterstattung aus Papua zu behindern, wo seit Jahrzehnten ein Konflikt von geringer Intensität andauert. Ausländische Journalisten benötigen für die Insel eine behördliche Sondergenehmigung. Die Regierung bewilligt die Anträge aber selten oder verzögert deren Bearbeitung und behindert so die Berichterstattung über aktuelle Ereignisse. Wenn Journalisten eine Genehmigung erhalten, dürfen sie sich nicht ohne Aufsicht bewegen, jeder ihrer Schritte und der Zugang zu Interviewpartner werden streng kontrolliert.
„Die indonesische Regierung hat der Berichterstattung über Papua einen eisernen Riegel vorgeschoben, sodass die Arbeit ausländischer Journalisten in der Provinz im Grunde einer kriminellen Handlung gleichkommt“, so Phelim Kine, stellvertretender Leiter der Asien-Abteilung von Human Rights Watch. „Die Regierung soll die Anklage gegen Dandois und Bourrat fallen lassen, als einen ersten Schritt, um das Verbotes der Berichterstattung über Papua für ausländische Medien aufzuheben.“
Dandois und Bourrat sind am 6. August festgenommen und inhaftiert worden. Ihnen wird „illegales Arbeiten“ ohne offizielle Akkreditierung vorgeworfen. Der Polizeisprecher von Papua, Sulistyo Pudjo, sagte am 14. August, man würde den beiden Journalisten „Staatsgefährdung“ zur Last legen, weil sie Vertreter der bewaffneten Unabhängigkeitsbewegung Organisasi Papua Merdeka (OPM) gefilmt haben sollen, und fügte hinzu, die Arte-Journalisten seien „Teil eines Plans, Papua zu destabilisieren“. Die Bestätigung der französischen Regierung, dass es sich bei Dandois und Bourrat um langjährige Journalisten handelt, hat die Polizei in Papua mit der Begründung zurückgewiesen, dass keiner der beiden über einen gültigen Presseausweis verfügte.
Die indonesische Regierung geht rigide gegen ausländische Medien vor, die versuchen, die Hürden für die Berichterstattung aus Papua zu umgehen. Der indonesische Außenminister Marty Natalegawa verteidigte im Juli 2013 die Beschränkungen für ausländische Medien und warnte vor nicht namentlich genannten „Personen in Papua, die darauf aus sind, internationale Aufmerksamkeit zu erlangen, indem sie internationalen Persönlichkeiten, darunter auch Journalisten, Schaden zufügen.“ Obwohl die Regierung lokalen Medien gestattet, aus Papua zu berichten, bestehen ernsthafte Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Berichte, da die Regierung den Informationsfluss aus der Provinz zu kontrollieren versucht. Offizielle Dokumente, die 2011 an die Öffentlichkeit gelangten, deuten darauf hin, dass das indonesische Militär etwa zwei Dutzend indonesische Journalisten in Papua als Informanten benutzt, was Zweifel an der Objektivität ihrer Berichterstattung aufkommen ließ. Zudem hat das indonesische Militär Journalisten und Blogger ausgebildet und finanziert und sie vor einer angeblichen Einmischung ausländischer Regierungen, auch der US-Regierung, gewarnt.
Die Regierung rechtfertigt die Einreisebeschränkungen für Journalisten nach Papua als notwendige Sicherheitsmaßnahme wegen der anhaltenden Konflikte mit der OPM. Die OPM ist klein und schlecht organisiert, auch wenn sie in den vergangenen Jahren an Struktur gewonnen hat. Im Jahr 2013 verschärften sich die Spannungen in Papua nach einem mutmaßlichen Angriff der OPM auf indonesische Streitkräfte. Acht Soldaten kamen dabei ums Leben. Dies war der schwerste gegen das Militär gerichtete Gewaltakt in der Region seit zehn Jahren. Auch Demonstranten aus Papua, die sich friedlich für die Unabhängigkeit oder andere politische Veränderungen einsetzen, werden immer wieder festgenommen und inhaftiert. Derzeit sitzen mehr als 60 Aktivisten wegen „Hochverrats“ im Gefängnis.
Die Medienfreiheit ist durch internationale Menschenrechtsstandards geschützt und für die Achtung anderer Rechte unabdingbar, so Human Rights Watch. Die Medien spielen eine entscheidende Rolle bei der Enthüllung von Machtmissbrauch, Menschenrechtsverletzungen, Unternehmenskriminalität sowie von Gesundheits- und Umweltkrisen und tragen so dazu bei, dass die Öffentlichkeit informiert und Missbrauch beendet wird, dass sich Straftäter vor Gericht verantworten müssen und Opfer Entschädigung fordern können.
Die Medienfreiheit ist in den wichtigsten internationalen Menschenrechtsinstrumenten festgeschrieben, so auch in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in Artikel 19 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, den Indonesien 2005 ratifiziert hat. Artikel 28 der Verfassung der Republik Indonesien garantiert die Freiheit, „Meinungen schriftlich und mündlich zu äußern“ und Artikel 28F garantiert „das Recht, Informationen einzuholen und zu kommunizieren ... und das Recht auf Beschaffung, Besitz, Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe von Informationen“.
Der UN-Menschenrechtsausschuss, der als unabhängiges Gremium die Einhaltung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte überwacht, erklärte: „Journalismus ist eine Tätigkeit, die von vielen Akteuren ausgeübt wird, dazu gehören hauptberuflich tätige Reporter und Analysten sowie Blogger und andere Personen, die sich in gedruckten Veröffentlichungen, im Internet oder in anderen Medien äußern. Die allgemeinen staatlichen Regelungen für die Registrierung und die Zulassung von Journalisten sind nicht vereinbar mit der vollen Verwirklichung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, „das für die Förderung und die Wahrung der Menschenrechte unabdingbar ist“.
Regierungen können zwar aus Gründen der inneren Sicherheit das Recht auf Freizügigkeit einschränken, doch müssen solche Maßnahmen in Art und Umfang ein erforderliches und angemessenes Mittel zur Erreichung legitimer staatlicher Zwecke darstellen. Die pauschalen Einreisebeschränkungen der indonesischen Regierung für ausländische Journalisten nach Papua gehen über die völkerrechtlich zulässigen Mittel hinaus.
Die Regierung des scheidenden Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono hat sich bisher geweigert, die Einreisebeschränkungen für Journalisten nach Papua zu lockern. Im Dezember 2013 baten Human Rights Watch und drei indonesische Menschenrechtsorganisationen Vizepräsident Boediono, der die Versöhnungsbemühungen der Regierung in der Provinz leitete, in einem Brief, die mediale Isolation Papuas zu beenden. Der Brief wurde nie beantwortet. Yudhoyonos Nachfolger, der designierte Präsident Joko „Jokowi“ Widodo, der am 9. Juli 2014 gewählt wurde und am 20. Oktober sein Amt antritt, besuchte Papua am 5. Juni im Rahmen seines Wahlkampfes und signalisierte, dass er den Zugang zu Papua für ausländische Journalisten und internationale Organisationen freigeben würde.
„Indonesiens neuer Präsident soll zeigen, dass die Regierung in Papua ,nichts zu verbergen hat‘, und die bestehenden Hürden für die Berichterstattung aus der Provinz beseitigen“, so Kine. „Wenn er am 20. Oktober sein Amt antritt, muss Präsident Widodo sein Engagement für die Pressefreiheit unter Beweis stellen. Er soll die Anklage gegen Dandois und Bourrat fallen lassen und die repressive Politik der Regierung gegen Journalisten in Papua beenden.“