(New York, 6. Juli 2009) - Die chinesische Regierung soll mit äußerster Zurückhaltung auf die Unruhen und Gewaltausschreitungen vom 5. Juli in Urumqi, der Hauptstadt des Uigurisch Autonomen Gebietes Xinjiang, reagieren, so Human Rights Watch. China soll zudem der UN erlauben, eine unabhängige Untersuchung der Ereignisse durchzuführen.
Chinas staatliche Medien berichteten, dass mindestens 140 Menschen getötet und 816 verletzt wurden, als Demonstranten mit der Polizei zusammenstießen. Den Berichten zufolge griffen die Demonstranten Passanten an und setzten Fahrzeuge und Läden in Brand. Im Internet verbreitetes Bildmaterial der Proteste vom 5. Juli zeigt Demonstranten, die friedlich durch die Strassen marschieren. Mehrere Berichte weisen darauf hin, dass die Demonstration als friedlicher Protestmarsch gegen einen Vorfall begann, bei dem zwei uigurische Arbeiter getötet und mehrere verletzt wurden, als sie mit chinesischen Arbeitern in Süd-China zusammenstießen. Keiner dieser Berichte wurde jedoch von unabhängigen Beobachtern bestätigt.
„Unklar ist, was in Urumqi passiert ist. Deutlich ist jedoch, dass die Regierung eine unabhängige Untersuchung zulassen muss, wenn ihre Version der Ereignisse sowohl in Xinjiang als auch auf internationaler Ebene glaubwürdig erscheinen soll“, so Sophie Richardson, Advocacy-Direktorin von Human Rights Watch. „China hat immer noch keine unabhängige Untersuchung der Unruhen letztes Jahr in Tibet erlaubt, was der Regierung und ihrer Version der Ereignisse starke Kritik eingetragen hat. Die Regierung soll in Xinjiang nicht wieder denselben Fehler begehen.“
Es ist unwahrscheinlich, dass die chinesische Regierung einen sachlichen Bericht der Proteste und des Vorgehens der Sicherheitskräfte veröffentlicht, da sie gewöhnlich Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Institutionen zu verbergen versucht.
„Staatliche Medien haben bereits Uiguren im Exil dafür verantwortlich gemacht, die Gewalttaten organisiert zu haben, sowie voriges Jahr der Dalai Lama dafür angeklagt wurde, die Gewaltausschreitungen in Tibet ausgelöst zu haben“, so Richardson. „In beiden Fällen gab es keine Beweise, die die Behauptungen gestützt haben.“
Human Rights Watch hat seine große Sorge über das Schicksal einiger hundert Demonstranten zum Ausdruck gebracht, die laut staatlichen Medien verhaftet wurden, und drängt die Regierung, für jeden Inhaftierten Rechenschaft abzulegen. Frühere Unruhen in Xinjiang sowie die im Jahr 2008 stattgefundenen Massenproteste in Tibet haben zu hunderten willkürlichen Festnahmen, standrechtlichen Hinrichtungen ohne faire Verfahren und Berichten von Folter und Misshandlungen geführt.
In den letzten Jahren haben Sicherheitskräfte in Xinjiang systematisch friedlichen Widerstand mit gewalttätigen Aktivitäten in Verbindung gebracht. Zudem wurde die angebliche Gefahr durch den Terrorismus dazu verwendet, um Menschenrechtsverletzungen und die Einschränkung religiöser und kultureller Aktivitäten zu rechtfertigen.
Anfang des Jahres hat die chinesische Regierung die Einladung an die neu ernannte UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navanethem Pillay, bekräftigt. Human Rights Watch forderte sie deshalb zu einem Besuch Chinas auf, um so schnell wie möglich in das Land zu reisen und insbesondere Xinjiang zu besuchen. Währenddessen soll Pillay Mitarbeiter des Hochkommissariats dorthin senden, um die Vorfälle in Urumqi untersuchen zu lassen.
Als Antwort auf die Proteste soll China die internationalen Standards für einen angemessenen Gebrauch von Waffen respektieren und sich mit dem Einsatz von tödlichen Waffen zurückhalten, außer wenn dies zum Schutz von Menschenleben notwendig ist, wie in den Grundprinzipien für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schusswaffen durch Beamte mit Polizeibefugnissen festgelegt.
„Wer auch immer für die Unruhen verantwortlich war, so ist es nun die Aufgabe der Regierung, die Missstände der Uiguren zu beheben und nicht zu verschärfen, um die ethnischen Spannungen zu verringern“, so Richardson. „Es ist Zeit, dass die Regierung der UN ermöglicht, eine unabhängige Untersuchung durchzuführen, und öffentlich Bericht darüber erstattet, was sich vor, während und nach den Protesten ereignet hat.