Update vom 5. August 2014
Am 5. August verhaftete die Polizei in Baku Arif Yunus, der auf seinem Weg zu einer Untersuchungshafteinrichtung war um seiner inhaftierten Frau ein Essenspaket zu bringen. Leyla Yunus leidet unter einer schweren Form von Diabetes und benötigt spezielle Nahrung in bestimmten Intervallen. Zuvor hatte der Anwalt von Leyla Yunus, Javad Javadov, erklärt, dass sich ihr Gesundheitszustand in der Haft bedeutend verschlechtert hatte.
Arif Yunus wurde zunächst zur Polizeistation des Yasamal Distrikts gebracht und dann von dort zur Ermittlungsabteilung für Schwerverbrechen der Generalstaatsanwaltschaft überführt. Arif Yunus wurde am 30. Juli des Landesverrats und Betrugs beschuldigt; gleichzeitig wurden seiner Frau Leyla Yunus Landesverrat, Steuerhinterziehung und zwei weitere Vergehen vorgeworfen. Während Leyla Yunus in drei-monatige Untersuchungshaft genommen wurde, wurde Arif aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes unter Polizeiaufsicht zunächst frei gelassen. Am 5. August beschuldigte der Generalstattsanwalt Yunus allerdings gegen die Auflagen seines Hausarrests verstoßen zu haben, indem er seine Wohngegend ohne Polizeierlaubnis verlassen habe, Medieninterviews gegeben habe und sich mit Personen getroffen habe, "gegen die strafrechtlich ermittelt wird oder ermittelt werden könnte". Der Nasimi Distrikt prüfte daraufhin die Gewahrsamsanhörung nach und änderte den Hausarrest in eine drei-monatige Untersuchungshaft.
„Arif und Leyla Yunus sollten nicht hinter Gittern sein, Punkt.” so Rachel Denber, stellvertretende Leiterin der Abteilung Europa und Zentralasien bei Human Rights Watch. “Alle Umstände im Zusammenhang mit dem Fall machen klar, dass die Anschuldigungen gegen die beiden völlig fingiert sind. Außerdem haben beide ernstzunehmende Gesundheitsprobleme. Die Behörden in Aserbaidschan sollten die beiden sofort frei lassen.”
Human Rights Watch sagt, dass bis zu ihrer Freilassung die aserbaidschanischen Behörden dafür verantwortlich sind, dass Leyla und Arif Yunus die Medikamente und medizinische Betreuung erhalten, die sie benötigen. Dies ist eine Verpflichtung Aserbaidschans gegenüber all denen in seinem Gewahrsam. „Die Gefängnisleitung muss sicherstellen, dass Leyla Yunus Zugang zu speziellen Nahrungsmitteln und Medikamenten hat um ihre Diabetes zu behandeln", so Denber. „Jeglicher gesundheitlicher Schaden den sie erleidet während sie in Haft ist, haben die aserbaidschanischen Behörden zu verantworten und sie werden dafür zur Rechenschaft gezogen werden.“
(Berlin, 31. Juli 2014) – Aserbaidschans Behörden sollen die sofortige Freilassung der führenden Menschenrechtsaktivistin Leyla Yunus aus der Untersuchungshaft veranlassen und die politisch motivierten Anklagen gegen sie und ihren Ehemann Arif Yunus fallenlassen, so Human Rights Watch. Außerdem sollen die Behörden die fortwährenden Einschüchterungsmaßnahmen gegen das Ehepaar beenden.
„Der Kontext, der zu den jüngsten Anklagen führte, und auch die Schikane, die sie in den vergangenen vier Monaten erdulden mussten, zeigt, dass die Anklagen gegen Leyla und Arif Yunus fabriziert sind. Das Ehepaar soll zum Schweigen gebracht werden“, so Rachel Denber, stellvertretende Leiterin der Abteilung Europa und Zentralasien von Human Rights Watch. „Die Behörden sollen diese gegen Aserbaidschans führende Menschenrechtsaktivisten gerichtete Einschüchterungskampagne unverzüglich einstellen und ihnen erlauben, ungehindert zu arbeiten.“
Aserbaidschans ausländische Partner, darunter die Führung des Europarats und seine Mitgliedstaaten, sollen deutlich machen, dass dauerhafte Schikanen gegen Menschenrechtsaktivisten und speziell gegen das Ehepaar Yunus direkte Auswirkungen auf die Beziehungen zu Aserbaidschans Regierung haben werden.
Leyla Yunus leitet das Institute for Peace and Democracy, eine 1995 gegründeten Menschenrechtsorganisation, die politisch motivierte Strafverfolgung, Korruption, Gewalt gegen Frauen und unrechtmäßige Räumungen bekämpft. Darüber hinaus beteiligt sich die Organisation an Projekten, die den direkten Dialog zwischen Intellektuellen und Gemeindevertretern aus Aserbaidschan und Armenien verbessern sollen – dies vor dem Hintergrund des ungelösten Konflikts in Bergkarabach, der autonomen Enklave in Aserbaidschan, die vorwiegend von ethnischen Armeniern bewohnt wird.
Am 30. Juli 2014 gegen 11 Uhr 45 verhafteten Vertreter der zur Generalstaatsanwaltschaft zugehörigen Ermittlungsabteilung für Schwerverbrechen Leyla Yunus. Sie befand sich auf dem Weg zu einer Konferenz im Büro einer Partnerorganisation. Sie wurde verhaftet und zum Büro der Generalstaatsanwaltschaft gefahren, sagte Arif Yunus gegenüber Human Rights Watch.
Kurz darauf klingelten sechs Männer in Zivilkleidung an der Tür der Privatwohnung der Yunus‘. Arif weigerte sich, die Tür zu öffnen, bevor sein Anwalt nicht eingetroffen sei. Aber als dieser eintraf, waren die Männer verschwunden. Yunus beschloss, sich selbst auf den Weg zum Büro des Generalstaatsanwalts zu machen, und traf dort kurz nach 13 Uhr in Begleitung seines Anwalts ein.
Gegenüber Human Rights Watch erklärte Yunus, dass er und seine Frau der Spionage für den armenischen Geheimdienst angeklagt worden seien und separat verhört wurden. Da sie die Anschuldigungen als beleidigend und vollkommen absurd empfanden, beschlossen sie, die Aussage komplett zu verweigern.
Ermittler behaupteten, das Ehepaar Yunus habe ausländische Zuschüsse dazu genutzt, aserbaidschanische Bürger dafür anzuwerben, sich an Maßnahmen der stillen Diplomatie zu beteiligen. Dabei sei es um den ungelösten Konflikt um Bergkarabach gegangen, aber es sei auch eine Tarnung für Spionageaktivitäten gewesen.
Weiter behaupten Ermittler, dass das Ehepaar eine nicht registrierte Nichtregierungsorganisation betreibe und auf erhaltene Zuschüsse keine Steuern bezahlt habe. Zwar stimmt es, dass das Institute for Peace and Democracy nicht registriert ist, aber die Behörden in Aserbaidschan machen es einer Menschenrechtsorganisation nahezu unmöglich, sich registrieren zu lassen.
Nach sechsstündigem Verhör erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Leyla und Arif Yunus. Zu den strafrechtlichen Vorwürfen gegen Leyla Yunus gehören Landesverrat (Artikel 274 Strafgesetzbuch), schwerer Betrug (Artikel 178.3.2), unerlaubtes Betreiben einer organisierten Gruppe (Artikel 192.2.2), Steuerhinterziehung (Artikel 213) und die Fälschung offizieller Dokumente (Artikel 320). Arif Yunus werden Landesverrat und Betrug vorgeworfen.
Aus gesundheitlichen Gründen wurde Arif Yunus freigelassen und unter Hausarrest bei polizeilicher Aufsicht gestellt. Leyla Yunus dagegen wurde vom Bezirksgericht in Baku-Nasimi direkt aus dem Gerichtssaal für drei Monate in Untersuchungshaft genommen. Arif Yunus erklärte Human Rights Watch, dass seine Frau an schwerer Diabetes leide und spezielle Mahlzeiten in regelmäßigen Abständen benötige. Er habe die Sorge, dass die Behörden seine Frau während der Haft nicht ausreichend versorgen würden.
„Diese Verhaftung und die Anklagen wurden über Monate hinweg vorbereitet und scheinen die Vergeltung für die Menschenrechtsarbeit der Yunus‘ und ihre unverhohlene Kritik an den Behörden zu sein“, so Denber. „Die Behörden sollen Leyla Yunus sofort aus der Untersuchungshaft entlassen und, so lange keine glaubwürdigen Beweise für die Haltbarkeit der Anklage vorliegen, die Anschuldigungen fallenlassen.“
Am 28. April hatte die Flughafenpolizei in Baku das Ehepaar an der Ausreise aus dem Land gehindert, die Reisepässe einbehalten und das Ehepaar einer 24-stündigen Tortur aus Verhören und Hausdurchsuchungen unterzogen. Arif Yunus musste anschließend mit Bluthochdruck ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Staatsanwaltschaft bestellte das Ehepaar später als Zeugen in einer Ermittlung wegen Verrats gegen Rauf Mirgadirov ein. Mirgadirov ist ein aserbaidschanischer Journalist und Bürgerrechtler, der am 19. April aus der Türkei deportiert und in Baku verhaftet worden war.
Seitdem haben die Behörden das Ehepaar wiederholt zu Befragungen einbestellt. Das Ehepaar hat sich jedoch geweigert, bei den Ermittlungen zu helfen, bevor es nicht seine Reisepässe zurückerhält und sich wieder frei bewegen kann. Arif Yunus sagte, seiner Meinung nach habe ein offener Brief seiner Frau die Behörden erzürnt und möglicherweise zur Verhaftung geführt. In dem „Wovor haben Sie Angst, Herr Präsident?“ betitelten Schreiben, das Leyla Yunus einen Tag vor der eigenen Verhaftung abgeschickt hatte, befasst sie sich mit der Festnahme von Jugendaktivisten.
Aserbaidschan hat eine lange Vorgeschichte, wenn es darum geht, Kritiker aufgrund von fragwürdigen Anklagen und wegen Landesverrats ins Gefängnis zu werfen, so Human Rights Watch. In den vergangenen zwei Jahren haben Aserbaidschans Behörden unbegründete Strafanzeigen gegen mehr als 40 politische Aktivisten, Journalisten, Blogger und Menschenrechtsaktivisten gestellt oder angedroht. Der Großteil der Personen sitzt aktuell hinter Gittern.
Im August 2011 verstießen die Behörden in Baku gegen eine gerichtliche Anweisung und rissen ohne Vorwarnung ein Haus ab, das Leyla Yunus gehörte. Der Abriss war Teil einer Räumungsaktion, die Platz für einen Park und eine Geschäftsanlage machen sollte. In dem Gebäude hatten das Institute for Peace and Democracy und zwei weitere Menschenrechtsgruppen ihren Sitz. Yunus hatte wiederholt die staatlichen Sanierungspläne für das Gebiet kritisiert.
Obwohl Aserbaidschan am 14. Mai den rotierenden Vorsitz im Ministerkomitee des Europarats übernahm, Europas führender Menschenrechtseinrichtung, setzte die Regierung ihr hartes Vorgehen ungebremst fort.
„Die Aserbaidschaner sind stolz darauf, bei dieser wichtigen regionalen Einrichtung den Vorsitz zu übernehmen, aber sie verletzen regelmäßig eben jene Werte und Rechte, auf denen die Einrichtung aufbaut und wegen derer sie existiert“, sagte Denber. „Aserbaidschans Partner im Europarat müssen nun wenigstens auf die Regierung einwirken, dass Leyla Yunus aus der Untersuchungshaft freigelassen und die zunehmende Schikane von Regierungskritikern unterbunden wird.“